Der IWF analysiert die Volkswirtschaften

Schön, dass es ihn gibt

d'Lëtzebuerger Land du 14.03.2014

Wen wohl? Den Internationalen Währungsfonds (IWF) natürlich. Wir wären wahrscheinlich schlecht dran, wenn wir auf seinen kürzlich vorgestellten Bericht über die wirtschaftliche Lage unseres Landes verzichten müssten. Am 4. März kam Céline Allard, Leiterin der IWF-Europaabteilung, nach Luxemburg, um uns die Leviten zu lesen. Gut, ganz so schlimm war es dann doch nicht. Um ehrlich zu sein: Es war überhaupt nicht schlimm. Etwas Bahnbrechendes, Aufrüttelndes möchten wir sowieso nicht hören.

Erinnern wir uns: Immer wenn ein ausländischer Wirtschaftsexperte nach Luxemburg kommt, um schlechte Nachrichten zu überbringen, wird er entweder mundtot gemacht, ignoriert oder schnell wieder nach Hause geschickt. Beispiel Lionel Fontagné. Vor zehn Jahren hat er sein Gutachten Compétivité du Luxembourg: une paille dans l’acier veröffentlicht. Wir mussten uns anhören, dass wir zwar reich, aber auch träge geworden seien und dass unsere Reformfreudigkeit sehr zu wünschen übrig lasse. Dies umso mehr, als große Teile der Bevölkerung – angefangen mit den verbeamteten – von der Krise nicht allzu viel mitbekommen und deshalb „bleiwe wëllen, wat si sinn“.

Da ist uns Frau Allard lieber. Was hat sie überhaupt gesagt? Dass unsere finanzielle Lage relativ gut sei, im internationalen Vergleich sowieso. Das ist nicht neu, für die meisten hierzulande fast „normal“. Wir sollten allerdings darauf achten, dass die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen. Die Verschuldung bleibt überschaubar mit 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, auch wenn sie in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen ist. Nichtstun, in diesem Fall Nichtsparen, könnte dazu führen, dass die Quote deutlich zunehmen würde. Das möchte natürlich niemand, der Zentralstaat muss ja heute schon mehr als 200 Millionen Euro Zinsen per annum zahlen. Dem IWF ist auch nicht entgangen, dass ab 2015 – zuerst progressiv, später dann definitiv – substanzielle Mehrwertsteuereinnahmen aus dem elektronischen Handel wegfallen werden. Ein Loch, das erstens schwer zu verkraften sein wird und zweitens schnellst- und bestmöglich gefüllt werden muss.

Der Finanzplatz befinde sich im Umbruch, so die Expertin. Stichwort Vertrauenskrise, schlechte Presse, neue Konkurrenten und der angekündigte automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden. Allards Diagnose, die Banken seien in der Regel unbeschädigt durch die Krise gekommen und gut aufgestellt, ergibt sich aus der Tatsache, dass unser Bankenplatz in den Fokus chinesischer Player gerückt ist. Steuererhöhungen? Natürlich die Mehrwertsteuer, geht klar. Aber auch die Grundsteuer, die bei uns ja geradezu unverschämt niedrig ist. Warum wohl an diesem Rad noch niemand gedreht hat?

Die Indexfrage darf natürlich in einem solchen Bericht nicht fehlen, es sei denn, man hätte ausdrücklich darum gebeten. Machen wir uns nichts vor: Ausländische Gutachter werden natürlich im Vorfeld „gefüttert“. Sie, wie wir alle, bekommen das aufgetischt, was gekocht wurde. Zurück zum Index: Bleiben darf er, aber gezahlt – pardon: kompensiert – wird nur noch einmal pro Jahr. Außerdem soll das ganze System reformiert, sprich nach unten angepasst werden. Wann und wie, dürfen wir aber noch selbst entscheiden.

IWF-Gutachten sind manchmal wie alte Bauernregeln: Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist. Mal so, mal so, oder (ganz) anders. Aber schön, dass es sie gibt. Gut zu wissen, dass jemand auf uns aufpasst.

Claude Gengler
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