Genmanipulation

Wer braucht ein leuchtendes Schaf?

d'Lëtzebuerger Land vom 03.05.2013

Heute loben wir die umwerfenden Erfolge der Genmanipulation. „Zu (sic) Uruguay brauch ee keng Angscht méi ze hunn am Däischteren, do hunn Ziichter nämlech elo Schof geziicht, déi liichte wann et däischter ass“, melden die Aufklärungsexperten von RTL.lu. Diese Nachricht macht uns einfach glücklich. Viel zu lange haben uns die unbeleuchteten Schafe auf den nächtlichen Straßen terrorisiert. Es ist ja allgemein bekannt, dass schon kurz nach Sonnenuntergang ganze Horden von Schafen ausschwärmen und die Gegend unsicher machen. Wo man auch geht oder steht, wird man in der Finsternis von streunenden Schafen bedrängt, um nicht zu sagen in die Enge getrieben. Vor allem die schwarzen Schafe sind im Dunkel der Nacht noch schwärzer. Diese ständige Bedrohung und Belästigung hat nun ein Ende. Die Schafe leuchten! Und wir strahlen.

Ernst beiseite: Ein paar Forscher aus Uruguay haben versuchshalber das Erbgut von Schafen mit einer Quallen-DNA versetzt. Wenn diese aufgepeppten Tiere ausreichend UV-Strahlen speichern, geben sie bei Dunkelheit Leuchtkraft ab. Dieses bahnbrechende Experiment zeigt, in welch revolutionäre Bezirke die Genforschung mittlerweile vorgedrungen ist. Der größte Erfolg dürfte sein, dass sich die lästige Frage nach dem Sinn des Unternehmens gar nicht mehr stellt. Wie die Forscher selber bekunden, ist ihr Experiment durch und durch sinnfrei. Sie wollten in aller Unschuld nur „probieren, ob es klappt“. Nun hat es wunderbar geklappt, und es wird wohl nicht lange dauern, bis ein paar findige Köpfe die leuchtenden Schafe adäquat kommerzialisieren. Vielleicht dürfen wir uns ja demnächst ein kostengünstiges Leuchtschaf in den Garten stellen, sozusagen als wandelnder Lampion für die mitternächtliche Grillparty.

Allein in Uruguay wurden in den letzten Jahren mehr als zehntausend Schafe als vermisst gemeldet, nur weil sie sich in der Dunkelheit verlaufen hatten. Das ist verheerend kontraproduktiv. Wie will der Schafhirt seine Herde kontrollieren, wenn er die Tiere in seiner Obhut nicht einmal sehen kann? Wir wissen ja, dass Schafe nur in der Nacht ihren gattungsspezifischen Appetit optimal entwickeln. Aber die wechselnden Weiden sind ja nicht beleuchtet, der arme Hirte tappt buchstäblich im Dunkeln und verliert Nacht für Nacht wieder ein paar seiner wertvollen Wollelieferanten. Das ist jetzt vorbei, den Quallen sei Dank.

Schafe sind vermutlich sehr arglose und friedliche Wesen. Natürlich haben ihnen die Forscher ausführlich und geduldig erklärt, was sie mit ihnen anstellen wollten: „So, ihr lieben vierbeinigen Genossen, jetzt werden wir euch mal ein bisschen zum Leuchten bringen.“ Da brach in der uruguayischen Schafsherde ein freudiges Blöken aus, und die Schafe jubelten: „Yeah, yeah, wir wollten immer schon als behaarte Leuchtkörper über die Weide laufen!“ Trotzdem möchten wir hier die Frage aufwerfen, warum nur Tiere in den Genuss der Genforschung kommen. Sind wir Menschen nicht viel forschungstauglicher? Haben wir etwa kein Recht darauf, uns eine Quallen-DNA implantieren zu lassen?

Es wäre doch ein beachtlicher Fortschritt, wenn zum Beispiel die zahlreichen Finsterlinge, die sich in unserem Staatsgefüge breitmachen, mit einer kleinen Portion Quallensubstanz von ihrem lichtscheuen Gebaren befreit werden könnten. Im Bommeleeër-Prozess wäre mangels anderer hilfreicher DNA-Spuren die Quallen-DNA vielleicht ein Wundermittel. Man könnte die Manipulation der Gene ja so arrangieren, dass die höchst vergesslichen Zeugen immer dann kräftig leuchten, wenn sie wieder eine Lüge vom Stapel lassen. Bald wäre der Gerichtssaal der hellste Ort im Großherzogtum, täglich geflutet vom Licht der aufmarschierenden Lügnerkompanie. Forscher an die Front! Das juristische Dunkel muss energisch bekämpft werden! Und zwar mit wissenschaftlicher Akribie.

Nützlich wäre jedenfalls, wenn wir die uruguayischen Manipulateure mal unverbindlich bitten, bei uns vorbeizuschauen. Hier steigen die Elektrizitätspreise nämlich langsam ins Unermessliche. Das kostspielige Licht in unseren Wohnungen werden wir demnächst einfach nicht mehr bezahlen können. Da hilft wohl nur mehr ein massiver Einsatz von Quallen-DNA. In anderen Worten: alle Bürger werden mit diesem simplen Kniff zum Leuchten gebracht. Quallen gibt es im Überfluss, die Badegäste am Meeresstrand werden sich übrigens bedanken, wenn diese höchst unangenehmen Fremdkörper im großen Stil beseitigt werden.

Der autark leuchtende Bürger wäre bald das Homo sapiens-Modell der Zukunft. Auf die Elektrizität und das gesamte elektrische Brimborium könnten wir pfeifen. Wir brauchen keine technischen Krücken mehr, um uns zu erhellen. Das Licht verströmen wir selber. Wäre das nicht schön? Wir sitzen gut gelaunt in trauter Runde, eine Versammlung menschlicher Glühbirnen sozusagen, und bewundern uns gegenseitig wegen unserer Strahlungskraft. Das hebt die Stimmung, da kommt Zuversicht auf. Und das beeindruckendste Resultat dieser kollektiven Leuchtkampagne haben wir noch gar nicht erwähnt: Wir wären plötzlich alle helle Köpfe.

Guy Rewenig
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