Luxemburgensia

Kommen Sie nackt!

d'Lëtzebuerger Land vom 13.08.2003

Kein Moien, kein Bonjour, kein Herzlich Willkommen: Reisender, kommst du nach Luxemburg, so komme nackt! Georges Hausemer will es so. Zumindest in seinem neuen Reiseführer Großherzogtum Luxemburg, erschienen in den Éditions Guy Binsfeld. Denn kaum ist das Buch 17 Zeilen alt und hat der Leser sich nicht einmal mit den Zoll- und Passbestimmungen vertraut machen können, so ist er schon bestens über die schönsten Internetseiten für den FKK-Aufenthalt im Großherzogtum informiert. Und damit nicht genug: 

Zwei Seiten später geht Hausemer so richtig en détail und weiß, dass es in Luxemburg vier Hektar Land gibt, zu dem "Inhaber eines internationalen Naturistenausweises freien Zugang" haben. Bis dahin sind Pass- und Zollkontrollen abgeschlossen, doch wie der geneigte deutschsprachige Tourist ins Großherzogtum gelangt, das weiß er noch immer nicht, aber er kennt bereits die nackeligste Liegewiese im Umkreis von 40 Kilometern.

Aber will ein Reisender überhaupt nach Luxemburg? Gefahren drohen: "Gleich hinter dem Neuen Theater setzt diese größte und modernste der rund 100 hauptstädtischen Brücken zu ihrem 355 m langen Sprung über das Tal der Alzette an." Wenn Brücken springen, heißt es fliehen, aber wohin "wenn sich zahlreiche der etwa 180 Bankniederlassungen längst andere Stadtteile dazu erobert haben." Etwa ins "70 x 16 m große Foyer" des Stadttheaters ("Simultandolmetschanlage")? Oder nach Esch, wo im Stadtpark "mit seinen Blumengärten, Promenaden, Kinderspielplätzen, Tennisfeldern, Boule-Plätzen, seiner Rollschuhbahn und seinem Aussichtsrestaurant ...einst ein Galgen" stand. Man merkt gleich, dass Reisende keine gern gesehenen Gäste in Luxemburg sind. Dazu passt das dreisprachige Fluchtortverzeichnis, das "Bollendorf, Bollendorf, Bollendorf" in allen Varianten, aber "Schieren" nur in ungarischer Sprache empfiehlt.

Wenn da nicht der Luxemburger, der homo luxemburgensis wäre. Die ersten Luxemburger, denen der Leser begegnet, sind die Mitglieder der großherzoglichen Familie auf einem - etwas eigenwilligen - Foto. Die Großherzogin schaut, ob bei ihrem eine Ansprache haltenden Mann die Frisur perfekt sitzt, während der Erbherzog seine hochnäsige Schwester ein wenig zu zärtlich im Arme hält. Wenigstens der Hund versucht den Fotografen anzulächeln. Die ganze Szenerie im rechten Eck vor Schloss Berg. Doch das ist nicht der Reise wert, denn Colmar hat ganz andere Attraktionen. Hier "befindet sich ein Werk des amerikanischen Reifenherstellers 'Goodyear'". Das Schloss ist ohnehin für Neugierige verrammelt und so lässt wenigstens die Gummifabrik auf einiges hoffen.

Hausemer ist ein über alle Maßen oberflächlicher und häufig unfreiwillig komischer Reiseführer über sein Heimatland gelungen. Etwa der Hinweis auf der hinteren Umschlagklappe: "Nummer 9: Hochhaus." Der Autor versucht alle, aber auch alle Käffer und Weiler Luxemburgs zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, da werden Hintergründe, Stadtpläne von Orten außerhalb der Hauptstadt oder ausführliche Informationen für einen zweiten Band aufgespart, den man nicht wirklich haben will. Die Geschichte von Stadt und Land gibt es im Kurzabriss, der dem deutschen Leser mal wieder kein schlechtes Gewissen bereiten will. 

Besser ist da das um zwei Euro günstigere Reise-Taschenbuch Luxemburg von Reinhard Tiburzy aus dem Kölner Dumont-Verlag. Knapper, aber auch um einiges prägnanter als der Hausemer-Reiseführer schafft es die Marco-Polo-Ausgabe über das Großherzogtum. Vielleicht war auch Hausemers Mission eine ganz andere, denn für Urlaub in Luxemburg zu werben. Der wichtigste Hinweis in seinem Reiseführer findet sich auf der sechsten Seite des Textteils: Luxair evakuiert den wieder bekleideten Reisenden gerne "in die bekannten spanischen, italienischen, portugiesischen, griechischen Tourismusregionen". Dort empfiehlt sich Hausemers Guide an lauen, langweiligen Abenden als kabarettistische Lektüre.

Georges Hausemer: Großherzogtum Luxemburg. Reiseführer. Erhältlich auch in "französischer, englischer Fassung"; Éditions Guy Binsfeld: ISBN 2879541190; 192 Seiten mit 200 teils sehr kleinformatigen Fotos; 14 Euro.

Martin Theobald
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