Der Umsatz bei der Post steigt, aber die Gewinne sinken. Der Postdirektor hat Schwierigkeiten zu vermitteln, weshalb das Unternehmen sich neu aufstellen muss

Lange Leitung

d'Lëtzebuerger Land du 03.06.2016

Er hat es nicht leicht, der Generaldirektor der Post. Claude Strasser fällt es schwer, zu vermitteln, wie ungewiss die Zeiten für das Unternehmen sind, das er leitet. Aus Frustration darüber, wie viel schlechte Presse die Post erhielt, weil sie vergangenen Monat über 30 Zweigstellen schloss, sah sich Strasser genötigt, einen eigenen Beitrag im Luxemburger Wort zu veröffentlichen, um zu erklären, dass die Firmenleitung dies nicht aus Boshaftigkeit tue, sondern aus einer finanziellen Notwendigkeit heraus. Trotzdem scheint nicht jedermann ihm und Post-Verwaltungsratspräsident Serge Allegrezza glauben zu wollen, wenn sie sagen, das Marktumfeld sei schwierig. Nachdem die Post am Mittwoch richtig schlechte Jahresergebnisse vorlegte, titelte Paperjam gut gelaunt, die Post habe einen Rekordumsatz erzielt, und das Tageblatt freute sich über einen Millionengewinn. Das ist alles nicht falsch, spiegelt die Realität bei der Post aber eher unvollständig wider.

Das Postunternehmen konnte den Umsatz aus den drei Unternehmenssparten – Postzustellung, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen des CCP – im Vergleich zum Vorjahr tatsächlich um zwei Prozent auf 705,96 Millionen Euro steigern. Unter dem Strich bleibt aber nur ein Nettogewinn von 12,22 Millionen Euro übrig, im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang um über 70 Prozent. Um die in Finanzminister Pierre Gramegnas Haushalt vorgesehene Dividende von 20 Millionen Euro zu bezahlen, muss die Post deshalb Provisionen auflösen. Ein bisschen Unglück spielt bei diesem Ergebnis mit. Denn die Post muss für die vergangenen fünf Jahre zehn Millionen Euro Steuern nachzahlen, nachdem die Steuerverwaltung vergangenes Jahr beschloss, die 2010 gewährte Steuerkonsolidierung der Post mit ihren Filialunternehmen rückgängig zu machen, durch die Gewinne und Verluste der verschiedenen Unternehmen einer Gruppe gegengerechnet werden. Laut Gesetz können nur privatrechtliche Firmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, nicht aber öffentliche Anstalten, wie die Post eine ist.

Doch Pech mit der Steuerverwaltung ist nicht die einzige Ursache für schrumpfende Gewinne. Auch das Betriebsergebnis ist seit Jahren rückläufig und fiel allein letztes Jahr um fast 30 Prozent – trotz der nach wie vor hohen Ebidta-Marge von über 20 Prozent, die Claude Strasser am Mittwoch in den Vordergrund rückte. Rein bilanztechnisch erklärt sich das Phänomen durch die hohen Investitionen der Post und die dadurch bedingten ebenfalls hohen Abschreibungen. In den vergangenen zehn Jahren hat die Postgruppe nie weniger als 100 Millionen Euro jährlich in Material, Infrastrukturen und Beteiligungen investiert. Vergangenes Jahr waren es 192 Mil­lionen Euro und die Abschreibungen beliefen sich auf 116,2 Millionen Euro. „Man muss kein Betriebswirt sein, um zu sehen, dass das so nicht weitergeht“, sagt Claude Strasser mit Verweis auf das Verhältnis zwischen Abschreibungen und Ergebnissen.

„In allen drei Geschäftsaktivitäten gibt es Schwierigkeiten“, sagt Claude Strasser, „weil sie gewaltigen Transformationen ausgesetzt sind.“ Dass dies so kommen würde, hatte Strasser, kurz nachdem er Generaldirektor wurde, mit Hilfe der Unternehmensberater von Bain & Company feststellen und eine Neuausrichtung des Unternehmens in Reaktion darauf ausarbeiten lassen. Die Schließungen im Filialnetz seien Teil der Umsetzung dieser vom Verwaltungsrat einstimmig angenommenen Strategie, unterstreicht Strasser. Das Filialnetz kostet die Post rund 30 Millionen Euro jährlich und durch die vollzogenen Schließungen kleiner Büros mit wenig Kundschaft auf dem Land könnte die Gruppe ab diesem Jahr einen eventuell siebenstelligen Betrag einsparen, so Strasser. Nicht einmal zehn Prozent des Umsatzes würden im Filialnetz erwirtschaftet, erklärt der Generaldirektor.

