Luxair

Plötzlich prima?

d'Lëtzebuerger Land du 23.05.2014

Paul Helminger, Verwaltungsratsvorsitzender der Luxair Group, war am Montag sehr stolz auf die Ergebnisse der nationalen Fluggesellschaft. Die hat vergangenes Jahr mit einem Nettoergebnis von 1,9 Millionen Euro abgeschlossen. Im Jahr zuvor hatte die Firmengruppe, zu der die Fluglinie Luxair, der Pauschalreise-Anbieter Luxair Tours, die Frachtabwicklungssparte Luxair Cargo und die Dienstleistungssparte Luxair Services gehören, einen Verlust von 10,5 Millionen verbucht, den ersten in der gesamten Firmengeschichte. Im Budget für 2013 hatte die Firmenleitung mit einem Nettoverlust von 15,3 Millionen Euro gerechnet und liegt mit dem tatsächlichen Ergebnis 17,2 Millionen Euro über Plan. Das ist allerdings längst kein Grund zum Jubeln. Der Linienflugbetrieb bleibt nach wie vor stark defizitär, und die Erträge im Frachtgeschäft liegen weiterhin unter dem historischem Schnitt.

So ist die eigentliche positive Neuigkeit vielleicht eher die, dass sich in der Firmenleitung ein gewisser Sinneswandel abzeichnet. Sätze wie „die Billigflieger haben den Markt ja auch ein wenig stimuliert“, wie ihn CEO Adrien Ney diese Woche sagte, hätte man vor einem Jahr so noch nicht erwartet. Angesichts veränderter konjunktureller Vorgaben und zunehmendem Konkurrenzdruck scheint die Luxair-Spitze ihre Schockstarre ein wenig abzuschütteln. Von „agressivem Marketing“ spricht Adrien Ney dieser Tage, das seine Wirkung zeige. Und von merklichen Anpassungen in der Preispolitik, mit denen Kunden zurück gelockt werden sollen, statt dass wie früher händeringend und achselzuckend erklärt wird, gegen die Billigkonkurrenz könne man ohnehin nichts ausrichten. Statt vor allem darüber zu klagen, dass man kaum noch teure Tickets verkauft und deshalb mit spärlich besetzten Flugzeugen fliegt, scheint man nun doch lieber zwecks Kostendeckung die Reihen zu füllen, indem mehr billige Tickets verkauft werden. Eine Einsicht, zu der man sich in der Luxair-Chefetage nur widerwillig durchgerungen hat. Da herrschte sonst eher die Ansicht vor, mit den Primo-Tickets sei ohnehin kein Geld zu verdienen.

Dabei ist das im Vergleich zu 2012 verhältnismäßig gute Ergebnis auch vielen äußeren Umständen geschuldet, die außerhalb des Wirkungsbereichs der Firmenleitung liegen. Wie eine höhere Nachfrage sowohl im Passagiergeschäft – die terminlich gut mit der Lieferung größerer und effizienterer Flugzeuge zusammenfiel – als auch im Frachtbereich. Welche eigenen Anstrengungen die Firma unternommen hat, bleibt trotz Dank an die Mitarbeiter etwas vage. Denn obwohl die Firmenleitung vom Beratungsunternehmen Roland Berger 2012 eine strategische Analyse vornehmen und Verbesserungsvorschläge ausarbeiten ließ, blieb sie bei der Vorstellung der Ergebnisse verdächtig still im Bezug auf diese Vorgaben. Vielleicht weil davon bisher kaum etwas umgesetzt ist? Dass das Liniengeschäft jemals wieder profitabel wird, glaubt Adrien Ney ohnehin nicht. Mit einer „roten Null“ wäre er schon zufrieden, sagt er. Darunter versteht er einen Verlust von zwei bis drei Millionen Euro jährlich.

