CFL Cargo

Galopptour

d'Lëtzebuerger Land vom 17.09.2009

CFL Cargo baut Stellen ab – diese Nachricht musste kommen. Der mit Abstand wichtigste Kunde der 2006 gegründeten Bahnfrachtgesellschaft heißt nach wie vor ArcelorMittal. 70 Prozent ihrer Transporte erledigt CFL Cargo für den Stahlkonzern.

In der gesamten Stahlbranche aber hält die krisenbedingte Produktionsflaute schon seit fast einem Dreivierteljahr an. Die Luxemburger Werke waren ab Frühjahr besonders stark betroffen und zum Teil nur zu einem Viertel ihrer Kapazität ausgelastet (d’Land, 24. April 2009). Mitte Juli hatte CFL Cargo für einen Teil ihrer Belegschaft Kurzarbeit beantragt.

Die Wirtschaftskrise ist jedoch nicht der eigentliche Grund für den Stellenabbau, der die Beschäftigtenzahl bis Mitte nächsten Jahres von derzeit 520 auf 394 senken soll. Eher wirkt die Krise als Katalysator: Im Businessplan des 2005 von der Eisenbahn-Tripartite ausgehandelten Joint Venture von CFL und ArcelorMittal ist Stellenabbau ausdrücklich vorgesehen. Das Frachtunternehmen, an dessen Kapital die CFL zu zwei Dritteln und ArcelorMittal zu einem Drittel beteiligt sind, startete am 1. Januar 2007 mit an die 500 von den CFL zur CFL Cargo entsandten Güterbahnern sowie mit 85 von ArcelorMittal abgestellten. „Nach Abschluss einer Restrukturierungsphase sollte CFL Cargo laut Businessplan noch 339 Mitarbeiter haben“, sagt ihr Verwaltungsrats­präsident Marc Wengler. Demnach noch 55 Beschäftigte weniger als heute angepeilt werden.

Ebenfalls vorgesehen war damals jedoch, dass CFL Cargo auch nach der Restrukturierung noch 239 CFL-Bahner beschäftigen sollte. Heute dagegen geht Fernand Rippinger, Generaldirektor von CFL Cargo, davon aus, dass „das Gros“ von ihnen den Bahnfrachtbetrieb in den kommenden Monaten nach und nach wieder Richtung CFL verlassen wird. Nur leicht sinken soll dagegen die Zahl der Güterbahner, die CFL Cargo von ArcelorMittal erhielt. Am Ende wird die Belegschaft des Fracht-Joint-Venture mehrheitlich aus neu eingestellten Mitarbeitern bestehen.

Das liegt einerseits am gestiegenen Personalbedarf bei den CFL – durch den Einsatz neuer Züge und aus­geweitete Fahrpläne im grenzüber­schrei­tenden Berufsverkehr; durch die vielen Arbeiten an der Infrastruktur und die neu gebildeten „Sicherheitsbrigaden“. 220 CFL-Bahner seien seit 2007 wieder zu den CFL gewechselt, sagt Marc Wengler. Weil er Finanzdirektor bei den CFL ist, weiß er, dass es dort trotz Krise auch für das kommende Jahr „Rekrutierungspläne“ gibt. Gesucht würden vor allem Lokführer.Andererseits aber begann CFL Cargo gleich nach ihrem Start Anfang 2007 mit der Einstellung neuen Personals und seiner Ausbildung. „Zeitweise hatten wir für jeden Lokführer im Einsatz einen zweiten in Ausbildung“, sagt Fernand Rippinger. Das strategische Ziel der Ausbildungs­offensive stellte man bei CFL Cargo nicht über Gebühr ins Fenster, es liegt aber auf der Hand: Kostensenkung durch Ersatz der CFL-ler, denen auch bei CFL Cargo ihr Eisenbahnerstatut mit seinen an den öffentlichen Dienst angelehnten Vergünstigungen erhalten blieb. 

