Pisa-Glosse 3

Bei den Ländern nützlich, bei den Schülern nutzlos?

d'Lëtzebuerger Land vom 10.03.2011

Wann ist eigentlich das Aufstellen einer Rangordnung nützlich? Nehmen wir ein Beispiel! Unsere große Tochter hat auf dem Zeugnis 38 Punkte im Englischen und ist dabei die 20. von 25. Was weiß ich nun? Sie kann noch Fortschritte machen, natürlich, sie hat ja nicht 60. Vielleicht ist sie aber recht gut und ist in einer sehr leistungsstarken Klasse. Vielleicht aber waren die Prüfungen nie sehr schwierig, und ihre Englischkenntnisse genügen nicht, um in der folgenden Klasse weiterzukommen. Aus den Punkten und der Rangordnung kann ich das mit dem besten Willen nicht herauslesen.

Nehmen wir an, wir ändern angesichts dieser schlechten Platzierung unserer Tochter die Hausaufgabenbetreuung. Ganz persönlich coachen wir das Kind und lesen voller Genugtuung auf dem folgenden Zeugnis, dass sie nun mit ihren 43 Punkten Rang elf erreicht hat. Was hat sich nun verbessert ? Sie hat fünf Punkte mehr, und es gibt neun Schulkollegen, die dieses Trimester eine schlechtere Platzierung haben als letztes Mal. Aber seien wir mal ehrlich: Wir wissen immer noch nicht, ob die Tochter genug Englisch weiß, um nächstes Jahr anstandslos weiterzukommen.

Was beim einzelnen Kind zutrifft, ist möglicherweise nicht falsch bei den Ländern. Ich wundere mich persönlich, dass der absolute Rang, den wir im letzten Pisa-Wettbewerb einspielten das war, was am meisten kommentiert wurde. Nicht nur bei uns war das so, sondern auch bei unsern Nachbarländern, und das, obschon wir wissen, dass wenn ein Land weiter nach vorn rückt, ein anderes abfallen muss, ohne dass aus diesem Grund sein Schulsystem plötzlich weniger performant wird.

Um die Fragwürdigkeit dieser Hitparade herauszustreichen, möchte ich die Evolution der Rangplatzierung verschiedener Länder kurz beleuchten, nicht im Lesen, sondern in Mathematik. Die absoluten Platzierungen sind schlecht zu vergleichen, da die Anzahl der teil-nehmenden Länder jedes Mal ändert, darum hab ich die jeweiligen Ränge auf 100 hochgerechnet.

Platzierung von einzelnen Ländern in den vier Pisauntersuchungen (Mathematik)

2000 2003 2006 2009

Luxemburg 93 / 100 56 / 100 50 / 100 46 / 100

Irland 51 / 100 53 / 100 37 / 100 50 / 100

USA 61 / 100 73 / 100 62 / 100 48 / 100

Osterreich 35 / 100 43 / 100 31 / 100 37 / 100

Was kann man aus diesen Serien über die Unterrichtsqualität der verschiedenen Länder herauslesen? Irland wäre fast besser geworden. Von Platz 53 in 2003 ist es auf Platz 37 in 2006 vor­-gerückt. Es hat aber anscheinend versäumt, nach dem besseren Resultat noch weiter zu trainieren. Die USA waren 2003 sehr zurückgefallen im Vergleich zu 2000, haben 2006 wieder die Anfangsplatzierung zurückgewonnen, und jetzt sind sie sogar fast ebenso gut wie Luxemburg. Dem österreichischen Schul­system fehlt es an Ausdauer: Nach einem guten Start ist es sehr zurückgefallen, hat dann aber wieder aufgeholt; doch fragt man sich, ob das von Dauer ist, da es sich im letzten Pisatest wieder schlechter platziert hat.

Haben auch Sie den Eindruck, dass all diese Kommentare absolut nichts über die jeweiligen Schulsysteme aussagen? Schulsysteme sind schließlich nicht mit Rennfahrern gleichzustellen, bei denen vor allem die Platzierung zählt! M-P Maurer

Die Platzierung wurde so umgerechnet, dass man jedesmal von 100 teilnehmenden Ländern ausgeht.
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