Cepal vor der Pleite

Wer sich bewegt

d'Lëtzebuerger Land du 22.01.2004

"Der Imperialismus im Agrozenter ist vorüber", rief Cepal-Präsident Marco Gaasch am 9. Januar einer vielköpfigen Journalistenschar zu. Die Botschaft sollten nicht zuletzt auch jene  vernehmen, deren Einstieg die Cepal sich für ihre Agrarfabrik hinter dem Merscher Bahnhof und die Zuchtstation auf dem Kuelbicherhaff wünscht. 

Zwei Wochen nach der denkwürdigen Pressekonferenz aber ist kein neuer Schwung bei der Sanierung der hoch defizitären und mit insgesamt knapp 25 Millionen Euro verschuldeten Betriebe der Bauernzentrale absehbar. Als Businessplan wurde die Idee präsentiert, das Agrozenter von einer Holding unter Beteiligung der verschiedenen mit den Cepal-Firmen noch konkurrierenden Genossenschaften verwalten zu lassen; gemeinsam mit einer Cepal, die sich von der S.A. ebenfalls zur Genossenschaft wandeln könnte. Nach dem Erwerb von Anteilen an der neuen Holding sollte der Weg frei sein sogar für Mehrheitsbeteiligungen der Partner an einzelnen Betrieben - vom Silo über den Schlachthof bis hin zur Eisfabrik.

Doch die umworbenen Partner sind aus den verschiedensten Gründen und in unterschiedlichem Maße zurückhaltend. "Eine Eventualität" nennt Luxlait-Direktor Claude Steinmetz den Einstieg der Molkereigenossenschaft in die Speiseeisproduktion in Mersch. Vorher müssten Machbarkeit und Rentabilität geprüft werden. Definitiv nicht in Frage käme der Bau der neuen Molkerei im Agrozenter: die von der Cepal dafür angebotene Fläche sei zu klein, man halte am Standort Rouscht bei Colmar-Berg fest.

Skeptischer äußert die Direktion der Fédération agricole sich über ein Zusammengehen mit der Cepal zum Betrieb des Merscher Silos. Noch im Dezember hatten beide Seiten über die Höhe der Beteiligungen an der Betreibergesellschaft gestritten. Die Fédération agricole - Marktführerin bei der Aufnahme von Getreide und Früchten und Gewinn erwirtschaftend, während die Cepal-Silocentrale bis Ende 2002 ein kumuliertes Defizit von rund 1,7 Millionen Euro einfuhr - verlangte 60 Prozent für sich. Die Cepal wollte maximal 49 zugestehen. Jos. Jungen, Direktor der Fédération agricole, hat das prinzipielle Angebot von Mehrheitsbeteiligungen von vor zwei Wochen wohl vernommen. "Ich begrüße das. Aber vorher wollen wir sehen, wie sich die Cepal selber saniert."

Denn ihr am 9. Januar vorgestellter Businessplan enthält einen gravierenden Mangel: Wieviel in die Anlagen investiert werden müsste, die alt sind und zum Teil nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechen, ist nicht restlos geklärt. Etwa für das Silo: Erste technische Audits lägen vor - und seien "verheerend", sagt Camille Schroeder, Präsident der Bauerenallianz und Vorstandsmitglied der Fédération agricole. Auf Finanzexpertisen warte man noch immer: "Die Cepal will nicht alle Zahlen herausrücken." 

