Niedrigenergie- und Passivhäuser

Sparsamer bauen

d'Lëtzebuerger Land vom 04.03.2004

Häuser können Energieverschwender sein. Nicht nur Altbauten, deren Isolation zu wünschen übrig lässt, Neubauten auch. Im Schnitt 80 Prozent der in einem Haus verbrauchten Energie werden zum Heizen eingesetzt. Doch nicht in erster Linie, weil seine Bewohner es in der kalten Jahreszeit gemütlich warm haben wollen, sondern vor allem, weil es Wärmeverluste rund ums Haus gibt: zu rund je einem Fünftel über Fenster und Außenwände, zu 16 Prozent durch das Dach und selbst durch die Luken des an sich ungeheizten Kellers zu sechs Prozent. Die größten Verschwender sind indessen die Heizungsanlagen: sie können schon mal fast ein Drittel der von ihnen produzierten Wärme ungenutzt durch den Schornstein rauchen lassen.

 

Daraus folgt aber auch: Mit geeigneten Bauweisen und Installationen las-sen die Verluste sich drücken, drastisch sogar. Ein konventionell und nach den Maßgaben der geltenden Wärmeschutzverordnung errichtetes Haus verbraucht im Schnitt pro Jahr und pro Quadratmeter Wohnfläche 120 Kilowattstunden Heizenergie, beziehungsweise zwölf Liter Heizöl oder zwölf Kubikmeter Erdgas pro Quadratmeter jährlich. Ein nach dem so genannten Niedrigenergie-Standard gebautes Gebäude dagegen kommt mit der Hälfte aus. Noch sparsamer ist ein "Passivhaus" mit einem Heizenergiebedarf, der um noch drei Viertel geringer ist als der eines Niedrigenergiehauses.

 

Wer so bauen lassen möchte, muss allerdings sorgfältig planen lassen. Die Einspareffekte ergeben sich nicht nur aus einer stärkeren Isolation an den Außenwänden, am Dach und am Fundament sowie aus angepassten Fenstergrößen mit Dreifachverglasung und dem Einbau einer speziellen Wohnungslüftung, da Niedrigenergie-, besonders aber Passivhäuser "luftdichter" sein müssen als herkömmliche. Auch der Grundriss des künftigen Hauses muss auf Energieeffizienz hin optimiert, die günstigste Orientierung des Gebäudes in Richtung Sonne gefunden werden.

 

Die Anforderungen an Passivbauten sind noch höher. Ihre Wärmedämmung muss mindestens doppelt so wirksam sein wie die herkömmlicher Häuser. Dann sinkt der Heizwärmebedarf auf ein so kleines Niveau, dass im Grunde kein eigenes Heizsystem mehr nötig ist. Erwärmt werden Passivbauten einerseits "passiv" von der Sonne: Die dreifach verglasten Fenster sind speziell beschichtet, so dass sie kaum Wärme nach draußen verschwinden lassen, dafür jedoch mehr als die Hälfte der an ihnen ankommenden Sonnenwärme nach innen leiten. Damit lässt sich auch an kalten Tagen Heizwärme aus der Sonneneinstrahlung gewinnen, und dank des hohen Isolationsgrades von Passivbauten kann, falls die Sonne nicht scheint, die "Gratiswärme" der sich im Haus aufhaltenden Personen sowie die von elektrischen Geräten gelieferte zur Heizung ausreichen: Ein 15 Quadratmeter großes Zimmer lässt sich dann schon durch eine 75-Watt-Glühlampe auf eine behagliche Temperatur bringen. Noch mehr Heizleistung steuert ein System zur Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage bei.