Der Großteil der im Schnitt 580 000 Briefsendungen, die täglich im Bettemburger Verteilungszentrum sortiert werden, würden gleich dort angeliefert, so Strasser, wenn nicht gar beim Nachbarbetrieb gedruckt. Bis 2012 stieg das Volumen der Zustellungen an. „Trotzdem waren die Resultate sehr schlecht“, stellt Strasser trocken fest. Seither sinkt das Volumen um zwei bis drei Prozent jährlich. Wobei: „Die Zahl der wirklichen Schreiben sinkt schon lange“, erklärt Strasser, dafür ist in den vergangenen Jahren die Zahl der adressierten Werbeschriften gestiegen. Deshalb, wegen der stark entwickelten Bankbranche und weil die Bevölkerung stetig wächst, meint Strasser, habe die Erosion bei den Postzustellungen in Luxemburg später eingesetzt als in den Nachbarländern. In den ersten Monaten dieses Jahres sei die Zahl der Postsendungen deutlicher zurückgegangen als in den Vorjahren. Finanziell können diese Rückgänge nicht durch die Zuwächse bei der Paketzustellung wettgemacht werden. Denn ob sie ein paar Prozent weniger Briefe austeilen, ändert nichts daran, wie die Briefträger ihre Routen abgehen müssen. Und die mit der Paketzustellung verbunden Kosten seien wesentlich höher, warnte Strasser am Mittwoch. „50 Prozent der Zustellungen kommen von Amazon“, fügt er hinzu. Diese Abhängigkeit von einem Großkunden, der hart verhandelt und hohe Qualitätsansprüche stellt, ist „ein Damoklesschwert“, das über der Post hängt. Auch weil internationale Medien von Plänen Amazons berichtet haben, ihre Pakete mit Dronen selbst auszuliefern.

„Ich weiß nicht, wie viele Brief- und Zeitungsausträger wir in fünf bis zehn Jahren noch brauchen“, räumt der Generaldirektor ein. Deshalb sucht die Post nach Alternativen und will ihre Logistikaktivitäten ausbauen. „Die Deutsche Post hat das mit DHL vorgemacht“, gibt Strasser ein Beispiel. Ganz so groß sieht er nicht. Amazon, E-Bay und Alibaba verteilen ihre Pakete von zentralen Stellen aus, erklärt Strasser. „Auf der Ebene darunter“, will die Post Zusammenarbeiten suchen, um Paketströme über Luxemburg zu kanalisieren und weiter zu verteilen, die nicht von der gebietsansässigen Kundschaft bestellt wurden, sondern im Ausland. Dieses Jahr könnten erste Ergebnisse dieser Bemühungen vorgestellt werden, so Strasser. Ein Befreiungsschlag aus der Abwärtsspirale ist dadurch nicht unbedingt zu erwarten. „Die Margen im Logistikgeschäft sind grottenschlecht.“

Unter den europäischen Postgesellschaften sei die Luxemburger Post ein Ausnahmefall, erklärt ihr Direktor. Weil sie trotz EU-weiter Liberalisierung immer noch ein öffentliches Unternehmen sei und außerdem keines ihrer drei Geschäftsfelder aufgegeben habe. Dennoch suchten alle Postgesellschaften händeringend nach Lösungen. Die portugiesische Post gründe eine Bank, um ihre Aktivitäten zu diversifizieren, erzählt Strasser vom Austausch mit den europäischen Kollegen. Die Post hat ihrerseits vor wenigen Wochen ihre Zusammenarbeit mit der Raiffeisen vorgestellt, die ihr Problem mit dem Postchèques lösen soll. Die Post bietet zwar Finanzdienstleistungen an – wickelt unter anderem die Schatzamtstransak­tionen für den Staat ab – ist aber keine Bank. Deshalb hat sie hohe Kundeneinlagen zu verwalten, aber wenig Möglichkeiten sie gewinnbringend einzusetzen, zum Beispiel, durch die Vergabe von Krediten, und leidet deshalb besonders im aktuellen Niedrigzinsumfeld. Durch den Deal mit der Raiffeisen können die Postchèques-Kunden fortan ihre Finanztransaktionen im Filialnetz der Kooperativbank durchführen. Diese alternative Anlaufstellen waren die Voraussetzung dafür, dass die kleinsten Büros im teuren Postfilialnetz geschlossen werden konnten (d’Land, 29.04.2016). Für die anderen Postdienste hat das Unternehmen andere Lösungen gefunden. Die Zusammenarbeit mit der Supermarktkette Cactus zum Beispiel, die dieses Jahr Post-Punkte in allen Verkaufsstellen einrichten soll. Oder das Packup-Netzwerk, über das bereits vergangenes Jahr 15 Prozent aller Pakete zugestellt wurden und das 2016 von 32 Packup-Stellen, an denen Kunden auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten ihre Pakete abholen können, auf über 60 ausgebaut werden soll.

