Brief des erste Land-Redakteurs an die Redaktion

60 Jahre Journalist

d'Lëtzebuerger Land du 31.01.2014

Am 1. Februar 2014 jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem Carlo Hemmer mich als Redakteur seiner neugegründeten Wochenzeitung d’Letzeburger Land engagierte. Nur sechs Wochen nach dem Gründungsjubiläum der Zeitung könnte ich also mein eigenes kleines Land-Jubiläum begehen, zumal Ihr ergebener Diener in seinem 89. Lebensjahr immer noch ein bisschen aktiv ist und das ohne Honorar, ohne Rentenzuschuss, ohne Lohn.

So wurde mir kürzlich wieder die Freude zuteil, wie zu jedem neuen Jahr vom Presserat meinen journalistischen Berufsausweis Nummer R(etraité) 015 für 2014 zugeschickt zu bekommen. Ich bin zwar seit 1982 als Redakteur pensio­niert. Journalist aber bin ich immer noch, wenn auch meist nur noch in Leserbriefen, für deren Veröffentlichung ich allen Redaktionen danke. Journalisten vom echten Schrot und Korn stehen, wie die Priester, in einem lebenslangen Pflichtverhältnis. Sie sind ihrem Leserkreis und der Gesellschaft schuldig, ihnen über die sozialen Altersgrenzen hinaus dienstbar zu bleiben.

Mich freute ebenfalls am 20. Dezember 2013, zusammen mit meinem 92-jährigen Freund, dem allseits beliebten Graphiker, Dichter und preisgekrönten Autor  Pe’l Schlechter, (der Carlo Hemmer 1953 eine Null-Nummer des d’Letzeburger Land von Hand gezeichnet hatte), noch dabei sein zu können, als unsere einstige Zeitung  in einer würdigen und hochinteressanten Feier im Carré Rotondes ihr 60. Gründungsfest beging. („Am véiereckege Rondel“, wie Pe’l einst seinen Revue-Comicstrip genannt hatte). Der frischgebackene Staatsminister Xavier Bettel und andere Regierungsmitglieder hatten das Jubiläum mit ihrer Gegenwart beehrt. Bei der Feier vermisste ich außer Robert Goebbels einige von den andern, noch lebenden Altjournalisten.

Zusammen mit der Nationalbibliothek ging an jenem Tag d’Land  ab seiner ersten Nummer von 1954  online, das heißt die 60 Jahrgänge des Blattes können jetzt fast integral im Internet nachgeschlagen werden. Auch war  die eigens für dieses Fest gemachte Land-Jubiläumsbeilage Nr. 51a vom 20. Dezember 2013 ein hervorragender Volltreffer in der Vielseitigkeit der Themen und Mitarbeiter, eine wahre lexikalische Nachschlag-Ausgabe zum Aufbewahren.

So sehr mich die Feier freute, so bedenklich hatte ich umgekehrt die Internet-Offenbarung meiner Anfänge im Journalismus betrachtet. Denn Carlo Hemmer hatte mir zwar mit meiner Ernennung zum Redakteur seiner weltanschaulich und politisch neutralen  Wochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft meinen Traumberuf fürs ganze Leben eröffnet. Aber die ersten Jahre unter ihm als Gründer und Chefredakteur waren für mich ehemaligen Schmelzarbeiter und blutigen Redak­tions­novizen besonders schwere Lehrjahre gewesen. Viele mühselige Abend- und Nachtschichten gingen drauf, um jede Woche eine 12-seitige Zeitung herauszubringen. Als typischer Zufallsjournalist, bar jedweder beruflichen Vorbildung, war ich die ersten Land-Jahre hindurch kaum zum Schreiben gekommen. Ohne die Hilfe des eifrigen Freelance-Mitarbeiters und jungen Juristen Henri Etienne hätten wir die Kraftprobe nicht geschafft. Erst als Leo Kinsch 1956 als zuerst freier Mitarbeiter und ab 1958 als Hemmers Nachfolger hinzukam, klärte sich der Himmel über dem Land auf.

Heute werde ich trotz meines Alters des Schreibens nicht müde, zwar weniger mit Bleistift und Notizblock wie Carlo Hemmer mir prophezeit hatte, aber recht und schlecht dank dem Computer und seiner random memory, ohne die mein langsam verblassendes Gedächtnis kaum noch Namen und Daten behielte.

Nie habe ich zu dem fragwürdigen Zwecke geschrieben, Verdienste und Medaillen einzuheimsen. Wenn der Presserat mir zwar jedes Jahr meinen Journalistenausweis zuschickt, so habe ich doch mein ganzes Berufsleben lang kein einziges Mal eine seiner üblichen Auszeichnungen für runde Verdienstjahre erhalten. Als hätten sie im Presserat gewusst, wie wenig Wert ich darauf legte.

Zu meinem 60. Dienstjubiläum wünsche ich dem Land und seinem Redaktionsstab, seinen Designern und Photographen, seinen Druckern und Lesern, und allen andern Verlagen und Journalisten von Herzen noch viele, viele Jahre einer erfolgreichen Zukunft und verabschiede mich mit dem Dank und der Achtung eines treuen Zeitungsveterans.

Rosch Krieps
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