 

Luftdichtheit zum einen, Lüftung zum anderen sind zentrale Kriterien optimal funktionierender Niedrigenergie-, vor allem aber Passivhäuser. Letztere müssen, um Wärmeverluste über Ritzen und Fugen auszuschließen, derart gut abgedichtet sein, dass am abgeschlossenen Rohbau ein Dichtigkeitstest vorgenommen werden muss, damit eventuelle Fehler noch ausgebessert werden können. "Blower Door" heißt das Verfahren, bei dem in den Rahmen der Außentür ein Gebläse eingesetzt wird, das eine Viertelstunde lang einen gleichmäßig leichten Über- oder Unterdruck im Haus erzeugt. Gemessen wird, ob während dieser Zeit die vom Ventilator transportierte Luftmenge innerhalb gewisser Grenzen blieb. Falls nicht, muss nach den Schwachstellen gesucht werden.

 

Weil Ritzen und Fugen an konventionellen Gebäuden für die Lüftung zuständig sind, müssen Passivbauten, aber auch die weniger stark abgedichteten Niedrigenergiehäuser, gesondert belüftet werden. Ohnehin ist die Ritzen- und Fugenlüftung keine gute: Lufthygienisch gesehen, müssten an herkömmlichen Häusern ungefähr im Stundentakt sämtliche Fenster für jeweils fünf Minuten sperrangelweit geöffnet werden, um in den Innenräumen für stets einwandfreie Luft zu sorgen. Was niemand tut, stattdessen bleiben viele Fenster stundenlang angekippt. Und die Gebäudeheizung wärmt derweil die Straße vor dem Haus.

 

Die Lüftungsanlagen sind ausgeklügelt. Sie tragen nicht nur zur Heizung im Winter bei, sie wirken im Sommer wie eine Klimaanlage. Verbrauchte Luft wird über ein Röhrensystem nach draußen geführt. Zuvor werden bis zu 90 Prozent der in der Abluft enthaltenen Wärme zurück-gewonnen. Es findet ein ständiger Luftaustausch statt. Die frische Luft gelangt durch die zentrale Lüftungsanlage ins Haus, wird bei Bedarf vorgewärmt und über "Weitwurfdüsen" so in den Raum geleitet, dass sie ihn gleichmäßig und mit nicht wahrnehmbarer Geschwindigkeit durchströmt. Zusätzlich kann die Frischluft durch einen draußen installierten Erdwärmetauscher geführt werden: Dessen Rohrsystem reicht 20 bis 30 Meter tief ins Erdreich; wird im Winter kalte Frischluft angesaugt, wird sie im Boden leicht vorgewärmt, im Sommer dagegen wird warme Frischluft vorgekühlt. Für den Fall sehr kalter Winterperioden, in denen die Hausbewohner längere Zeit abwesend sind und auch ein Passivhaus allmählich auskühlt, kann eine kleine Zusatzheizung nötig sein.

 

Der Mehraufwand am Bau, vor allem für die Isolationsmaßnahmen, hat natürlich seinen Preis. Für ein Niedrigenergiehaus kann er den eines in der Größenordnung vergleichbaren konventionellen Gebäudes um zehn Prozent übersteigen, für ein Passivhaus um 20 Prozent. Gute Planung kann die Zusatzkosten zwar in Grenzen halten. Können beispielsweise die Fensterfronten optimal nach der Sonne ausgerichtet werden, sind erhebliche Wärmegewinne drin. Entscheidend für den Kostenumfang ist aber darüber hinaus die Größe des gewünschten Gebäudes: Wer sich bescheidet, kann sparen. In Deutschland geht man mittlerweile davon aus, dass für Niedrigenergiehäuser auf jeden Fall, für Passivhäuser eventuell, die Zusatzkosten sich durch staatliche Zuschüsse kompensieren lassen. Allerdings liegt dort die beheizbare Wohnfläche eines Einfamilienhauses in der Regel zwischen 110 und 130 Quadratmetern, in Luxemburg bei 150 Quadratmetern und mehr. Da heißt es, aufzupassen, denn die hier zu Lande geltenden staatlichen Förderregeln belohnen Bescheidenheit: Niedrigenergie- und Passivhäuser sind förderbar bis zu einer beheizbaren Wohnfläche von 200 Quadratmetern. Es gelten allerdings zwei Staf-felungen. Bei einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern schießt der Staat pro Quadratmeter für Niedrigenergiehäuser 62 Euro zu, für Passivhäuser 100 Euro. Darüber hinaus und bis zum Maximum von 200 Quadratmetern Wohnfläche werden 25 Euro pro Quadratmeter für Niedrigenergiebauten gezahlt, für Passivbauten 63 Euro.

