Steueroasen-Diskussion

Paint it black

d'Lëtzebuerger Land du 26.03.2009

Die Temperaturen waren frostig, doch die Sonne schien über den Dächern von Paris als, die Mitglieder des Finanz- und Budgetausschusses der Luxemburger Abgeordnetenkammer vergangenen Donnerstag zu einer Arbeitssitzung mit den französischen Kollegen antraten. Sie hatten sich viel zu erzählen zum Thema Finanzkrise, Steuerparadiese und Bankgeheimnis, kamen mit  reichlich Verspätung zur gemeinsamen Pressekonferenz, zu der sich nicht wenige französischen Journalisten eingefunden hatten.

Dort strichen Didier Migaud, Vorsitzender der Finanzkommission der Assemblée nationale, und Jean Arthuis, Vorsitzender des Finanzausschusses des Senats, erst einmal hervor, in wie vielen Punkten man sich einig sei. Sie forderten keine direkte Aufhebung des Bankgeheimnis. „Lediglich“ müsse Luxemburg künftig die administrative Zusammenarbeit verbessern, sprich beim Verdacht auf Steuerhinterziehung auf Anfragen Frankreichs reagieren und Bankdaten zur Verfügung stellen. Frankreich müssen sich selbst anstrengen, beispielsweise in Bezug auf Andorra und Monaco, auf die man, auch wenn es sich um souveräne Staaten handele, doch großen Einfluss ausübe. Das klang erst einmal nach Streicheleinheiten und sehr zurückhaltender Kritik an den Luxemburgern. Und auch nach ein klein wenig Asche aufs eigene, französische Haupt. Heiteres Gelächter gab es auf beiden Seiten, als man feststellte, niemand wolle, dass Luxemburg auf irgendeiner schwarzen Liste auftauche.

So kuschelig blieb die Atmosphäre aber nicht. Im Verlauf der Pressekonferenz schaukelten sich Luxemburgische und französische Abgeordnete gegenseitig hoch. Denn Laurent Mosar (CSV) konnte es sich nicht verkneifen, Monaco und Andorra, also die zwei Staaten, die neben Liechtenstein derzeit tatsächlich auf der schwarzen OECD-Liste der Steuerparadiese stehen, noch einmal selbst anzusprechen. Sowie ein Nichtdoppelbesteuerungsabkommen zwischen Frankreich und dem Wüstenstaat Katar, das ihm zufolge sehr fragwürdige Bestimmungen über die Besteuerung von Erträgen aus Immobiliengeschäften enthalte. Luxemburgs Frankreich-Botschafter Georges Santer, der auch bei der OECD akkreditiert ist, schüttelte im Publikum den Kopf. Aus gu­tem Grund, hält doch Luxemburg das OECD-Modell für solche Abkommen selbst nicht ein. Die Franzosen verzogen das Gesicht und holten zum Gegenschlag aus: Gegenstand des besagten Abkommens sei eben just die Aufhebung des Bankgeheimnis. Nach ihrer Meinung gehöre Luxemburg auf jeden Fall auf eine Liste von Staaten, die auf administrativer Ebene nicht ausreichend kooperierten. Arthuis, sichtlich verärgert, bedauerte ein wenig später süffisant, dass man nicht dazu gekommen sei, die fragwürdigen Luxemburger Mehrwertsteuerbestimmungen auf dem elektronischen Handel zu erörtern. Woraufhin es François Bausch, (déi Gréng) vor Aufregung fast vom Stuhl riss und er erst aufhörte die Luxemburger Mehrwertsteuerbestimmungen zu rechtfertigen, als Migaud die Pressekonferenz abbrach. 

Danach gingen die Meinungen der Abgeordneten über den Erfolg der Visite sehr weit auseinander. Für einige sollte es der Beginn einer Offensive werden, durch die in den internationalen Medien das falsche Bild Luxemburgs zurechtgerückt werden sollte. Medien, die zwar berichten, wenn der französische Präsident Nicolas Sarkozy wettert, Luxemburg müsse ihm etliche Fragen beantworten, doch etwaige Antworten aus Luxemburg ausblendet. Dafür hatte man eigens einen Kommunikationsberater engagiert, der die anwesenden Journalisten im Blick hatte. Tags drauf fand sich in den französischen Zeitungen keine Zeile über den Besuch aus Luxemburg. 

