Der frühere Ketterthill-Patron will seine alte Firma zurück und klagt vor einem Pariser Gericht. Wie die Geschichte ausgeht, hat auch eine politische Dimension

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d'Lëtzebuerger Land vom 14.03.2014

Von Krankenkassenfunktionären und Krankenhausdirektoren wurde er bald verwünscht, bald bewundert: Jean-Luc Dourson, der Ex-Patron der Laboratoires Ketterthill.

Verwünscht, weil keines der drei Luxemburger Privatlabors so stark wuchs wie Ketterthill und den Spitälern Kundschaft für ambulante Blutanalysen abgrub. Bewundert, weil Dourson sich in zweistelliger Millionenhöhe verschuldete, um 2007 mit Mitte dreißig Besitzer des Labors zu werden, das er vorher vier Jahre lang als angestellter Direktor geleitet hatte. Dourson und Ketterthill – das war auch ein unternehmerisches Abenteuer. Und nicht zuletzt Dourson war es gewesen, der den Privatlaborverband FLLAM dazu brachte, 2009 den Staat bei der EU-Kommission zu verklagen, weil ein damals noch geltendes Gesetz Privatlabors hierzulande lediglich als Personen-Betrieb zuließ und nicht als Kapitalgesellschaft. Als auf Brüsseler Druck hin das Laborgesetz im März 2011 tatsächlich geändert wurde, war Dourson der erste Laborinhaber, der seine Firma in eine Aktiengesellschaft überführte und erklärte, er habe schon einen starken ausländischen Partner am Haken, um Ketterthill nicht nur in Luxemburg weiter ausbauen zu können, sondern auch jenseits der Grenze zu positionieren.

Heute aber sieht es so aus, als sei der smarte und charismatische Geschäftsmann mit einem PhD in klinischer Biologie seinem Partner Cerba European Lab (CEL) gehörig auf den Leim gegangen. Am Handelsgericht Paris ist seit 30. Januar eine Klage anhängig, durch die Dourson den im Juni 2011 mit der französischen Labor-Holding eingegangenen Deal wieder rückgängig machen lassen will. Vor drei Jahren hatte er Ketterthill zum Aktienwert von 62,3 Millionen Euro vollständig in CEL aufgehen lassen. Im Gegenzug wurde er CEL-Aktionär, zog in den Vorstand des Konzerns ein und behielt als geschäftsführender Verwaltungsrat von Ketterthill die operative Leitung seiner alten Firma.

Am 15. Januar aber enthob CEL ihn wegen „fautes graves“ all seiner Posten. Aktionär bei CEL ist Dourson noch immer, will jetzt seine Firma zurück. Plus eine Million Euro Schadenersatz, wie aus der Anklageschrift hervorgeht, von der d’Land Kenntnis erhalten hat. Land-Informationen nach hat CEL Dourson erklärt, sich von Ketterthill nur trennen zu wollen, wenn er mehr als das Doppelte jener 62,3 Millionen auf den Tisch legt, mit denen Ketterthill 2011 für den Aktientausch mit CEL bewertet wurde.

Schön ist das nicht. Aber als Partner scheint die Cerba-Gruppe, die an die hundert Labors in Frankreich, Belgien und nun auch in Luxemburg betreibt, Dourson nicht behandelt zu haben. Beim französischen Handelsregister ließ CEL ihn nie als Vorstandsmitglied listen. Im Handelsregisterauszug Kbis von Cerba European Lab tauchten selbst im Herbst vergangenen Jahres nur die Vorstandspräsidentin und der Finanzvorstand auf. Dourson vom operativen Management der Cerba-Gruppe fernhalten zu wollen, könnte auch eine Rolle gespielt haben, als man ihn nur Wochen nach dem Beitritt seiner Firma zu CEL nach Belgien schickte, um die drei Labor-Plattformen der Gruppe in Brüssel, Gent und Aalst zu restrukturieren, sie innerhalb von lediglich sechs Monaten „rentabel“ zu machen und mehr als 20 Mitarbeiter zu entlassen.

Man könnte das ein fatales Schicksal eines aufstrebenden Unternehmers nennen – der in Luxemburg trotz seiner hohen Bankschulden übrigens nie Leute entließ –, wären da nicht die Finanzentscheidungen erfolgt, die ein Auslöser waren für Doursons Rauswurf. Und hätten später nicht weitere Ketterthill-Spitzenleute demissioniert. Kurz nach Dourson quittierte der Finanzdirektor seinen Dienst, danach der Hauptbuchhalter und kürzlich der Informatikchef.

Dourson wurde am 14. Januar vor die Tür gesetzt, weil er am Tag zuvor eine Generalversammlung des Ketterthill-Verwaltungsrats beantragt hatte. Diskutieren lassen wollte er die zusätzlichen Finanzlasten, die die Cerba-Gruppe Ketterthill auferlegt hatte. 2013 sollte das Labor in Esch/Alzette „Management fees“ von insgesamt über einer Million Euro für von Cerba angeblich erhaltene Dienstleistungen bezahlen. Die Kosten sollten auf das Geschäftsjahr 2013, aber auch auf die Jahre 2012 und 2011 verteilt werden, obwohl Ketterthills Konten für 2011 schon abgeschlossen waren. Dourson weigerte sich. Einerseits, weil kein Dienstleistungsvertrag zwischen Ketterthill und CEL bestand. Andererseits, weil ein guter Steuerzahler keine Buchung auf ein schon abgeschlossenes Geschäftsjahr vornimmt. CEL entnahm die Million aus Ketterthills Kassen dennoch.

