Leitartikel

Strom wird bald teurer, oder?

d'Lëtzebuerger Land du 14.07.2017

Am Montag stellte Wirtschafts-Staatssekretärin Francine Closener ein Papier ihres Ministeriums vor, in dem es um die „Weiterentwicklung der Gebäuderenovierungsstrategie“ geht. In dem rund 30 Seiten langen Bericht steht, nur „sehr selten“ würden in Luxemburg Besitzer ihr Haus komplett energetisch renovieren lassen, statt nur das Dach zu isolieren oder neue Fenster einzubauen. Um Komplettrenovierungen rentabel erscheinen zu lassen, seien die Energiepreise hierzulande zu niedrig. Weshalb das Papier in einer von 33 Maßnahmen vorschlägt, bis 2019 neue Energiesteuern einzuführen.

Am Tag zuvor war Wirtschaftsminister Etienne Schneider bei RTL zu Gast. Dort erzählte er, falls Google in Luxemburg ein Datenzentrum mit einem Stromverbrauch baut, der höher wäre als der der Elektrostahlwerke von Arcelor-Mittal zusammengenommen, dann habe das den „positiven Nebeneffekt, dass für alle anderen die Strompreise sinken“. Dass heißt nicht, dass der Minister Preissenkungen verspricht, während die Staatssekretärin mit neuen Steuern winkt. Der Bericht, den Closener vorstellte, ist nur eine Zusammenschrift aus „Workshops“ mit den „forces vives de la nation“. Was dort an Ideen herauskommt, nutzt eine Regierung anschließend wie sie will. Und die aktuelle entscheidet natürlich sowieso nicht, was mit „Horizont 2019“ an neuen Steuern gelten könnte.

Schneiders Ankündigung ist ebenfalls nicht ganz wörtlich zu nehmen. Er hat zwar Recht, wenn er sagt, geht ein Riesenstromverbraucher wie das Datenzentrum neu ans Netz, würden die Netzkosten anders aufgeteilt unter den Verbrauchern und die Serverfarm hätte anteilig viel zu zahlen. Doch mit 2,48 Terawattstunden pro Jahr brauchte sie so viel Strom, dass der Gesamtbedarf des ganzen Landes von derzeit knapp sieben Terawattstunden um 35 Prozent stiege. Ob dazu noch Investitionen am Netz nötig wären und was sie kosten würden, ist noch nicht bekannt.

Vor allem aber: Seit diesem Jahr berechnet das für die Netze zuständige Regulierungsinstitut ILR die Netzentgelte anders. Der kleine Verbraucher merkt es kaum, aber gestiegen ist der feste Anteil an den Netzgebühren, während der variable Anteil, der dem Stromverbrauch folgt, gesenkt wurde. Man könnte sagen, wer weniger Strom verbraucht, spart dadurch weniger als früher. Oder man sagt, egal wie viel verbraucht wird, müssen im Allgemeininteresse die Netze erhalten werden, und das kostet eben.

Das hat ziemlich brisante Implikationen, wenn es um die Energieversorgung der Zukunft geht. „Dezentraler“ soll sie beschaffen sein, erzählen Energiepolitiker und die Energiebranche. Künftig würden, weil die Technologie immer preiswerter wird, viele Hobbyproduzenten von Wind- und Sonnenstrom in „Mikronetze“ einspeisen, die mit einem „intelligenten“ übergelagerten Stromnetz zusammenwirken würden, und dieses wiederum mit überregionalen beziehungsweise transeuropäischen Netzen – immer so, dass bloß nicht irgendwo zu wenig Strom zu Verfügung steht.

Doch wenn der Trend tatsächlich hingeht zum „Tout électrique“ und eine Selbstversorgung immer greifbarer wird, wenn dabei wegen immer billigerer Technologien die Kosten sinken – dann kann auch zum Sparen weniger Anlass bestehen. Noch sind das eher theoretische Aussichten, aber an ihrer Umsetzung wird gearbeitet, auch in Luxemburg. Zu hoffen ist, dass schon bald seriöse öffentliche Diskussionen über die Energieversorgung, was sie bringen soll und was sie kostet, geführt werden können. Bis dahin ist es ähnlich schwierig, neue Steuern in den Raum zu stellen, wie allgemein sinkende Preise zu versprechen, weil an einer Stelle viel verbraucht wird. Es sei denn, man macht, wie Etienne Schneider am Sonntag, Polit-Marketing in eigener Sache.

Peter Feist
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