Einige Abgeordnete meinten, sie hätten ohnehin nicht mitfahren wollen, das Ganze für eine schlechte Idee gehalten, hier werde nur persönlicher Wahlkampf betrieben. Man solle das Dossier und öffentliche Auftritte in diesem Rahmen allein dem Budgetminister Luc Frieden überlassen. Doch was hat dieser eigentlich unternommen? Vor einem Jahr, als in Deutschland der Liechtenstein-Skandal losbrach, beteuerten er und Regierungschef Jean-Claude Juncker erst einmal stur, die Sache gehe Luxemburg nichts an. Als der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück im EU-Finanzministerrat dann den Druck für eine Reform der Zinsbesteuerungsdirektive in Richtung Abschaffung des Bankgeheimnis in Luxemburg, Belgien und Österreich erhöhte, damit man auch die Schweiz und Liechtenstein zur Rechenschaft ziehen könne, erklärten beide wiederholt, man sei für Gespräche offen. Aus der Defensive kamen sie hingegen nicht. 

Vielleicht schien das zum damaligen Zeitpunkt unnötig. Seither jedoch wurden Luxemburg und die Welt von der Finanzkrise eingeholt, und bei der Ursachenforschung nehmen die Gegner des Bankgeheimnis die Gelegenheit beim Schopf um die Gleichung Ursache=Instransparenz=Bank­geheimnis aufzustellen. Dabei stimmt der erste Teil der Gleichung sicherlich. Bloß sind damit eigentlich undurchsichtige Finanzprodukte gemeint, die nicht einmal deren Käufer verstanden oder die schlechte Reglementierung der Finanzmärkte, die es Banken erlaubte, enorme Risi­ken mit special purpose vehicles aus ih­ren Bilanzen wegzuzaubern. Niemand, nicht einmal Migaud oder  Arthuis, glaubt tatsächlich, dass das Bankgeheimnis für Privatpersonen Ursprung der Liquiditätsknappheit der Banken ist. Nur ist es leider so, dass Staaten oder Amtsbereiche, in denen lasche Gesetzgebungen darüber gelten, mit wie viel Risiko (Hedge-)Fonds oder Banken investieren dürfen, und wie streng sie darüber Buch halten müssen, oft auch Charakteristiken besitzen, die denen eines Steuerparadie­ses zumindest nicht unähnlich sind. Und, so lange es möglich ist, in Liech­tenstein oder in Großbritannien Stiftungen oder trusts zu gründen, ohne dass die Privatperson, die dahinter steht, bekannt ist, ist es relativ schwierig eine klare Trennungslinie zwischen Privatpersonen und Gesellschaften zu ziehen. 

Davon, und auch ,davon dass die Stimmung in den Ländern, in denen die öffentliche Hand den Banken zu Hilfe eilen musste und die staatlichen Budgets durch Rettungsaktionen und Konjunkturpakete belastet sind, profitieren die Gegner, um mit einem beeindruckenden Maß an Heuchelei am Bankgeheimnis zu sägen. Dabei befeuern Bankgeheimnisskandale, wie der um die Schweizer Bank UBS in den USA, die dort Kunden aktiv zur Steuerhinterziehung aufgefordert ha­ben soll, zusätzlich. Und so fordern die „Großen“, angeführt ausgerechnet vom Briten Gordon Brown, Premier des Landes, wo Steuerhinterzieher die praktischen anonymen trusts einrichten können, am 2. April beim Gipfel der G-20, wenn sie nach Auswegen aus der Krise suchen, eine neue schwarze Liste von Steuerparadiese oder unkooperativer Staaten zu erstellen.

Weil weder die Schweiz, noch Österreich, geschweige denn Luxemburg den G-20 Ländern angehören, trafen sich deren Finanz- oder Budgetminister vergangenen Sonntag zu einem eigenen Mini-Gipfel in Senningen. Und verschärften danach den eigenen Tonfall merklich, forderten mitreden zu dürfen. Das Vorgehen der Großen verstoße gegen diplomatische und völkerrechtliche Gepflogenhei­ten, so der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Man könne nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden, so der Österreicher Josef Pröll. Damit setzte man die freundschaftlichen Bin­dungen innerhalb der EU und mit den Freunden jenseits des Atlantiks aufs Spiel, so Luc Frieden. An der Kooperation beim Verdacht auf Steuerbetrug oder gar Steuerhinterziehung, könne man weiterarbeiten, sagte Merz. Das Bankgeheimnis müsse zum Schutz der Privatspehäre aber erhalten bleiben. Man sei offen für Gespräche, unterstrichen alle drei im Chor. Die Frage ist bloß, ob sie Gesprächspartner finden werden. 

