Armeereform

Sperrfeuer

d'Lëtzebuerger Land vom 29.11.2007

Noch herrscht Erstaunen bei der Truppe darüber, wie CSV-Armeeminister Jean-Louis Schiltz den obersten Befehlshaber der Armee ohne Vorwarnung abberufen hat – angeblich im Zuge der geplanten Armeereform. Auch darüber, wieSchiltz Ministerkollegen von CSV und LSAP so nebenbei bei derVerabschiedung des Gesetzentwurfs über den Kauf von Panzerspähwagen und Wasseraufbereitungsanlagen die einzige Personalentscheidung in der Armee widerspruchslos mittrugen, die bisher mit dem Großherzog abgesprochen wurde. Und darüber, wie der designierte Generalstabschef schon einen Monat vor seinem Amtsantritt munter Interviews gibt, als ob sein Vorgänger bereitsdas Feld geräumt hätte. 

Da verabschiedete der Staatsrat am Dienstag dieser Woche ein Gutachten über den Gesetzentwurf zur seit Jahren vorbereiteten Armeereform, das kein gutes Haar daran lässt. Denn er fragt sich, ob CSV und LSAP nicht gerade die teuerste Armeereform aller Zeiten vornehmen wollen – unabhängig von dem fast gleichzeitigeingebrachten Gesetzentwurf über die Militärinvestitionen.

Der Staatsrat rechnet vor, dass die Zahl der Freiwilligen um 47 Prozent erhöht werden soll, von 340 auf 500 Leute. Die Zahl der Unteroffiziere soll um 52,6 Prozent steigen, von 135 auf 206, des Zivilpersonals um 44 Prozent, von 118 auf 170. Selbst die Zahl der Unteroffiziere der Militärkapelle soll um ein Viertel oder 15 Leute erhöht werden. Von solchen Steigerungsraten können andere Verwaltungen nur träumen, angefangen bei der nationalen Familienzulagenkasse, die nicht einmal über eine Hilfskraft verfügt, um ans Telefon zu gehen.

Außerdem sollen die Ränge und Dienstgrade der Offizierslaufbahnen aufgebessert werden, was zusätzlicheKosten verursacht. Auch meldet der Staatsrat gleich mehrfachseinen formellen Einspruch dagegen an, wie die Regierung aufverfassungswidrige Weise über die Höhe von Prämien zugunsten von Infanteristen und Luftwaffenangehörigen (sic) entscheiden will.

Jedenfalls warnt der Staatsrat das Parlament eindringlich vor einerKostenexplosion im Militärhaushalt und rät, nicht auf die zu allen Gesetzen dieser Art vorgeschriebene Kostenberechnung zu verzichten. Auch fragt er sich, ob die Regierung mit ihrem Ehrgeiz, sich an allen Ecken der Welt an Friedensmissionen zu beteiligen, nicht zu groß sieht. Denn selbst Großmächte pflegten, keine Kämpfe an allen Fronten zu führen.

Vor allem lehnt der Staatsrat aber das Herzstück der Reform, das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit ab, mit dem Unités de disponibilité operationnelle (UDO) für Einsätze in ausländischenKrisengebieten geschaffen werden sollen. Denn es könne nicht neben den UDO eine Kategorie Freiwilliger geschaffen werden,die sich lediglich zu einer Leichtversion des Militärdienstes verpflichten, nicht aber zuMissionen, welche zu einer Armee gehörten, „die diesen Namen verdient“. Jeder Feiwillige müsse beim Eintritt in die Armee wissen, dass er nicht zuletzt für Kriseneinsätze verfügbar sein muss. Weshalb sich auch die geplante Bereitschaftsprämie erübrige, da die Bereitschaft elementarer Bestandteil einer „ernsthaften Armee“ sei.

Unabhängig von solchen Zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Streitkräfte ließe sich die Kritik an der Armeereformalso zusammenfassen mit: größenwahnsinnig bei den Mitteln, hasenfüßig bei der Ausführung. Aber irgendwie ist das auchein Stück Luxemburger Modell. 

 

Peter Feist
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