Den größten Teil ihres Umsatzes, weit über 400 Millionen Euro, erwirtschaftet das Postunternehmen allerdings im Telekommunikationsbereich. Die Post deckt mit ihrem 4G-Netz 94 Prozent der Bevölkerung ab und die Hälfte davon mit ihrem Glasfasernetz. Der Telekom-Bereich befindet sich laut Strasser in einer Übergangsphase, die fünf bis zehn Jahre andauert. Der Übergang verlangt hohe Investitionen in Netzwerke, Software und in hochqualifizierte Mitarbeiter, beziehungsweise die Weiterbildung, und das, während die Rendite sinkt. Die Betreiber müssten die Netze immer weiter ausbauen, um die riesigen Datenmengen, die von Youtube und Co. produziert werden, überhaupt noch zu bewältigen. Finanziell haben sie außer Kosten unmittelbar nichts.

Während die Kunden ihren alten Festnetzanschluss im Kupferkabelnetz durch einen Glasfaseranschluss ersetzten, muss die Post beide Netze simultan betreiben. Und neue Dienstleistungen erfinden, die sie den Kunden in Rechnung stellen kann. Mit dem digitalen Fernsehangebot hat das Unternehmen einen gewissen Erfolg. „Aber der Markt ist klein“, sagt Strasser, neue Produkte für eine begrenzte Zahl an privaten Kunden zu lancieren ist deshalb schwierig. Er nennt das Beispiel Cloud-Dienste – eine Dropbox kann sich jeder im Internet einrichten, weshalb bräuchte er da eine von der Luxemburger Post? Die versucht sich daher in den vergangenen Jahren verstärkt als Subunternehmer an Firmenkunden zu wenden. „Den chinesischen Banken verwalten wir die gesamte IT-Infrastruktur. Die beschäftigen gar keine Informatiker“, erzählt Strasser.

Die von der EU-Kommission durchgesetzten Veränderungen in der Abrechnung von Roaming- und Durchstellungsgebühren kostet die Post dieses Jahr vier Millionen Euro und nächstes Jahr noch einmal soviel, erklärt Strasser. Das Vorgehen der EU-Kommission sieht er kritisch. Weil sie tue, als ob es einen europäischen Telekommunika­tionsmarkt gebe, wenn es in Wahrheit 28 verschiedene Märkte gebe mit jeweils anderen Regeln. „Wir zahlen uns dumm und dämlich Mobilfunk-Lizenzgebühren“, so Strasser. In anderen Ländern wurden sie versteigert. Die sinkenden Renditen bewirken eine Konsolidierung in Europa, die von Brüssel nicht ungewollt ist. Wo die Post da bleibt? „Telefonica hat 300 Millionen Kunden. Wir haben 300 000“, stellt er trocken fest.

Die Erwartungen für die Zukunft spielt Strasser deshalb herunter. Im Vergleich zur Strategie für die neue Post, die 2013 angenommen wurde, sei man ungefähr dort, wo man angenommen hatte. „Wenn wir das Ergebnis 2016 halten können, haben wir gut gearbeitet.“ Immerhin verfügt die Post über 1,4 Milliarden Euro Kapital und Reserven, die sie in den vergangenen Jahren, als die Gewinne ein Vielfaches des heutigen Ergebnis betrugen, angelegt hat. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass die Warnungen aus der Firmenleitung nicht überall das gewünschte Gehör finden.

* Angaben in Millionen Euro, außer Personalangaben
Michèle Sinner
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