Vermögensbildung

Da prasselt Geld vom Himmel

d'Lëtzebuerger Land vom 22.02.2013

Heute loben wir die neuen Arten der Vermögensbildung. Vielleicht kommen Sie demnächst in den Genuss eines kosmischen Ereignisses. Es könnte ja sein, dass urplötzlich bei Ihnen zu Hause ein Meteorit einschlägt. Es knallt fürchterlich, und Ihr Tomatenbeet ist unter dem Weltallgeschoss begraben. Reagieren Sie jetzt nicht falsch! Beklagen Sie nicht tränenreich den Verlust Ihrer Tomaten, sondern besinnen Sie sich blitzschnell auf die ökonomische Dimension des Vorfalls. Es ist kinderleicht. In Ihrem Garten liegt unverhofft ein milliardenschwerer Schatz. Sie müssen jetzt sofort Schatzmeister spielen und Ihre finanztechnische Intelligenz bemühen. Wir reden hier von der klugen Vermarktung des Meteoriten. Die Richtung bestimmen nur Sie allein. Lassen Sie sich nur nicht von fremden Brokern über den Tisch ziehen! Halten Sie sich alle Spekulanten vom Leib.

Klar, der bei Ihnen gelandete Meteorit gehört rein theoretisch zum universellen Unesco-Weltraumschrotterbe, aber er steckt nun mal tief in Ihrem Grundstück, und Privateigentum verpflichtet. Das ist die erste Regel der Profitanbahnung. Sie sind der Eigentümer, der Staat kann Ihren Meteoriten gar nicht konfiszieren. Ohnehin würde der Staat mit dem sagenhaften Erlös aus dem Verkauf des Meteoriten nur Unfug treiben. Das können Sie selber besorgen, und zwar besser. Lassen Sie sofort eine fünf Meter hohe Stahlwand um Ihr Grundstück errichten und entziehen Sie Ihren Meteoriten allen gierigen und begehrlichen Blicken von außen. Am Anfang des Geschäfts steht die Mystifikation. Sie sollten hemmungslos mystifizieren. Übertreiben Sie gezielt bei der Beschreibung Ihres Meteoriten. Vielleicht hat er nur Kieselsteingröße, das ist schlecht für die Gewinnmaximierung. Behaupten Sie einfach: Das Ding wiegt mindestens dreißig Tonnen. Sie werden sich wundern, wie gern man Ihnen glauben will. Tags darauf meldet die Boulevardpresse: Das Ding wiegt mindestens hundertachtzig Tonnen, ein Hühnerstall, drei Garagen, sieben Gartenholzbänke und zwei Apfelbäume mussten dran glauben.

Berufen Sie sich auf die Erkenntniskraft der Boulevardpresse und starten Sie Ihr Geschäft. Wer nicht pokert, verliert Geld. Sie könnten zum Beispiel in ihre stählerne Schutzwand ein Türchen einbauen, durch das jeweils nur ein einzelner Pressefotograf schlüpfen kann. Für jedes einzelne Foto könnten Sie einen Betrag im sechsstelligen Bereich verlangen. Am Ende des Tages wären Sie Multimilliardär und hätten für ewig ausgesorgt. Aber das ist nur rein hypothetisch wahr. Denn nichts ist einfacher für einen Pressefotografen, als seine eigenen Meteoritenbilder per Photoshop zu basteln. Also sollten Sie Ihren Meteoriten vorsorglich verbergen, zum Beispiel unter einer soliden Lastwagenplane. Niemand soll ihn je erblicken, das steigert seine Attraktivität enorm. Und seinen Marktwert sowieso. Investieren Sie bitte nicht in den Meteoritentourismus, nach dem Muster „Happy hour mit Sternsplitter“, Eintritt 300 Euro, Ermäßigung für kinderreiche Familien und Hobby-Astronomen. Das wäre mühselig und viel zu langwierig. Das Geld fließt in diesem Fall nur zäh. Sie jedoch möchten schnell reich werden, oder?

Wir hätten hier eine Idee, die aber – sagen wir es gleich – kostenpflichtig ist, falls sie Ihnen zusagt. Also, wir möchten nur am Umsatz beteiligt werden, mehr nicht. Ganz vertraulich: Schaffen Sie Ihre eigene Schmuckkollektion. Meteoritenstaub in Gold gefasst, der suggestive Markenname Meteo Rite wird Ihre hoch potente Klientel wirksam verführen. Das Geschäftsprinzip ist denkbar einfach. Pro Amulett brauchen Sie nur ein staubkornwinziges Meteoritenpartikel, man soll den Meteoriten im Schmuck ja eher fühlen als sehen, eher erraten als erkennen, weil andernfalls die geschäftsbeschleunigende Mystifikation nicht mehr funktioniert. Ein protziger Meteoritenbrocken am Hals oder am Handgelenk ist ohnehin kontraproduktiv und langweilig, nur das Unsichtbare fasziniert, das wird Ihnen jeder Amateurpsychologe bestätigen. Angenommen, Ihr Meteorit sieht tatsächlich sehr beschränkt aus, wie eine Murmel etwa. Das sollte Sie nicht stören. Wenn Sie ihn fachgerecht zerstäuben, können Sie trotzdem rund acht Millionen Schmuckstücke mit Meteorit-Intarsien in Produktion geben. Rechnen Sie noch mit? Oder sind Sie schon im Nirwana der Superreichen?

Jedenfalls werden Sie mit den Einkünften aus Ihrer Schmuckkollektion nicht nur Ihr Tomatenbeet restaurieren können, Sie werden über die Mittel verfügen, einen halben Kontinent mit üppigen Tomatenplantagen zu bestücken, ohne Ihr Sparkonto wesentlich zu überfordern. Ein gut gemeinter Rat noch zum Schluss. Halten Sie die Archäologen von Ihrem Grundstück fern. Diese misstrauischen Herrschaften könnten herausfinden, dass Ihr Meteorit in Wirklichkeit ein Stück verkrusteter Scheiße ist, das ein Linienflugzeug mit Donnerknall über Ihrem Grundstück abgeworfen hat. Archäologen sind leider völlig unromantisch. Wer Geschäfte machen will, muss die Archäologie bekämpfen. Wenn nötig, mit einem Meteoritenhagel.

Guy Rewenig
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