Kinderrechte

Viel Arbeit, zu wenig Personal

d'Lëtzebuerger Land vom 17.10.2005

Zum dritten Mal in Folge hat das "Ombuds-Comité fir d’Rechter vum Kand" (ORK) seinen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Darin werden unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche hinsichtlich der Kinderrechte unter die Lupe genommen: Schule, Justiz, Gesundheit, Gesetzgebung. Die meisten Beanstandungen, die die Kinderschützer in diesem Jahr auf über 70 Seiten zusammengetragen haben, sind nicht neu. Stichwort: jugendliche Straftäter. 14 Jugendliche seien derzeit im Gefängnis in Schrassig untergebracht, darunter sieben minderjährige Drogenabhängige. Weil die 15 Betten in der Jugendpsychiatrie im Kirchberger Krankenhaus nicht ausreichen, müssen Jugendliche in der Sicherheitsabteilung ausharren - neben erwachsenen Straftätern und ohne entsprechende Behandlungsmöglichkeiten. Den Beteuerungen der Regierung, rasch eine eigene Jugendstrafanstalt bauen zu wollen, glaubt das ORK nicht länger. Die Behauptung von Justizminister Luc Frieden, nicht die Regierung, sondern die Gemeinde Wormeldingen sei verantwortlich dafür, dass es mit dem Bau nicht vorwärts gehe, kontert das ORK mit eigenen Recherchen: Demnach haben die Gemeindeoberen ein erstes Projekt durchaus genehmigt. Kurz bevor das entsprechende Gesetz gestimmt werden sollte, legte das Bautenministerium jedoch ein abgeändertes Projekt auf den Tisch, was die Gemeinde wiederum begutachtete. Auf eine Antwort seitens der Regierung auf ihre schriftlich vorgetragenen Einwände wartet sie allerdings noch heute. Trotz neuer Jugendpsychiatrie ist das Problem der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen ebenfalls weiterhin nicht gelöst. Besondere Sorgen macht sich das ORK über misshandelte und selbstmordgefährdete Kinder. Aus Mangel an Infrastrukturen werden viele von ihnen im Ausland behandelt, fernab von ihren Eltern, Schule und Freunden. Andere landen im Krankenhaus. So wurden zwischen Januar und Juni dieses Jahres 18 Kleinkinder aus Mangel an adäquatem Platz in der Kinderklinik des Centre hospitalier in der Hauptstadt untergebracht. Kritik übt das Komitee um Präsidentin Marie-Anne Rodesch-Hengesch des Weiteren an verschiedenen Gesetzestexten, zum Beispiel an der geplanten Gesetzesreform zur Namensgebung: "Il est choquant de constater que le législateur luxembourgeois contrairement aux législateurs belge, français et allemand semble vouloir pérenniser le maintien des notions 'enfant naturel' et 'enfant légitime'." Diese Betrachtungsweise sei angesichts der wachsenden Zahl von Eineltern-Familien veraltet und diskriminiere zudem nicht-eheliche Kinder. Auch die Tatsache, dass die doppelte Staatsbürgerschaft weiterhin auf sich warten lässt, wird beanstandet. Weitere Themen sind die Einführung eines Kinderanwalts, die Heimeinweisungen, die Benachteiligung von nicht-luxemburgischen Schülern, Polizeiübergriffe, die Abschiebepraxis, sexueller Missbrauch, Medien, Alkopops, et ceterea. Für das kommende Jahr plant das Komitee eine Untersuchung über die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Luxemburg. Bei so viel Arbeit ist es nicht verwunderlich, dass das ORK an seine Grenzen stößt und personelle Verstärkung fordert. Eine juristische Fachkraft war dem Komitee, das neben der Präsidentin zurzeit eine Sekretärin hauptamtlich beschäftigt, schon vor einem Jahr während einer Chambersitzung zugesagt worden. Die Forderung wird auch vom Ombudsman Marc Fischbach, von Nic Klecker von der Menschenrechtskommission, von Serge Kollwelter von der Asti und anderen Persönlichkeiten unterstützt. Eine weitere Gelegenheit für die Politik, zu zeigen, wie ernst sie es mit den Kinderrechten wirklich meint.

Ines Kurschat
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