Die kleine Zeitzeugin

Förderkurs bei Roboters

d'Lëtzebuerger Land du 13.04.2018

Gerade erst haben wir die verzückte Schockstarre überwunden, weil es sie wirklich gibt: Roboter_innen. Immer häufiger erscheinen sie uns, unauffällig nehmen sie zwischen uns Platz. Manche sind schon prominent, in Österreich hat ein eloquent Worthülsen abspulender Roboter gar die Kanzlerschaft errungen, Europa lauscht betört. Gerade haben wir zur Kenntnis genommen, dass Weltverbesserer Zuckerberg einen Schlamassel am Hals hat, den er sehr bereut, er hätte genauer hinschauen müssen. Und wir auch, wir sowieso, warum haben wir unsere Daten nicht im Griff? Wenn wir schon unser Leben nicht im Griff haben.

Daten, vor kurzem war das für mich eine Zeiteinheit, etwas, das mit einem Kalender oder Notizbuch zu tun hatte, die ich in der Hand hielt; an bestimmten Daten gab es Zahnarztbesuche oder Kindergeburtstage oder ein Saufgelage, immer schön aufschreiben. Vielleicht erinnern sich noch einige an jene ferne Zeit, es gab Fernsprechgeräte mit einer magischen Drehscheibe und Zauberziffern. Man drehte, alsbald erklang eine Stimme, man sprach in eine Muschel. Kinderleicht, funktionierte so ziemlich überall, Initiationen und kompliziertes Herumgemurmel nicht vonnöten. Damals, als die Küchen noch nicht so intelligent waren und man noch auf Augenhöhe mit ihnen kommunizierte. Okay, gut, frau robbte schon mal mit einem Fetzen zwischen Stuhl- und anderen Beinen herum, Putzen nannte sie das. Wahrscheinlich verkläre ich, wie alle Greisinnen. Wie schön, sich die Pfoten am Gasherd zu verbrennen! Gasflaschen anzuschließen. Als Schreibmaschinistin schwerstes Gerät durch die Lande zu schleppen, später dann coole Reiseschreibmaschinchen. Wie schön, zum Postkasten zu hetzen, um mit dem Gänsefederkiel Geschriebenes an Redaktionen zu entsenden. Auch der Fernseher war ein Freund, der da war, wenn man ihn brauchte, manchmal brachte er Schnee, meistens Cowboys, man musste sich ihm nicht mit Armadas von Fernbedienungen nähern, die den Dienst verweigern, es gab keine Schüsseln voll Unverdaulichem aus Babylon, keine Satelliten, um die man kreist, lost in space. Nur einen klobigen Kasten und einen Haufen Chips.

Und jetzt, Zeitsprung, Quantensprung, gibt es Datenraub, oder wie heißt das Delikt, das gerade erst auf die Welt kommt? Habe ich nicht gut aufgepasst? Wo war ich überhaupt, zu lange verschollen, in Pampercanyons? Life Long Learning geschwänzt? Dann gemütlich durchs Diggi-Tal geschlendert und gediggt, was mir unter die Maus kam, das war nicht so schwer?

Was wissen die also über mich, diese Datenräuber und -dealerinnen? Und ich über sie, wer ist überhaupt dieser Mr. Z.? Diese schmächtige Pappfigur, die uns in einem Schaufensterprozess präsentiert wird, vielleicht ein Fake? Eine Attrappe, wie man früher sagte? Oder zumindest ein Popanz?

Selber schuld, sagt die kleine Hausfrau in mir, die mit dem gesunden, etwas in Verruf geratenen Menschenverstand, selber schuld, wenn du, was dir so durch den Kopf geht und auf dem Magen liegt, all deine Gedanken und Gewühle preis gibst, alles hat einen Preis im Leben. Man soll nicht alles so raus posaunen, haben uns das nicht unsere Eltern eingeschärft? Das Anstupsen wildfremder Menschen, wie man zu einer Zeit gesagt hätte, als es noch Wilde und Fremde gab, die öffentliche Verrichtung der Notdurft, diese Erleichterung, bei der es allerdings keinerlei Garantie gibt, dass Mensch nicht als noch ungeliebteres, elenderes Häufchen zurück bleibt, all das nur weil Einer, Eines unser Wohl im Auge hat, und sogar wie die Wohltäter des 19. Jahrhunderts Unsittliches von uns fern hält?

Ach, seufzt die kleine Hausfrau mit den schwieligen Händen, wer soll schon Interesse an meinen Ausscheidungen haben? Die CIA, kichert sie, oder die chinesische Organmafia? Und in Luxemburg sind ja bald Wahlen, vielleicht kriegt sie da eine maßgeschneiderte Kandidatin geliefert, warum nicht, dann muss sie nicht so viele Kataloge mit Fotos, die sich so ähneln, durchblättern!

Selber schuld, sagt das Stimmchen der Vernunft, wenn ich ungeschützt in einem Einkaufsnetz verkehre, auch noch global und exhibitionistisch.

Sich vielleicht doch mal von einer kompetenten Roboterin coachen lassen?

Michèle Thoma
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