Duck Race

Entenhausen

d'Lëtzebuerger Land vom 29.04.2016

Jüngst, an einem frostigen Frühlingstag, war es wieder mal soweit. Von nah und fern, aus allen Himmelsrichtungen strömte das Volk, nachdem es einen Parkplatz gefunden hatte, an den Gestaden der Petruss zusammen. Reges Treiben herrschte. Elternteile tummelten sich mit ihren Sprösslingen, Pärchen turtelten und schnäbelten, hektische Hündchen bellten spitz, Blümchen outeten die Nasenspitzen.

Stoische Jogger tauchten auf, verdammt zum Dauerlauf. Der graue Himmel lümmelte über dem Tal, das kein Jammertal ist. Doch kein Selbstmörder fiel aus allen Wolken. Fröhliches Gequake und Geschnatter war allenthalben ausgebrochen. Die Regenwürmer kamen gar aus der Deckung gekrochen!

Alles ist schön und funkelnd und grasgrün, oder auch graugrün wie am, sagen wir, letzten Schöpfungstag. Sogar die Menschen sind schon erlaubt. Alles ist belaubt, einigermaßen. Das große Enten-Event findet statt in der Stadt, ein Entenstelldichein mit Wettbewerbscharakter, aber nur light. Es geht um Ententainment! Das ist keineswegs eine nationale Tradition, eher ein internationaler Tick, ohne Glamour, ohne Schick. Mit Enten halt. Wie ein Pferderennen, nur ohne Pferde. Und ohne Pferdeäpfel.

Und ohne Hüte und Gestüte und Buckinghammeln und grausame Hürden und Hindernisse: kein Bewerber muss nachher eingeschläfert werden. Alle unsere Entchen schwimmen quicklebendig um die Wette im Flussbette. Nur zum Spaß! Keinem Entchen wird auch nur ein Federchen gekrümmt, keinem Quäntchen Entchen. Keines wird von einem Pfeil durchbohrt oder von grausamen Chines_innen lackiert. Niemand fletscht lüstern die Zähne, auch Veganer_innen fühlen sich hier pudelwohl. Es ist alles nur ein Spiel. Zwar gibt es ein Ziel. Der Weg ist auch noch das Ziel, theoretisch, aber wir wollen unser Entlein nicht mit fernöstlichen Philosophien verwirren. Einfach nur geradeaus, mit dem Strom schwimmen, Mainstream, da kann nicht viel schief gehen. Nicht aus der Reihe ententanzen oder mit einem vierbeinigen Strolch durchbrennen, schon gar nicht mit einem zweibeinigen. Und lass dich bloß nicht entern!

Die Wogen gehen hoch, alle sind außerordentlich enthusiastisch, sie müssen ihren Schützling anfeuern. Stürme, Orkane der Begeisterung brausen durch das an den Ufern des Flusses harrende Publikum, die Massen wollen keinen Höhepunkt verpassen. Alles läuft dennoch perfekt geregelt und sehr diszipliniert ab. Auch sehr demokratisch, alle Enten sind aufgerufen, mitzumachen, Trauerenten und Warzenenten und WC-Enten, unter anderem, niemand wird diskriminiert.

Es gibt zwei Qualifikationsdurchläufe und eine qualifizierte Jury. Kein Entchen kann schummeln beim Sich-Tummeln! Es soll natürlich auch nicht unmotiviert bummeln, immerhin hat es 15 000 Rival_innen. Das Schöne an dem Ganzen ist aber, dass es ausnahmslos schön ist, auch vollkommen sinnfrei, l’art pour l’art, ein Ausdruck großer Freiheit, großer Beliebigkeit. Anything goes, anything flows. Es ist das Gegenteil von Fanatismus oder Religion.

Zwar dient es einem Zweck, einem guten natürlich. Aber es gibt kaum Korruption oder Bestechungen oder Mauscheleien, jedenfalls wurde bisher nichts dergleichen bekannt. Es gibt auch keine Dopingskandale. Es gibt nicht mal gerupfte Federn wie bei einem Hahnenkampf, kein Federvieh segnet das Zeitliche, weil es seine Kräfte mit einem anderen misst, wie das beim Dinosaurier oder beim Homo Sapiens Usus ist. Manchmal rempeln Enten und Enteriche alias Erpel einander an oder es gibt Massenkarambolagen, aber das ist es dann auch schon.

Nietzsche würde nicht weinen, wenn er in ein Er-pelauge schauen würde. Manche sind echte Styler_innen, tragen blaue Sonnenbrillen zu roten Käppis oder roten Schnabelstift. Die meisten sind aber im klassischen Naturlook, in Quietschgelb. Es geht um den Spaß, um Ruhm natürlich auch ein bisschen, wer sagt da schon nein. Der oder die Sieger_in nimmt Platz auf dem Sieger_innenpodest, Enten sind dabei leider manchmal zu modest. Eine thront sogar auf der Hand der Bürgermeisterin, sie errötet nicht. Weder die eine noch die andere. Die Entenhymne wird mit großem Einsatz geschmettert.

Vielleicht, vielleicht kommt ja doch noch der Grand Duck? Mit seiner ganzen Familie, im Gänsemarsch?

Michèle Thoma
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