Denn Sarkozy und Co. fordern vor heimischen Publikum medienwirksam Antworten auf ihre Fragen, stellen diese aber nicht direkt an Luxemburg, so dass man keine Antwort geben kann. Vor allem werden die Debatten auf Ebenen gehoben, in de­nen nicht nur die Betroffenen nicht mitreden können, sondern denen eine rechtliche Basis fehlt. Die G-Gipfel sind ein ziemlich loser Staaten-Verbund, ob zu viert, zu siebt, zu acht oder zu 20 und zumindest die gemeinsamen Erklärungen der G7 sind meist das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. So sprengt vor allem der französische Präsident in seinem Tatendrang nicht zum ersten Mal die Entscheidungsgremien der EU. Beim Treffen der Finanzminister am Dienstag in Brüssel war weder die Reform der Zinsbesteuerungsdirektive Thema, noch die neuen vom Steuerkommissar Laszlo Kovacs im Februar eingereichten Richtlinienvorschläge für einen besseren Informations­austausch zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten – natürlich auch in Steuersachen. Nur Österreich und Luxemburg ergriffen das Wort, wiederholten den Ministerkollegen das, was sie schon am Sonntag gemeinsam mit der Schweiz besprochen hatten. Der Ecofin-Rat erarbeitete dennoch gemeinsame Leitlinien für das G20-Treffen in London. 

„The EU must fight with great determination tax evasion (...)“, heißt es in dem Dokument.  „We need to protect the financial system from non-transparent, non-cooperative and loosely regulated jurisdictions, including off-shore centres. There is a need for a complete mapping of these jurisdictions, and to define criteria for listing those (...). A tool box of sanctions should be developed that permits the application of appropriate and gradual counter-measures(...), meinen die EU-Finanzminister weiter. Die Gegenmaßnahmen sollen zum Beispiel ein Verkaufsverbot für in solchen Amtsbereichen erstellte Finanzprodukte beinhalten oder einer Einschränkung der Geschäftsverbindun­gen von Gesellschaften mit solchen Amtsbereichen. Unter anderem solle die OECD dazu Vorschläge machen, fordern die EU-Minister. 

Das hat sie, auf Anfrage einiger ihrer Mitgliedstaaten, bereits getan und ein Informationsdossier angefertigt, dass die Mitarbeiter der französischen Zeitung La Tribune am Donnerstag bereits als neue schwarze Liste interpretierten und darauf unter anderem die Schweiz und Luxemburg wiederfanden. Ein Sprecher der OECD meinte gegenüber dem Land, das Paper könne keine neue schwarze Liste sein, denn eine solche müsse von den Mitgliedstaaten gemeinsam ausgearbeitet werden. Jedoch scheint dieses Prozedere manche OECD-Staaten nicht mehr zufrieden zu stellen. Der Druck innerhalb der Organisation, so der Sprecher, sei enorm. Weil aber Luxem­burg nicht alle OECD-Standards erfülle, also in Fällen von geringeren Steuerdelikten keine Daten vermittele, könne sich man sich ausmalen, dass in dem Papier Luxemburg als nicht-kooperatives Land genannt werde.

Womit sich wieder die Frage der Heuchelei stellt. Denn auch wenn Juncker, Frieden versichern, Luxemburg erfülle seine rechtlichen Verpflichtungen, so meinen sie das immer nur im Hinblick auf die EU-Regeln, genauer die Bestimmungen der Zinsbesteuerungsdirektive. Sie vergessen da­bei meist zu sagen, dass diese viel lascher sind, als die OECD-Standards. So scheint, wer hätte das gedacht, die beste Strategie im Kampf für den als Ziel erklärten Erhalt des Bankgeheimnis, augenblicklich die zu sein, die Verhandlungen um die Reform der Zinsbesteuerungsdirektive auf EU-Ebene voranzutreiben. Und darauf zu hoffen, dass Großbritannien dort letztendlich doch aus Sorge um den Erhalt der trusts doch noch die die Notbremse zieht. Um dort Standards mit zu verhandeln, die für Luxemburg akzeptabel sind. Das heißt, Informationsausstausch bei allen delikten auf Anfrage, nicht automatisch. Bevor auf unzugänglichen Ebenen wie den G-Gipfeln ungünstigere Entscheidungen fallen. 

Einzige Lichtblicke sind in diesem Sinne wohl die Äußerungen der Schwe­den am Dienstag, die ihren Ministerkollegen ganz tugendhaft skandinavisch mitteilten, sie seien aus Prinzip dagegen, dass beim G20-Gipfel unter Ausschluss der meisten EU-Staaten für die EU verbindliche Maßnahmen getroffen würden. Und dass sich Luc Frieden für Donnerstag ein Treffen mit seinem französischen Amtskollegen und beim Vorsitzenden der OECD ergattern konnte. Vielleicht wollen sie ja ein paar Antworten hören. 

Michèle Sinner
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