Borgen

Die moderate Staatsministerin

d'Lëtzebuerger Land vom 29.07.2016

AfD, Front National, FPÖ, PiS und wie sie alle heiβen, die rechtspopulistisch bis rechtsextremen Parteien, mit denen unser auf Rechten aufgebautes Europa so kämpft. Und es hilft natürlich herzlich wenig, dass die etablierten, rechtsstaatlichen (Groß-)parteien ihnen so gar nichts entgegensetzen zu können scheinen. In Österreich haben alle nochmal aufatmen können, aber vielleicht wurde nur eine Schonfrist bis zur Wiederholung der Präsidentschaftswahlen erkauft. Polen macht heute schon vor, wie es vielleicht auch in anderen Ländern um den europäischen Rechtsstaat bestellt sein könnte. Marine le Pen frohlockt nach dem Brexit-Referendum und Orban grinst sich eins.

Da lohnt es sich, sich die dänische Politserie Borgen von Adam Price aus den Jahren 2010 bis 2013 zu Gemüte zu führen. Dänemark driftet nämlich schon seit längerem immer weiter nach rechts. Hauptsächlich in der Einwanderungs-und Ausländerpolitik. Die Gesetze wurden stetig schärfer – vom Rest der Welt etwas unbemerkt.

In der Serie geht es um Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), Vorsitzende der „Moderaten“ einer Zentrumspartei, wie der Name schon sagt. Sie bricht kurz vor den Wahlen aus dem Mitte-Linksblock aus, als der Chef der Arbeiterpartei sich Verschärfungen der Ausländergesetze nicht länger verschließen will. Das führt zu einer Pattsituation. Nach den Wahlen hat keines der Wahlbündnisse genug Sitze, um eine Regierung zu bilden. Man buhlt um die „Moderaten“ und schließlich kann Birgitte Nyborg sogar als Staatsministerin – der dänische Titel entspricht dem luxemburgischen – ins Machtzentrum der dänischen Politik, die Burg (Borgen) einziehen.

Ihr Name Nyborg (neue Burg) wird Programm. Vier Jahre und zwei Staffeln lang kann sie ihre Vision von einem Dänemark, das seine Politik an den Menschenrechten ausrichtet, umsetzen. Das geht nicht immer reibungslos, sie kämpft mit Intrigen, mit der seriösen und der reißerischen Presse, und auch mit sich – aber im Grunde setzt sie sich durch.

Vier Jahre und eine verlorene Wahl später gründet Brigitte Nyborg eine neue Partei, weil sie von ihrer eigenen zutiefst enttäuscht ist. Die „Moderaten“ bewegen sich immer mehr nach rechts, vergessen die Grundrechte, sind zu eitlen Mehrheitsbeschaffern verkommen. Wieder will sie dem Rechtsruck etwas entgegensetzen, und zwar eine Partei der Mitte, die sich an die rechtsstaatlichen Prinzipien erinnert.

Vielleicht fehlt den aktuellen, immer weiter schrumpfenden europäischen Mehrheitsparteien genau das? Das Bekenntnis zu den Menschenrechten, zum Rechtsstaat und das dementsprechende Handeln. Doch scheint ihr Rezept darin zu bestehen, populistischen Forderungen immer wieder ein Stück weit nachzugeben, aus lauter Angst, dass noch mehr Wähler abtrünnig werden und zu den rechten Parteien überlaufen könnten. Gefruchtet hat diese Taktik bisher nicht. Wer will schon eine Kopie?

Interessant an der Serie ist auch ein kleiner, fast schon prophetischer Nebenaspekt. In Borgen werden die Rechtspopulisten bis zur letzten Folge von einem alten, polemischen und recht widerlichen Mann angeführt. Als er die Wahlen verliert, übernimmt eine junge, gut aussehende Frau die Nachfolge. Sie gibt denn auch pflichtschuldigst vor, eine weniger radikale Politik machen zu wollen. Marine Le Pen, Frauke Petry und Beata Szydlo lassen grüßen.

Jutta Hopfgartner
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