Da trifft es sich politisch gut, dass die nun auf ihren Abschluss hinsteuernde Restrukturierung von CFL Cargo zusammenfällt mit den Rekrutierungsplänen bei den CFL. „Die meisten zur CFL Cargo entsandten CFL-ler wollen wieder zurück in die maison-mère“, sagt Guy Greivelding, Präsident des FNCTTFEL-Landesverbands. Zurück auf die „alten Posten“ – später könnte eine Rückkehr zu den CFL womöglich nur über eine Umschulung auf eine andere Tätigkeit führen. Da die Stellenwechsel offenbar so leicht möglich sein werden, wollen die Gewerkschaftler die Restrukturierung bei CFL Cargo lediglich „kritisch begleiten“, fragen sich aber, ob man dort wirklich so schnell so viele CFL-Güterbahner wird entbehren können.

Die Kostenfrage im Güterbereich hatte schon 2005 die Eisenbahn-Tripartite beschäftigt. Am Ende wurde dort gehofft, mit dem Joint Venture werde sich der internationale Schienengüterverkehr verdoppeln. Die Tonnen-Kilometer sollten sich mehr als verdoppeln. Heute kann Fernand Rippinger bilanzieren, „dass unsere Loks doppelt so weit fahren“ wie die der CFL-Frachtdivision 2005. 

Die ­gefahrenen Tonnen-Kilometer im Frachtverkehr der CFL beliefen sich dagegen ohne Container-Verkehr im Jahr 2005 auf 347 000. CFL Cargo – die den Container-Verkehr nicht von den CFL übernommen hat – brachte es Ende 2008 noch nicht auf rund 700 000 Tonnen-Kilometer Transportleistung, sondern nur auf 510 000. Und sie verfehlte das im Businessplan gesteckte Ziel, zwei Jahre nach ihrem Start schwarze Zahlen zu schreiben: Verbuchte 2005 die Frachtsparte der CFL ein Defizit von 35 Millionen Euro, musste CFL Cargo Ende letzten Jahres ein Minus von 9,9 Millionen Euro ausweisen.

Daran war die beginnende Krise Schuld. „Im ersten Halbjahr 2008 lagen wir noch im Gleichgewicht“, sagt Fernand Rippinger. „Ab November aber brachen uns 40 Prozent der Transporte weg. Das hat uns alles verdorben.“

Doch das „strukturelle Defizit“, das der Frachtdivision der CFL seinerzeit immer nachgesagt wurde, gründete sich vor allem darauf, dass die CFL, von wenigen Transporten abgesehen, überwiegend Zubringer für Nachbarbahnen gewesen waren und kaum über Sterpenich, Thionville, Wasserbillig und vielleicht Trier hinaus fuhren. Da diese kurzen Fahrten beim Grenzübertritt zu allem Überfluss mit hohen charges terminales verbunden waren, machten sie die CFL im Frachtbereich regelrecht strukturschwach. Die große Hoffnung, die ins Joint venture mit ArcelorMittal gesetzt wurde, lautete: Wenn der Stahlkonzern dem neuen Frachtunternehmen ein Transportvolumen im internationalen Verkehr garantiert, so kann CFL Cargo sich mit der Zeit als Anbieter über längere Distanzen etablieren. Auch ArcelorMittal gegenüber: Vom garantierten Volumen abgesehen, muss CFL Cargo um Transporte des Stahlkonzerns mit anderen Anbietern konkurrieren. Manchmal mit Spediteuren, manchmal mit anderen Bahnen.

Auf dem Weg zum long hauler ist sie ein gutes Stück vorangekommen. Zu den regelmäßigen Transporten zwischen den Luxemburger Stahlwerken und dem Duisburger Rheinhafen, die CFL Cargo seit 2007 erledigt, sind Transporte nach Hamburg, Italien und Spanien gekommen. Erledigt werden sie in Kooperation mit ausländischen Bahnen – mit CFL Cargo Deutschland, der Schweizer SBB und der neuerdings der SNCF gehörenden Veolia Cargo.