 

Subventioniert werden außerdem die Erstellung eines Energiekonzepts für den Bau sowie zur Qualitätskontrolle der Blower-Door-Test und die Anfertigung einer thermografischen "Fotografie" der vom Haus emittierten Restwärme, des weiteren die An-schaffung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und die eines Erdwärmetauschers. Sämtliche Beihilfen sind kumulierbar mit denen für energieeffiziente Heizsysteme, wie Brennwertkessel, sowie thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung und Fotovoltaikanlagen zur Gewinnung von Sonnenstrom. Die demnächst und rückwirkend zum 26. Januar dieses Jahres in Kraft tretenden Änderungen an der Beihilfenverordnung werden zwar die Investzuschüsse für Brennwertkessel und Fotovoltaikanlagen leicht senken, an den Fördermechanismen für energie-sparendes Bauen ändert sich dagegen nichts.

 

Falls der Mehraufwand für ein Niedrigenergie- oder Passivprojekt am Ende dennoch den eines herkömmlichen Hauses übersteigt und sich zumindest angesichts der gegenwärtig geltenden Preise für Heizöl und Erdgas auch eine längerfristige Amortisierung über Heizkostenersparnisse nicht erreichen lassen sollte, ist aber auf jeden Fall ein Gewinn an Lebensqualität garantiert: Die starke Isolation von Niedrigenergie- und Passivbauten etwa verhindert, dass im Winter sich abkühlende Innenwände den Hausbewohnern Körper-Strahlungswärme entziehen können. Die in den Lüftungsanlagen eingebauten Feinfilter trennen Pollen und Stäube von der Frischluft, was an einem geöffneten Fenster so nicht möglich und insbesondere für Allergiker günstig ist. Die abgedichtete Bauweise wiederum beugt dem Eindringen von Außenluft in die Gebäudehülle und damit Bauschäden vor: Sie werden erfahrungsgemäß zu 90 Prozent verursacht durch feuchte Luft, die in die Isolation dringt, dort zu Wasser taut und allmählich bis hin zur Schimmelpilzbildung führt.

 

Zu bedenken bleibt zu guter Letzt, dass nicht nur im Ausland die ökologischen Bauten zunehmen, auch in Luxemburger Gemeinden in den kommenden Jahren ganze Niedrigenergie-Siedlungen entstehen werden und in Kanada und Skandinavien die Niedrigenergiebauweise seit Jahren schon Standard ist. Die Anforderungen an die Energieffizienz von Wohnhäusern werden vor diesem Hintergrund auf jeden Fall steigen; auch aus Klimaschutzgründen. Womöglich sogar schon demnächst mit der geplanten Änderung der - veralteten - nationalen Wärmeschutzverordnung, wenngleich sie sich zur Übernahme einer EU-Richtlinie in nationales Recht vorerst nur auf Altbauten beschränken muss. Eine Ausdehnung auf Nebauten ist allerdings nicht ganz aus-geschlos-sen, und zumindest längerfristig wird jedes konventionell errichtete Haus an Wert verlieren. Ein nachräglicher Umbau auf Niedrigenergie-Standard aber kommt auf jeden Fall teurer zu stehen, als wenn man gleich "sparsamer" baut.

 

Online-Informationen:

 

Zu zertifizierten Handwerksbetrieben über die Handwerkskammer: www.cdm.lu

Zu Architekten und beratenden Ingenieuren über den Ordre des architectes et des ingénieurs-conseils: www.oai.lu

Zu den staatlichen Beihilfen über das Umweltministerium: www.environnement.public.lu/energies_renouvelables/index.html

 

Peter Feist
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