Das schlechte Ergebnis von 2012 war vor allem auf das katastrophale Resultat im Linienflugbetrieb zurückzuführen, wo das Defizit damals fast 20 Millionen Euro betrug. Umso spektakulärer erscheint die 2013 vollzogene Wende. Der Verlust von zwölf Millionen Euro ist deutlich kleiner als das im Budget veranschlagte Ergebnis von 18,6 Millionen Euro. Dass es im Liniengeschäft endlich wieder berauf geht, nachdem die Ergebnisse seit 2007 – der Anteil der lukrativen High-Yield-Kundschaft ist seither von 37 auf 14 Prozent gefallen – immer nur schlechter wurden, führt Adrien Ney insbesondere auf die Entscheidung für den Flugzeugtypen Bombardier Q-400 zurück, mit dem in der Linienflotte die kleineren und treibstoffintensiveren Embrear-Jets schrittweise ersetzt wurden. „Das war eine richtige Entscheidung, einer der Schlüsselfaktoren“, so Ney. Die Q-400 mit 76 Sitzplätzen, erklärt er, fliege zu fast identischen Kosten wie die ersetzten Embrear mit nur 49 Sitzen. So konnte das Angebot an vergleichsweise billigen Tickets gesteigert werden. „Der große Zuwachs hat im Primo-Bereich stattgefunden“, sagt Ney. Binnen vier Jahren stieg die Zahl der verkauften Primo-Tickets von 380 000 auf 395 000. Dieses Jahr, fügt er hinzu, könnten es 430 000 werden, ein Plus von zwölf Prozent. Wesentlich sei dabei die „sehr intelligente Yield-Steuerung“, so Ney. Soll heißen: Die Steigerung bei den Verkaufszahlen im Primo-Segment hat nicht dazu geführt, dass es allzu große Verschiebungen zwischen den Kundensegmenten insgesamt gegeben hat. So stieg der Ertrag der Airline vergangenes Jahr um sechs Prozent. Dass Primo nun prima ist und die Q-400 der Schlüsselfaktor zum Erfolg, kann ein wenig überraschen, denn vor einem Jahr hieß es noch: „Bei 70 Sitzen kann man keine 40 Primo-Tickets anbieten“, (d’Land, 19.05.2013). Da galten die Flugzeug als zu klein, um überhaupt einen Ausbau im unteren Preissegment angehen zu können.

„Ich glaube nicht, dass wir im High-Yield-Segment jemals wieder auf das Niveau von vor fünf, sechs Jahren zurückfinden“, sagt Ney nun. „Aber wichtig ist, dass der Ertrag insgesamt steigt, und das Volumen ist explodiert.“ Luxair hat im Linienfluggeschäft vergangenes Jahr 910 000 Passagiere transportiert und peilt für 2014 die Millionen-Grenze an. Auch vor der Billig-Konkurrenz hat Luxair mittlerweile deutlich weniger Angst. „Unter 99 Euro pro Ticket ist, wenn Sie alles zusammenrechnen, auch bei den Low-Cost-Anbietern nichts mehr zu finden“, fügt er hinzu. „Gegen die Billigflieger kann man sich nur wehren, indem man die Frequenzen erhöht.“ Das hat Luxair gemacht, fliegt sechsmal täglich nach London-City und zurück, dreimal täglich nach Genf und Mailand. Dies sind die drei ertragreichsten Routen von Luxair, wobei die Firma auf der Mailand-Route in Konkurrenz zu Easy-Jet steht, und Darwin Airline auf der Genf-Route mit einem kurzen Gastspiel die Preise kaputt machte, die sich auch nach ihrem Rückzug nicht wieder erholt haben.

Luxair Luxembourg Airlines hat den Umsatz vergangenes Jahr um 9,45 Millionen Euro auf 135 Millionen gesteigert. Doch Roland Berger hatte seinerseits in der im März 2013 vorgelegten Analyse gemeint, damit die Airline 2015 wieder ein finanzielles Gleichgewicht erreiche, müssten 25 Millionen Euro jährlich eingespart werden, davon 19 Millionen Euro beim Personal. Dazu schwiegen sich die Luxair-Verantwortlichen diese Woche aus. Aber nur dann, hatte Roland Berger geschlussfolgert, könne sich Luxair überhaupt eine Flottenerneuerung erlauben, durch die sie ihr Überleben sichern könnte. Im September oder Oktober will der Vorstand dem Verwaltungsrat eine erste Präsentation vorlegen, zum möglichen Flottenumbau und neuen Flugzeugtypen, die dafür in Frage kommen könnten. Ob mit einer Entscheidung vor 2017 aber überhaupt zu rechnen ist, ist fraglich. Denn der einzige neue Flugzeugtyp in der anvisierten Größe – um die 100 Sitzplätze –, der bis dahin lieferbar sein soll, ist die Bombardier C-Serie, die Ende 2015 an die Erstkunden ausgehändigt werden soll. „Ich kaufe kein Flugzeug, das sich nicht mindestens zwei Jahre im kommerziellen Betrieb bewährt hat“, bekräftigt Adrien Ney überdies, so dass es mit der Flotten­erneuerung noch ein bisschen dauern kann.

