Rebellion

Erfahrbare Geschichte

d'Lëtzebuerger Land vom 22.04.2016

Irland, besser Dublin, in der Osterwoche 1916. Am 24. April begann „The Easter Rising“, eine Rebellion, die heute als erster Schritt in die Unabhängigkeit gilt. Das ist jetzt 100 Jahre her. Die irische Botschaft in Luxemburg organisiert deshalb zum Gedenken an diese Ereignisse unter anderem die Vorführung des Dokumentarfilms 1916: The Irish Rebellion, erzählt von Liam Neeson. Zu sehen am 24. April in der Cinémathèque.

Und wohl nicht aus Zufall kann man seit kurzem auf Netflix eine Miniserie zu über den Aufstand Im Mittelpunkt von Rebellion stehen drei junge Frauen. Elizabeth Butler (Charlie Murphy), reiche Bankierstochter, die an der Seite der Sozialisten kämpft; May (Sarah Green), Sekretärin in der britischen Verwaltung, und Frances O’Flaherty (Ruth Bradley), Nationalistin und glühende Feministin. Leider sind die Figuren zu flach gezeichnet, als stünden sie für Prototypen. Hier die Fanatikerin, da der Intellektuelle, hier der verwöhnte Schnösel, da der Patriot.

Interessant ist die Serie von Colin Teevan (Drehbuch) und Aku Louhimies (Regie) dennoch. Die Macher verfolgen eine getreue Schilderung der historischen Ereignisse und haben ihr Augenmerk auch auf die Lebensumstände und die extreme Armut großer Teile der irischen Bevölkerung gerichtet. Da überrascht es dann doch zu erfahren, dass die Befreiungsbewegung 1916 weit weniger Rückhalt bei den eigenen Leuten hatte, als man annehmen mag. Die Menschen hatten wahrscheinlich weit dringlichere Probleme, als sich mit Politik zu beschäftigen. Sie kämpften um ihr Überleben. Eine entscheidende Rolle dürfte auch die englisch-freundliche Haltung der offi-ziellen Kirche gespielt haben. Eine Kirche, die ihre Pfründe schützte, statt die ihr anvertrauten Schäfchen. Schön, dass die Erzähler sich diesen Seitenhieb nicht verkneifen.

Was nicht heißt, dass es gar keine Unterstützung gab. Oft verlief die Front zwischen pro-britisch und pro-irisch quer durch einzelne Familien aller Schichten. In Rebellion gibt es einen Soldaten, dessen Angehörige den Sold unbedingt brauchen. Der Bruder dieses Familienvaters jedoch nimmt auf der Seite der Sozialisten aktiv am Aufstand teil. So wird deutlich, wie tief zerrissen Teile der Bevölkerung waren.

Erst das äußerst brutale und rachsüchtige Vorgehen der britischen Armee gegen die Aufständler und gegen vermeintliche Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung brachte die Wende. Da schlug die Stimmung um. Was angesichts verheerender Zerstörungen ganzer Straßenzüge, regelrechter Demütigungen der Gefangenen und von Hinrichtungen auch Unschuldiger nur allzu verständlich ist. Das zeigen die beiden letzten Episoden ganz deutlich.

Dass Autoren das Format der TV-Serie wählen, um ein konkretes geschichtliches Ereignis aufzuarbeiten, ist selten. Was nicht heißen soll, dass die Fernsehfiktion nicht in die Vergangenheit zurückblickt. Aber da arbeitet sie sich eher an einzelnen Persönlichkeiten ab, wie zum Beispiel in The Tudors an Henry VIII., in Reign an Mary Stuart oder noch in Borgia am Papst. Mit viel nackter Haut und schönen Dekors wird versucht, die Dekadenz und die Intrigen, die Machtbesessenheit und die Scheinheiligkeit von Potentaten aufzuzeigen. Irgendwie muss man das Publikum ja über ein paar Staffeln hinweg bei Laune halten.

Rebellion ist da anders. Kurz und knapp gehalten (fünf mal rund 50 Minuten), informativ und berührend. Erfahrbare Geschichte eben.

Jutta Hopfgartner
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