Cepal s.a.

Mehlen und das Silo

d'Lëtzebuerger Land vom 12.06.2008

Etwas spöttisch liest sich die Antwort von Landwirtschaftsminister Fernand Boden (CSV) auf die parlamentarische Anfrage des ADR-Abgeordneten Robert Mehlen über den Brotgetreidefonds, der 1958 eingerichtet worden war. „Voller Bedauern“ teilt Boden mit, dass dazu in den Archiven des Ministeriums nichts zu finden sei. Da es sich um bis zu 50 Jahre alte Vorgänge handle, seien die Akten „mehr als wahrscheinlich“ bei den diversen Umzügen der betreffenden Abteilung verloren gegangen.

Der Brotgetreidefonds aber ist nicht irgendein Fonds, und Mehlen erhielt von Boden erst auf mehrfaches Nachfragen hin endgültig Auskunft. Wie der Schweinefleisch- und der Rindfleischfonds, die ebenfalls Ende der Fünzigerjahre geschaffen worden waren, sollte der Brotgetreidefonds Ausgleichszahlungen an Bauernbetriebe leisten, die ihre Waren exportieren mussten, da sie daheim keinen Absatz mehr fanden, beim Export aber einen kleineren Erlös erzielten. Vor 50 Jahren, als es noch keinen EU-Agrarmarkt gab, waren solche nationalen Preissubventionen noch möglich. Als der europäische Agrarmarkt entstand, wurden 1970 nur die beiden Fleischfonds durch einen großherzoglichen Erlass aufgelöst und ihr Restguthaben, rund 105 Millionen Franken, dem Merscher Schlachthof zum Kauf von Kühlanlagen zur Verfügung gestellt. Der Brotgetreidefonds dagegen wurde nie aufgelöst. Keiner weiß, wieviel Geld darin lag und wie lange die Bauern ihn speisten: immerhin war in die Ausgleichsfonds die Zahlung einer Taxe auf den Umsatz Pflicht, und Säumigen machte die Einregistrierungsverwaltung Beine. Eigentlich sollte der Landwirtschaftsminister pro Trimester einen Bericht über die Fonds erhalten. Doch auch diese Berichte sind zum Brotgetreidefonds unauffindbar.

Kalter Kaffee? – Nicht unbedingt. In dem großherzoglichen Erlass vom 15. Februar 1958 über den Brotgetreidefonds steht, dass dieser auch zum Bau eines Silos dienen sollte. Und: „La propriété du silo reviendra à la Chambre de l’Agriculture.“ Doch nicht die Landwirtschaftskammer tritt heute als Eigentümerin des – im Merscher Agrocenter gelegenen – Silos auf, sondern nach wie vor die der Bauernzentrale gehörende Cepal-Gruppe. Nach der Befreiung von der deutschen Okkupation war die Bauernzentrale zur Chambre de l‘Agriculture faisant fonction geworden. Das Provisorium dauerte allerdings bis 1987 fort, ehe ein Gesetz eine neue Landwirtschaftskammer schuf. Pikanterweise durfte laut einem Gesetz von 1956 die Bauernzentrale als Landwirtschaftskammer ff die Ausgleichsfonds verwalten, auch den Getreidefonds, aus dem Investmittel für das Silo an die Cepal S.A. flossen. Und so rätselte die Abgeordnetenkammer während der Debatte zum Landwirtschaftskammer-Gesetz, ob die neue Kammer womöglich das Silo von der Cepal zurückverlangen könne. Am Ende besann man sich darauf, dass der 1984 vom Fräie Lëtzebuerger Bauereverband (FLB) angestrengte Prozess gegen die Bauernzentrale noch lief. In ihm wollten der FLB und allen voran dessen Mitbegründer Robert Mehlen die Verquickung der Bauernzentrale in ihre Rollen als Berufsverband, Landwirtschaftskammer ff und Inhaberin einer Holding ein für allemal beenden, forderten die Auflösung der Bauernzentrale – und die Übergabe des Silos an die neue Landwirtschaftskammer.

Mehlens seither immer wieder gestellte Fragen zum Silo sind ein wenig die Fortsetzung des Prozesses, der damals eingestellt wurde. Juristisch hat das wenig Wert. Fernand Boden hatte im November 2003 eingeräumt, „dass da gewisse Sachen tatsächlich nicht hundertprozentig behoben sind“. Prinzipiell könnte die Landwirtschaftskammer die Herausgabe des Silos zu erstrei-ten versuchen. Hat sie aber bis heute nicht, obwohl nach den Sozialwahlen 2003 die beiden mit der Bauernzentrale konkurrierenden Verbände FLB und Bauerenallianz zusammen mehr Delegierte zur Landwirtschaftskammer stellen als die Bauernzentrale. Im Herbst jedoch sind wieder Sozialwahlen, und ein Minister, bei dem gewisse Dokumente verloren gehen, und der überdies noch mitteilen muss, bei der Bauernzentrale sei leider ebenso wenig auffindbar, liefert dem FLB und Robert Mehlen Stoff, um der Agrarwelt eine Geschichte zu erzählen von der Bauernzentrale, die Bauern-Geld in dunkle Kanäle lenkte, und von der CSV, die darin verfilzt war. Eine Geschichte, die noch mehr Zuhörer finden könnte, falls der Staat weitere Teile des Agro­centers aufkaufen wollte, um der chronisch defizitären Cepal zu etwas Cash zu verhelfen. Es könnte sein, dass aus Bodens jüngster Antwort auf Mehlens Fragen zum Brotgetreidefonds auch Betretenheit spricht. 

Peter Feist
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