Gestaffelte Wasserpreise

Wenn jeder seinen Zähler hätte

d'Lëtzebuerger Land vom 15.03.2013

Und wenn statt eines Wasserpreises, der pro Kubikmeter immer derselbe ist, einer gelten würde, der nach dem Verbrauch gestaffelt ist – so dass Wassersparen belohnt, Verschwendung dagegen bestraft würde?

In manchen Gemeinden gab es solche Staffelpreise früher – nicht nur für gewerbliche Verbraucher, sondern auch für Haushalte. 2007, als das neue Wassergesetz, welches das Kostendeckungsprinzip einführte, erst ein Entwurf war, differierte zum Beispiel in Kopstal der Trinkwasser-Kubikmeterpreis noch in fünf Tranchen zwischen 89 Cent und 1,49 Euro. In Lintgen und in Strassen galten zwei Tranchen. In Steinsel richtete sich die Kubikmeterpreis-Staffelung zwischen 99 Cent und 1,24 Euro nicht nur nach dem Verbrauch pro Person, sondern auch nach der Haushaltsgröße. Und in Hesperingen wurden vom Grund-Kubikmeterpreis von 1,70 Euro Nachlässe gewährt, die umso größer waren, wenn drei, vier oder fünf Kinder im Haushalt lebten.

Nach Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes stiegen nicht nur die Preise, es war auch Schluss mit allen Staffelungen. Das Innenministerium untersagte sie mit Verweis auf das Prinzip Utilisateur-payeur, nach dem zu bezahlen ist, was man dem Netz entnimmt. Wer Staffelpreise trotzdem einführen wollte, wie die Gemeinde Wiltz vor drei Jahren, bekam sie nicht genehmigt. Auch in Bissen, wo der Gemeinderat Anfang Dezember letzten Jahres eine Drei-Stufen-Staffelung beschloss, wartet man noch auf grünes Licht vom Minister.

In der nun angestoßenen Wasserpreisdebatte aber haben nicht nur viele Gemeinden in Stellungnahmen zur Einheitspreisidee auch für verbrauchsabhängig gestaffelte Wasserpreise plädiert. Auch LSAP tritt für eine verbrauchsabhängige Staffelung ein, ebenso wie die Arbeitnehmerkammer. Ali Kaes von der CSV findet, mit dem landesweiten Einheitspreis seien Staffelungen endlich möglich, und die Gemeinde Bissen, die ihr lokales Modell in einem langen Schreiben an den Minister verteidigt, kann sich sogar auf eine Veröffentlichung des Observatoire de la compétitivité beim Wirtschaftsministerium zum Wasserpreis stützen. Darin heißt es, ein Preissystem, wie es in Luxemburg gilt und wo Haushalts-Verbraucher eine feste Anschlussgebühr pro Jahr plus einen Festpreis pro Kubikmeter zahlen, sei zwar der „Klassiker“ der Wasserpreisbildung in den OECD-Staaten. Zunehmend aber würden verbrauchsabhängige Staffelungsmodelle auftauchen: etwa in Brüssel und in Flandern, aber auch in Italien, Malta, Spanien, Griechenland und Portugal. Das sind genug EU-Staaten, dass man sich fragen muss, ob eine solche Preisbildung tatsächlich der EU-Wasserrahmenrichtlinie widerspricht, wie der Innenminister bisher stets erklärt hat.

Aber selbst wenn Staffelpreise zugelassen würden, steht ihnen hierzulande dennoch ein großes Hindernis im Weg: Wer sie einführen will, müsste erfassen können, wie viel Wasser pro Haushalt tatsächlich entnommen wird. Lediglich einen Wasserzähler pro Anschluss zu haben, reicht dann nur in Einfamilienhäusern. Die sind zwar mit einem Anteil von 83,5 Prozent nach wie vor die bei weitem dominierende Wohnform. Der Anteil der Apartmenthäuser aber nimmt nicht nur in städtischen Gemeinden zu, sondern auch auf dem Lande. So dass es im Grunde landesweit für jede Wohnung einen Wasserzähler geben müsste.

Doch das ist nicht der Fall, und einen genauen Überblick über die Lage hat niemand. Das Wasserwirtschaftsamt und die Aluseau, der Verband der kommunalen und interkommunalen Wasserversorger, kennen die Situation nur punktuell. Aber sie wissen, dass der Wasserverbrauch sehr unterschiedlich erhoben wird. In Petingen zum Beispiel wurde schon vor über zehn Jahren damit begonnen, jede Wohnung mit einem eigenen Zähler auszustatten. Das galt nicht nur für Neubauten: Altbauten wurden nachgerüstet. In der Nachbargemeinde Differdingen dagegen wird auch in Apartmenthäusern nach wie vor nur ein Zähler pro Gebäude eingebaut. In der Hauptstadt wird ebenso verfahren. Mehr noch: Dort sind sogar sämtliche Kneipen und Restaurants an den Rives de Clausen als ein Verbraucher an einem Anschluss zusammengefasst. Die Wasserkostenaufteilung übernimmt, wie in einer Eigentümergemeinschaft eines Apartmenthauses, ein Verwalter.

Staffelpreise einführen zu wollen, würde damit erhebliche Investitionen voraussetzen. Höchstwahrscheinlich müssten sie über höhere Festanteile an den Haushaltswasserpreisen gedeckt werden – es sei denn, die Regierung entschiede, flächendeckend den Einbau eines Zählers pro Wohnung aus der Staatskasse zu finanzieren. Was aber nicht nur wegen der Kosten unwahrscheinlich ist. Es wäre prinzipiell auch ein Eingriff in die kommunale Zuständigkeit für Wasser- und Bautenfragen.

Würde es einen Zähler pro Wohnung geben, zöge das aber geradezu zwangsläufig noch eine andere Frage nach sich: Ökologisch sinnvoll mögen Staffelpreise sein und zum Wassersparen anregen. Aber würde dadurch nicht wiederum eine kinderreiche Familie bestraft, die gegenüber einem kleinen Haushalt mehr Wasser entnehmen muss? Müsste eine ökologische Preisstaffelung dann nicht ergänzt werden durch eine soziale?

Womöglich ja, doch dass am Montag auf dem Wassertag mit dem Minister kein Gemeindevertreter für so ein System plädierte, fiel auf. Stattdessen tendierte die Meinung dahin, ein sozialer Ausgleich über eine kommunale Teuerungszulage oder einen Rabatt für RMG-Bezieher reiche aus. Zu Ende gedacht worden scheinen die Staffelungsideen demnach selbst in den Gemeinden noch nicht zu sein, die sie schon geäußert haben. Oder man ist insgeheim gar nicht so unzufrieden damit, dass in Apartmenthäusern mit nur einem Wasserzähler die Aufschlüsselung der Wasserkosten zwischen allen Haushalten dem Verwalter überlassen ist. Und manchmal bezieht der ja die Größe einer Familie in seine Rechnung ein. Nur weiß halt niemand, wie oft und wie systematisch das geschieht. Aber es war schon immer so.

Peter Feist
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