Euro-Personalpoker

Schnick, Schnack, Schnuck

d'Lëtzebuerger Land du 16.03.2012

„Es gab keine Position für eine qualifizierte Mehrheit für einen Kandidaten oder den anderen.“ Mehr hatte der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, nach der Sitzung am Montag nicht zum Thema Nachfolge von José Manuel González-Páramo im Direktorium der Europäischen Zentralbank zu berichten. Fragen zu seiner eigenen Nachfolge an der Spitze der Eurogruppe beantwortete er erst gar nicht. Dabei drängt die Zeit – spätestens Ende März muss die Entscheidung fallen, damit die Prozeduren rechtzeitig anlaufen, und Juncker ist seit dem letzten EU-Gipfel offiziell damit beauftragt, Ersatz für sich selbst zu finden, wenn sein drittes Mandat im Juni ausläuft. Weil das aber nicht die einzigen Posten sind, die in nächster Zeit besetzt werden müssen, muss ein Rundum-Personalpaket geschnürt werden, das neben EZB-Direktoriumsposten und Eurogruppenvorsitz auch die Leitung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und des Europäischen Rettungsmechanismus (ESM) vorsieht. Paris hat die EBWE im Blick, während Berlin den aktuellen EFSF-Chef Klaus Regling künftig wohl auch an der Spitze des ESM sehen möchte. Am Ende dürfte der EZB-Direktoriumsposten, für den der Luxemburger Zentralbankchef Yves Mersch kandidiert, das letzte Puzzle-Stück sein, das eingefügt wird.

Die Schlüsselposition, die es zu besetzen gilt, ist der Vorsitz der Eurogruppe. Juncker selbst hat in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder betont, das Amt sei nicht „vergnügungssteuerpflichtig“, und er stehe für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung. Ganz so kategorisch drückte er sich in den vergangenen Tagen allerdings nicht mehr aus. In Bologna, wo er Mitte der Woche eine Auszeichnung entgegen nahm, wiederholte er zwar, er habe nicht die Zeit, sein Premierministeramt mit dem Eurogruppenvorsitz zu vereinbaren, fügte aber laut Ansa hinzu: „Aber wir werden sehen, was in den kommenden Wochen passiert.“ Denn Junckers Forderungskatalog bei der Neubesetzung unterscheidet sich grundlegend von dem anderer Länder. Während beispielsweise die Österreicherin Maria Fekter meinte, eine neuer Präsident müsse Regierungschef eines AAA-Staatesmit Finanzministervergangenheit sein, damit er oder sie bei den EU-Gipfeln dabei ist, fordert Juncker seit geraumer Zeit, das Amt des Eurogruppenvorsitzenden in einen Vollzeitposten umzuwandeln. Deswegen kann man davon ausgehen, dass dies sein aktuelles Verhandlungsziel ist. Und dass er nicht ganz abgeneigt ist, schlussendlich doch noch sein eigener Nachfolger zu werden, wenn er es hauptamtlich machen kann – so könnte die Europakarriere vielleicht doch noch gelingen.

Das von Fekter definierte Profil würde der finnische Regierungschef Jyrki Katainen zwar erfüllen. Aber mit Währungskommissar Olli Rehn besetzt bereits ein Finne einen wichtigen Euro-Posten. Und weil die Finnen es durch ihre Forderungen nach Sonder-bedingungen im Rahmen der Griechenlandhilfen etwas an „Solidarität“ fehlen ließen, wird man ihnen kaum zwei Top-Jobs gönnen. Ähnlich sieht es bei Mario Monti aus. Ihm sicherte Juncker zwar in Bologna großherzig seine Unterstützung zu. Aber der Italiener Mario Draghi führt die EZB und, davon abgesehen, dass Monti als Premier- und Finanzminister Italiens in Personalunion alle Hände voll zu tun hat, als Vorsitzender der Eurogruppe wäre ein Interessenkonflikt programmiert, wenn Italien in Zukunft die Defizitanforderungen nicht erfüllen könnte.

Zwar sind längst nicht alle Unterhändler, darunter der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, dafür, einen neuen Vollzeitposten in Brüssel zu schaffen, und für einen solchen Vollzeitposten, könnte es eine völlig neue Kandidatenliste geben. Doch würde Juncker Vorsitzender der Eurogruppe bleiben, würde das die Personalprobleme vieler anderer Länder lösen, die mitpokern. Deutschlands und Frankreichs Ansprüche könnten erfüllt werden und nicht zuletzt auch die spanischen, die ihren Posten im EZB-Direktorium verteidigen wollen. Hätten die Spanier statt dem EZB-Juristen Antonio Saínz de Vicuña, eine Frau ins Rennen geschickt, wäre die Geschlechterbalance im EZB-Direktorium vielleicht ein gewichtigerer Faktor geworden als die Nord-Süd- und Klein-Groß-Balance. Zu Ungunsten von Yves Mersch.

Michèle Sinner
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