All diese Transporte aber leistet CFL Cargo für ArcelorMittal. Die Frage, wie man darüber hinaus wachsen könnte, ist gerade in diesen Zeiten schwierig zu beantworten: Irgendwie sind alle Güterbahnen schlcht dran. CFL Cargo beantragte im Juli für einen Teil seiner Belegschaft Kurzarbeit, Branchenführer DB Schen­ker lässt in Deutschland schon seit März kurz arbeiten. Bei der SNCF steht im Frachtbereich jene Restrukturierung für den liberalisierten EU-Schienengütermarkt, die man in Luxemburg schon zum Großteil absolviert hat, erst noch bevor. Bis zu 6 000 Stellen könnten bei SNCF Fret wegfallen.

Fernand Rippinger rechnet mit einer Konsolidierung im Sektor. „Da könnten sich auch für uns Chancen auftun.“ Aber andererseits: Während DB Schenker und SNCF in der Vergangenheit kleine Transporte Anbietern wie CFL Cargo überließen, erledigen sie sie heute entweder doch selbst, oder die Konkurrenz um diese Fuhren ist massiv. Letzten Endes hofft die ganze Branche, dass der Aufschwung bald kommt.

Und auf ihn will CFL Cargo vorbereitet sein. Die personelle Restrukturierung, die Mitte 2010 abgeschlossen sein soll, sollte ursprünglich bis 2011 dauern. Darüber hinaus hat die Direktion den Gewerkschaften ein abgeändertes Schichtsystem unterbreitet. Es würde für sämtliches „Bodenpersonal“ von CFL Cargo gelten, das nicht in Zügen eingesetzt ist. 

Dieses Dossier ist noch um einiges delikater als die personelle Restrukturierung. CFL-Cargo-Chef Rippinger räumt unumwunden ein, dass der Vorschlag sich am bei ArcelorMittal geltenden Schicht­system orientiert. Soll heißen: Es ist anders als das, was bei der Eisenbahn gilt. 

Damit könnte ein Punkt berührt werden, an dem im Dezember 2005 beinah die Eisenbahn-Tripartite gescheitert wäre, und der erst anderthalb Jahre später geklärt wurde: die „Arbeitsbedingungen“ bei der Eisenbahn. Denn damals hätte die CFL-Direktion am liebsten nicht nur das Fracht-Joint-venture mit ArcelorMittal unter Dach und Fach  gebracht, sondern auch die Personenverkehrssparte aus den CFL aus­gegliedert und auf weitere europäische Liberalisierungsschritte vor­bereitet. Nachdem die Gewerkschaften das kategorisch verweigerten, sollten zumindest neue Anforderungen an das Personal abgemacht werden – für Eisenbahner bei CFL und CFL Cargo. Da vor allem die FNCTTFEL damit ebenfalls nicht einverstanden und sogar dazu bereit, die Tripartite platzen zu lassen und dem damaligen Transportminister Lucien Lux (LSAP) eine politische Niederlage zu bereiten, einigte man sich, diese Frage „später“ zu klären. Als sie Mitte 2007 schließlich geklärt war, hätte es um ein Haar einen Eisenbahnerstreik gekostet.

Seitdem liegt eine großherzogliche Verordnung vor, die die Arbeitsbedingungen aller Bahnbeschäftigter mit Eisenbahnerstatut regelt. Sie gilt jedoch auch für jegliches Per­sonal bei CFL Cargo, das weder über ein Eisenbahner-, noch über ein ArcelorMittal-Statut verfügt. Der im Herbst vergangenen Jahres mit FNCTTFEL; Syprolux, LCGB und OGB-L nach langen Verhandlungen vereinbarte erste Kollektivvertrag bei CFL Cargo sieht pauschal vor, dass in allen Fragen der Arbeits­bedingungen die für die assimiliert öffentlich Bediensteten erlassene großherzogliche Verordnung gilt.

Weil das fast so viel ist, als hätte ein Arbeitsminister das öffentliche Eisenbahnerstatut für d’obligation générale erklärt, sagt FNCTTFEL-Präsident Greivelding vieldeutig, dass man „natürlich bereit“ sei, „CFL Cargo zu stärken, aber nicht den geltenden Kollektivvertrag antasten“ werde. Und CFL Cargo will diesen Punkt lieber nicht kommentieren. Möglicherweise steht beiden Seiten eine „Galopptour“ bevor. Eine Schichtregel, die CFL Cargo ändern lassen will, heißt auch so.

Peter Feist
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