Bebauungspläne und direkte Interessen

Wenn der Gatte reklamiert

d'Lëtzebuerger Land vom 01.03.2013

Sollen zwei Mamer Gemeinderäte, deren Partner beim Bürgermeister einen Wider-spruch gegen den Generalbebauungsplanentwurf eingelegt haben, sich an der Abstimmung im Gemeinderat besser nicht beteiligen, und vielleicht nicht einmal an der Dis-kussion dazu teilnehmen? Die Frage stellte Bürgermeister Gilles Roth (CSV) am 4. Januar dem Innenminister. Denn Artikel 20 des Gemeindegesetzes verbietet Räten, Gemeinde-sekretären und Gemeindeeinnehmern, bei Entscheidungen des Gemeinderats beziehungswiese des Schöffenrats anwesend zu sein, an denen entweder sie oder Verwandte bis zum dritten Grad ein „intérêt personnel et direct“ haben könnten.

Minister Jean-Marie Halsdorf (CSV) befand knapp zwei Wochen später, es sei den betreffenden Gemeinderäten tatsächlich „fortement“ zu empfehlen, sich nicht an der Abstimmung zum PAG zu beteiligen. Es gebe zwar „divergences d’interprétation“, worin ein „intérêt direct“ bestehen könnte. Die bisher einzige Rechtsprechung dazu, ein Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2004, halte jedoch fest, dass Gemeinderäte, die ein „persönliches Interesse“ am Ausgang eines Votums über einen Generalbebauungsplan haben, daran nicht teilnehmen dürfen.

Diesen Briefwechsel zwischen dem Innenminister und der Gemeinde Mamer fanden die beiden grünen Gemeinderäte Jean-Paul Weydert und Edmée Besch-Glangé gleich am Anfang des Dossiers zum PAG, das ihnen am Dienstag Abend zugestellt wurde. Weydert aber findet, was der Minister als Begründung anführt, könne für ihn und seine Partei- und Ratskollegin nicht gelten: In der Affäre von 2004, in der es um den Generalbebauungsplan der Gemeinde Koerich ging, habe das Verwaltungsgericht über die Interessen von Personen geurteilt, die Besitzer von Grundstücken waren, die durch den abgeänderten Bebauungsplan umklassiert wurden. „Das aber trifft weder auf mich noch auf Frau Besch-Glangé zu.“

Bemerkenswerterweise meinte vor neun Jahren vor dem Verwaltungsgericht auch der Anwalt, der den Staat vertrat, ein „intérêt direct“ bestehe nur, falls „la question liti-gieuse affecte particulièrement le patrimoine d’un conseiller communal, soit comme avantage, soit comme préjudice, sans toucher aux biens des autres habitants de la commune“. Gilles Roth war es gewesen, der so plädierte; damals noch als Jurist und Regierungsrat im Finanzministerium. Müsste er, da er die Thematik so gut kennt, die beiden Oppositionspolitiker nicht nachträglich bitten, doch an der Abstimmung über den PAG teilzunehmen, wenn deren Ausgang ihre Besitzverhältnisse nicht betreffen kann?

„Nein“, entgegnet der vom Land darauf angesprochene Bürgermeister, und benutzt ein Gleichnis: „Wenn ich als Anwalt mal einen Dieb verteidigt habe, heißt das nicht, dass ich als Politiker das Stehlen erlaube.“ Und wenn der Innenminister eine Empfehlung gebe, werde er als Bürgermeister sich nicht darüber hinwegsetzen. Die Mamer Grünen will Roth bei Eingang der Reklamationen der Partner der Räte darauf hingewiesen haben, dass daraus Interessenkonflikte entstehen könnten. „Sie waren aber nicht bereit, auf die Reklamationen zu verzichten.“ Für die Gemeinderatssitzung am Montag hofft Roth „auf den gesunden Menschenverstand“ beider Räte. „Manu militari“ werde niemand von der Abstimmung zum Bebauungsplan ausgeschlossen. Der Schöffenrat behalte sich aber „gegebenenfalls alle zivilrechtlichen Schritte“ vor.

So dass die beiden Grünen eigentlich ein Gericht bemühen müssten, um zu klären, ob die Auslegung des „intérêt direct“ durch den Innenminister zu weit geht, ob sie die demokratische Mitsprache von Partnern gewählter Gemeindepolitiker unzulässig einschränkt – und ob der CSV-Staat womöglich zu Hochform auflief, um mitzuhelfen, den politischen Widerstand gegen den Mamer PAG so klein wie möglich zu halten. Bis Montag bleibt dazu natürlich keine Zeit, so dass die beiden Räte es darauf ankommen lassen werden: „Wir nehmen auf jeden Fall an der Abstimmung teil“, kündigt Jean-Paul Weydert an, „und lässt man unsere Stimmen nicht zu, gehen wir nachträglich vor Gericht.“

Peter Feist
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