Wie wichtig allerdings das richtige Flugzeug ist, zeigt die Entwicklung beim Tour-Operateur Luxair Tours, der vergangenes Jahr neue Rekordzahlen schrieb: 549 000 Passagiere – davon eine steigende Zahl derer, die nur den Flug ohne das Hotel buchen – und ein Gewinn von 9,4 Millionen Euro statt der im Budget veranschlagten 6,7 Millionen Euro. Dieser wundersamen Gewinnvermehrung liege, so heißt es im Jahresbericht, eine „spektakuläre Rentabilitätssteigerung“ zugrunde. Das obwohl die Kapazitäten um nur zwei Prozent stiegen und die Passagierzahlen angesichts der Rekordmeldung um vergleichsweie moderate vier Prozent. Aber allein der Einsatz der vergangenes Jahr gelieferten Boeing 737-800 statt der kleineren 737-700, die sie ersetze, schlage jährlich mit einem positiven Beitrag von 1,5 bis 1,8 Millionen Euro zu Buche, erklärt Ney: „Weil die Kosten pro Sitz um vieles niedriger sind.“ Im kommenden Januar wird Luxair Tours eine weitere 737-800 in Empfang nehmen, theoretisch stünde dann wieder eine 700 zum Verkauf. Doch wie genau die Flotte 2015 zusammengesetzt sein wird, weiß Ney jetzt noch nicht zu sagen. Gerne würde Luxair noch eine 737-800 kaufen, doch beim Konstrukteur sind alle Slots auf Jahre ausgebucht, solange, bis eine neue Generation in Produktion gehen wird. 1

Dass die Frachtabwicklungssparte Luxair Cargo nach dem Verlust von 3,4 Millionen Euro 2012 vergangenes Jahr wieder einen Gewinn von 1,7 Millionen Euro verbuchen konnte, führen die Verantwortlichen der Luxair vor allem auf die Steigerung des Frachtvolumens bei der Cargolux zurück. Doch während Cargolux die Tonnage um 17 Prozent gesteigert hat, betrug der Zuwachs im Cargo Center nur neun Prozent. Mit 693 000 Tonnen wurden damit knapp 20 000 Tonnen mehr abgewickelt als im Krisenjahr 2009. Kunden verloren habe man im vergangenen Jahr keine, unterstreicht Ney. Hinter den Erfolgen der Vergangenheit hängt die Frachtsparte von Luxair immer noch weit zurück: 2007 hatte Luxair Cargo fast 900 000 Tonnen umgeschlagen und einen Gewinn von 14,2 Millionen Euro erzielt. Obwohl die Kapazitäten von 1,1 bis 1,2 Millionen Tonnen Fracht jährlich in Findel umgeschlagen werden können, längst nicht ausgelastet sind, überlegt man bei Luxair, das Frachtzentrum auszubauen. Kurzfristig würden zusätzlich zu den bestehenden acht Parkplätzen für Jumbo-Frachter zwei weitere gebraucht, erklärt Ney. Darüber hinaus, geht es auch um das Frachtzentrum selbst: „Wenn das Volumen weiter wächst wie jetzt, brauchen wir in drei bis vier Jahren eine Erweiterung“, so der CEO.

Dass die Passagierzahlen am Flughafen Findel steigen, unter anderem durch die Präsenz der Billigflieger, davon profitiert auch Luxair. Lux Airport feierte vergangenes Jahr den neuen Rekord von mehr als zwei Millionen Passagieren, Passagiere, die von Luxair als einzigem Handling-Agent vor Ort abgefertigt werden. Der Zuwachs an Reisenden führt auch zu Umsatzsteigerungen in den Flughafen-Boutiquen, deren Betreiber ebenfalls Luxair ist. So konnte Luxair Services 2013 einen operativen Gewinn von 2,8 Millionen verbuchen – mehr als die Frachtsparte.

1 Die Luxair-Flotte setzte sich Ende 2013 zusammen aus: sechs Embraer ERJ-145, drei 737-700, zwei 737-800, davon eine im Leasing, und sechs Q-400.
Michèle Sinner
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