Und so manches deutet darauf hin, dass die Cerba-Gruppe ihren Luxemburger Neuzugang tatsächlich als „cash machine“ benutzte, wie am Donnerstag das Magazin Paperjam aus informierten Kreisen berichtete. Dazu passt, dass CEL Anfang vergangenen Jahres eine Obligation über rund 100 Millionen Euro zum High-Yield-Zinssatz von 7,5 Prozent herauszugeben beschloss und Ketterthill sich an den Finanzierungskosten der Operation beteiligen sollte, obwohl die vorher weder im Ketterthill-Verwaltungsrat besprochen, noch die Obligation überhaupt im Board von Cerba mit Dourson im Bunde entschieden worden war. Allein die Anwaltskosten der Obligations-Emission schlagen mit zwölf Millionen Euro zu Buche. Ketterthill soll davon 1,8 Millionen tragen.

Die letzte Aktion war Land-Informationen zufolge die nach Doursons Abgang verlangte Überweisung von drei Millionen Euro von den Konten Ketter-thills an die Cerba-Gruppe. Wie dem Land von einer Quelle berichtet wurde, wären Ketterthill dann noch 70 000 Euro in der Trésorie verblieben. Die Anfrage des Ketterthill-Finanzdirektors beim Mutterhaus, wie er laufende Kosten bezahlen solle, wurde mit dem Rat beantwortet, die Gesundheitskasse CNS um einen Vorschuss auf Laboranalysen zu bitten. Kurz danach nahmen Finanzchef und Hauptbuchhalter ihre Hüte.

Das sind zumindest eigentümliche Vorgänge innerhalb eines Konzerns. Sie enthalten aber auch eine politische Dimension. Ein Fünftel habe Ketterthill im Jahr 2012 zum operativen Ebitda-Ergebnis der Cerba-Gruppe beigetragen, schrieb Paperjam diese Woche. Land-Informationen nach könnte es sogar ein Viertel gewesen sein. Aber gleichviel: 2012 realisierte Ketterthill auf einen Umsatz von 30 Millionen Euro einen Ebitda von 14,4 Millionen und ein Nettoergebnis von knapp 7,5 Millionen. Das geht aus dem beim Handelsregister ordnungsgemäß deponierten Jahresabschluss 2012 hervor.

Wie groß Ketterthills Beitrag zum CEL-Konzernergebnis ist, lässt sich dagegen nicht nachvollziehen. 2012 soll der Umsatz der Gruppe, die 1 800 Mitarbeiter beschäftigt, bei 340 Millionen Euro gelegen haben. Der Rest ist unbekannt. Beim französischen Handelsregister waren bis Mitte dieser Woche nicht einmal die CEL-Konten von 2011 deponiert, geschweige die von 2012.

Dagegen berichtete die internationale Wirtschaftspresse schon 2010, dass der Private-Equity-Fonds PAI Partners, als er damals bei CEL als Mehrheitsaktionär einstieg, Aktien im Wert von 550 Millio-nen Euro erwarb und dies dem 10,6-Fachen des damaligen Ebitda der Gruppe entsprach. Da Private-Equity-Fonds ihre Beteiligungen gewöhnlich nach fünf bis zehn Jahren weiterveräußern, müsste der Ebitda von CEL bis dahin enorm wachsen, um die Einlage von PAI Partners rentabel zu machen.

Doch wenn ein vergleichsweise kleines Labor wie Ketterthill mit seinen 210 Mitarbeitern und nicht mal einem Zehntel des Konzernumsatzes schon ein Fünftel bis ein Viertel zum operativen Ergebnis der Gruppe beiträgt, dann stellt sich nicht nur die Frage, wie gesund die anderen Firmen im Konzernverbund sind. Sondern auch die, welcher Preis womöglich im Luxemburger Gesundheitssystem gezahlt werden müsste, damit der Hauptaktionär des Unternehmens zufriedengestellt werden kann, das heute über das größte Privatlabor im Lande gebietet. Bei aller Bewunderung für Doursons Unternehmergeist muss man wissen, dass sein Labor auch deshalb so spektakulär zu wachsen vermochte, weil Krankenkasse und Gesundheits- und Sozialministerium sich jahrelang schwer taten mit dem Ordnen des Labormarkts. Sie ließen lieber hohe Tarife für Analysen gelten und jeden sich bedienen, als ernsthaft darüber nachzudenken, welche Laborversorgung Luxemburg braucht und wie öffentlicher und privater Sektor dabei zusammenwirken sollten.

Heute wird darüber nachgedacht, die Tarife wurden schon mehrfach angepasst, und im Gespräch ist eine „Plattform“ aus Krankenhauslabors. Land-Informationen nach aber gab es zumindest im vergangenen Jahr Gespräche über eine eventuelle Übernahme durch Cerba European Lab nicht nur mit einem weiteren heimischen Privatlabor, sondern auch über das Outsourcing des Labors eines der großen Spitäler an CEL.

Letzteres würde die erneute Änderung des Laborgesetzes erleichtern, die kommenden Mittwoch in der Abgeordnetenkammer zur Abstimmung kommt: Privatakteure sollen sich in Zukunft an Krankenhauslabors beteiligen können. Doch wie die Dinge liegen, kann dergleichen dazu führen, dass an Geldern der Allgemeinheit am Ende ein Private-Equity-Fonds nutznießt. Wenn sie nicht vorher schon durch schlechtes Management verloren gehen.

Peter Feist
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