Das steht in auffälligem Gegensatz zu der so laut verkündeten neuen Offenheit. Ganz ähnlich wie die Reaktion auf das Angebot der Lëtzebuerger Saatbaugenossenschaft (LSG): Sie ist eine weitere potenzielle Partnerin, derzeit noch Mieterin und Betreiberin der Futtermittelanlage im Agrozenter. Im Dezember letzten Jahres, als Cepal-Sanierer Christian Durand mit den Gewerkschaften über den Sozialplan verhandelte und wissen ließ, Interessenten von außen könnten im Agrozenter auch "Besitzer" werden, bot die LSG den Kauf der Futtermittelfabrik an. "Das hätte", sagt LSG-Direktor Jean Anen, "der Cepal nicht nur Bargeld gebracht, sondern den Sozialplan reduzieren können. Wir wollten ein Ausbauprogramm starten und ein paar neue Arbeitsplätze schaffen." Bis Anfang Januar jedoch blieb das Angebot der LSG ohne Antwort. Dann hieß es: eine Beteiligung an der Anlage sei möglich, ihr Kauf nicht.

Oft hatten Ende letzten Jahres Cepal und Bauernzentrale in ihrer Wochenzeitung Lëtzebuerger Bauer auf der psychologischen Klaviatur spielen lassen und den anderen vorgeworfen, an unbewältigten Emotionen aus der Vergangenheit zu leiden. Doch wenn die Rentabilitätsfrage der als Businessplan angebotenen Projekte derart offen steht, könnte das Problem eher in den eigenen Reihen zu suchen sein und sich als eben jener "Imperialismus" äußern, dem man eigentlich schon abgeschworen haben will: "Wir suchen eine Luxemburger Lösung, aber falls sie nicht zu finden ist, suchen wir uns Partner im Ausland", machte Cepal-Präsident Gaasch vor zwei Wochen klar. Man kann das als Drohung interpretieren. Sie äußert sich derzeit in den Verhandlungen um eine Beteiligung des Herdbuchverbandes am konkurrierenden Service élevage et génétique (SEG) der Cepal. Ihr soll neuerdings nachgeholfen werden durch eine Absichtserklärung, die der SEG mit einem niederländischen Partner unterzeichnet hat und diesen zum Hauptakteur am Luxemburger Milchkontrollmarkt machen könnte - falls der exzellent wirtschaftende Herdbuchverband nicht mit dem wiederum defizitären SEG zusammengehen mag. Sie äußerte sich bereits letztes Jahr, nachdem die Luxlait der Cepal-Vermarktungsgesellschaft Centralmarketing wegen zu hoher Außenstände den Vertriebsvertrag gekündigt hatte. Ließ die Cepal kurz danach noch verlauten, man werde nicht etwa im Gegenzug Importmilch nach Luxemburg holen, geschah zwei Wochen später genau dies, und Bäckereibetrieben wurde Milch eines norddeutschen Anbieters offeriert, die deutlich billiger als Luxlait-Milch war. "Zum Glück", kommentiert Luxlait-Direktor Steinmetz lakonisch, "ging dieses Experiment schief." Zum Glück auch für die der Bauernzentrale angeschlossenen Milchbauern, die ihre Rohmilch an die Luxlait zu einem attraktiven Preis verkaufen.

So verständlich solch Vorgehen auch sein mag für ein Unternehmen, das um sein Überleben kämpft - für den kleinen und hochpreisigen Luxemburger Agrarmarkt sind ausländische Dienstleister und Verarbeiter, die mühelos die gängigen Preise drücken könnten, eine Gefahr. Fatal in diesem Zusammenhang ist die Position von Landwirtschaftsminister Fernand Boden, der keinen Hehl daraus macht, wie positiv er allen Cepal-Vorschlägen gegenübersteht. Sein Ansatz lässt sich so zusammenfassen: "Die Cepal wird sich kaum bewegen, also bewegt ihr euch doch!" Doch das könnte bedeuten, gesunde Betriebe einem Unternehmen zuzutreiben, dessen Altlastendiagnose noch gar nicht abschließend gestellt ist. Oder aber zuzulassen, dass ausländische Konkurrenz nicht nur die gesunden Firmen ge-fährdet - sondern auch so manchen jener Bauernbetriebe, die Boden selbst jahrelang durch fleißiges Beihilfensammeln bei der Brüsseler EU-Agrarbürokratie über Wasser zu halten half.

Peter Feist
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