Index

Einkommenspolitik

d'Lëtzebuerger Land du 30.07.2009

Einen Indexwahlkampf hatte der LCGB versprochen. Davon hatte man dann nichts gemerkt. Und obwohl fast die ganze Führungsspitze der christlichen Gewerkschaft zu CSV-Abgeordneten gewählt wurde, ging auch bei den Koalitionsverhandlungen wenig die Rede von der anscheinend wichtigsten Errungenschaft der Luxemburger Gewerkschaftsbewegung. Immerhin wollte letztere noch bis zur Tripartite von 2006 ­jeden Angriff auf den Index mit einem Generalstreik abwehren, und war der Index noch kurz zuvor in allen Wahlprogrammen aufgetaucht. Dieses überraschende Desinteresse hat sicher auch damit zu tun, dass derzeit keine Inflation stattfindet. So dass die nächste Indextranche nach Schätzungen des Statec erst in einem Jahr fällig wird.

Die LSAP-Abgeordnete Vera Spautz, die in der ihr zugestellten Zusammenfassung des Koalitionsabkommens „eine Aussage zum Index“ vermisst hatte, war auf ihrem außerordentlichen Parteitag vor zwei Wochen von Vizepremier Jean Asselborn belehrt worden, dass der Index gar nicht im Koali­tionsabkom­men aufzutauchen brauche. Denn wenn das Tripartite­gesetz Ende des Jahres auslaufe, träte das alte Indexgesetz wieder in seiner ursprünglichen Form in Kraft.Das stimmt allerdings so nicht ganz. Zum einen bestätigte Premier Jean-Claude Juncker am Mittwoch vor dem Parlament, dass auch nach Auslaufen des Tripartiteabkommens die Familienzulagen nicht wieder an den Index angepasst werden. Und zum anderen zeigt das diese Woche veröffentlichte Regierungsprogramm, dass der Index doch noch im Koali­tionsabkommen vorkommt, wenn auch etwas verklausuliert.

Denn die 1984 von CSV und LSAP vorgenommene Reform des Indexgesetzes, mit der die automatischen Indexanpassungen  seinerzeit wieder eingeführt wurden, erlaubt seither, die Zahl und die Höhe der Indextranchen zeitweise zu manipulieren, wenn „die wirtschaftliche und soziale Lage sich verschlimmert“. Eine Verschlimmerung der wirtschaftlichen und sozialen Lage wird mittels Schwellenwerten von neun Indikatoren festgestellt, die durch ein großherzogliches Reglement von 1985 bestimmt wurden.

Genau diese Indikatoren sollen nun durch einen „tableau de bord ‚compétitivité’“ ersetzt werden, um unter anderem der Europäischen Währungsunion, der Luxemburger Dienstleistungswirtschaft und der Ausstattung des Statec mit Computern besser Rechnung zu tragen. Doch das neue Armaturenbrett zur Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Produktionsstandorts dürfte auch sanft den Funktionswandel des Index fortsetzen.

Ursprünglich war der Index als mechanischer Inflationsausgleich für die Löhne, Renten und Familienzulagen gedacht, dessen Kosten die Unternehmen über Preiserhöhungen weiterreichen konnten. Daher die Theorie von der Lohn-Preis-Spirale. Weil aber weder in Zeiten der Hochkonjunktur, noch der Krise die ersatzlose Abschaffung des Index politisch durchsetzbar scheint, ist er spätestens seit dem Durchbruch der Tripartite von 2006 dabei, ein Instrument des Standortwettbewerbs zu werden. So wird der Index vielleicht zu einer Chiffre für von der Konjunktur abhängige Nominallohnerhöhungen, die in der Tripartite branchenübergreifend ausgehandelt werden und so zu einer nationalen Einkommenspolitik führen. Welche, bei allen Vorlieben für die Abschaffung, für Indexhöchsttranchen und andere Reformvorschläge, von den Unternehmern mit Sympathie gesehen würde und von den Gewerkschaften bisher immer abgelehnt wurde.  

Romain Hilgert
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