Stimmwunder aus Rümelingen

An elo den Tzotzialismus!

d'Lëtzebuerger Land vom 21.12.2012

Heute loben wir das Stimmwunder aus Rümelingen. Ganz zu Unrecht wurden die Rümelinger Stadthäuptlinge angegiftet, weil sie sich tatkräftig mit ihrem Bürger James Borges verbündeten. Was mussten wir nicht alles lesen über diese schöne Solidaritätsbekundung! Die Stadt Rümelingen rührt im Netz die Werbetrommel für ihren Star, stellt 300 Prepaid-Telefonkarten zur Verfügung, mobilisiert einen eigenen Bus, um die Borges-Fans nach Trier zu verfrachten, und was sagt die Vox populi? Das sei Verschwendung öffentlicher Gelder, sinnlose Förderung einer elenden Party-Kultur, Hirnwäsche pur, weil ja der Fernsehsender Sat.1 nichts weiter sei als eine perfide Geldmaschine, die nur auf Quoten aus ist und rücksichtlos sogenannte Gesangstalente in sogenannten Shows auf unterstem Niveau verwurstet.

Jetzt aber mal langsam. Rümelingen ist das letzte veritable LSAP-Reservat in Luxemburg, quasi ein Freilichtmuseum der Sozialdemokratie. Das heißt im Klartext, dass alle politischen Entscheidungen in Rümelingen immer strikt nach sozialistischen Maßstäben getroffen werden. Warum wird diese grundlegende Komponente der Rümelinger Politik unterschlagen? Wenn das Schöffenkollegium 300 Prepaid-Karten kauft, um eine deutsche Fernsehabstimmungsmaschine subversiv lahmzulegen, springt die soziale Absicht doch sofort ins Auge: Es ist ein unverblümter Aufruf zur Guerrilla, zum Volksaufstand, zur taktischen Unterwanderung der bundesdeutschen Hegemonie. Die Rümelinger fallen in Trier ein: gibt es denn ein überzeugenderes Exempel für den Kampf des kleinen David gegen den arroganten Goliath? Auf einen Schlag hat die Rümelinger Gemeindeführung den grenzüberschreitenden Sozialismus wiederbelebt. Nie zuvor prangten in der Trier Laola-Sportsbar so viele rote Fahnen wie an jenem heldenhaften Abend.

Und wieso wird der Gratisbus-Einsatz kritisiert? Hat die LSAP denn nicht vor Jahren schon den kostenlosen öffentlichen Transport versprochen? Was der Parteiführung auf Landesebene noch nicht gelungen ist, setzt die radikale Rümelinger Fraktion nun ohne viel Federlesens in die Praxis um. Das können wir nur beispielhaft nennen. Richtig Prügel einstecken mussten die wackeren Rümelinger Genossen, weil sie auch noch einen Pendeldienst zwischen der Laola-Sportbar und dem Trierer Weihnachtsmarkt anboten. Warum sind wir nur so kleinmütig? Es ist doch klar, dass sich die sozialistische Speerspitze niemals ohne Hintergedanken Reklame für obskurantistischen Firlefanz erlauben würde. Vor allem dann nicht, wenn der Parteipräsident himself lautstark verkündet, die LSAP setze sich ein für die Trennung von Kirche und Staat. Wieso verschweigt denn die öffentliche Meinung, dass die Rümelinger Germany-Schlachtenbummler auch mit gratis Spruchbändern ausgestattet wurden? „Schluss mit dem christlichen Konsumwahn!“ Diese Idealisten haben den Weihnachtsmarkt furchtlos aufgemischt. Im Trierer Bistum machte sich Entsetzen breit.

Warum nur verbreiten wir immer wieder gezielte Missverständnisse? Wenn zum Beispiel die Escher LSAP-Bürgermeisterin ein Vorwort zu jener entsetzlichen Barbara-Broschüre schreibt, mit der ahnungslose Schulkinder überfallen werden sollten, heißt das doch nicht, dass eine profilierte Sozialistin plötzlich an der Weihwasserflasche nuckelt. Das Gegenteil ist wahr. Sie wollte nur auf intelligente Weise den Erzbischof provozieren. Das ist ihr übrigens vollauf gelungen. Denn der Erzbischof hat sich offiziell von diesem Barbara-Machwerk distanziert.

Warum sollen wir immer nur dem Luxemburger Wort, das James Borges als „Superstar“ und „Superheld“ schilderte, die Deutungshoheit überlassen? Dieser Mann hat eine Stimme wie eine geballte Faust, ein Organ aus Stahl, um mal eine aktuelle Metapher zu bemühen. Hammer! Geil! James Borges ist der neue Jempi Bausch (sogar die Initialen stimmen überein – wenn das keine historische Fügung ist !), die medial aufgemotzte Ikone des neuen Klassenkampfs. Er hat schon den kapitalistisch verseuchten Teutonen mächtig am Zeug geflickt, jetzt wird er ganz sicher mit Wucht den verfluchten Herrn Mittal unter den Tisch singen. Hammergeil! Dieser Mann braucht eine Arena in Rümelingen. Und ein eigenes Festival. Am besten im Grubenmuseum. Bevölkerung, hör die Signale!

„James, mir si stolz op dech. An dem ganzen trouble zu Lëtzebuerg wars du iwwert Wochen ewéi e Stär am Himmel“, jubelte ein begeisterter Fan auf RTL.lu. Das unterschreiben wir mit beiden Händen. Wir brauchen mehr leuchtende Sterne am schwarzen Firmament. Vor allem, wenn frühere Sterne sich plötzlich als verglühende Kometen entpuppen, weil sie von der kapitalistischen Radsportmafia vergiftet wurden. Wir brauchen dringend neue Tröster und Trösterinnen. Und zwar nicht nur tief katholische Jet-Set-Prinzen, die den „ganzen trouble zu Lëtzebuerg“ niederkämpfen, indem sie heiraten und nochmals heiraten und wieder heiraten. Wir brauchen dringend stimmgewaltige Rebellen. James Borges ist unser Idol. Das wollen wir ihm sofort telefonisch mitteilen. Wo steckt denn nur unsere Rümelinger Prepaid-Karte?

Guy Rewenig
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