Exki

Zopp an z'iessen

d'Lëtzebuerger Land vom 27.03.2008

Anfang April feiert ein neues Konzept im Luxemburger Gastronomiegewerbe Einstand. Exki heißt es und kommt aus Belgien. Das erste Restaurant einer neuen Gattung, dem weitere folgen könnten: gesundes, ja biologisches Fastfood. Ein Widerspruch in sich, oder ein Zeichen dafür, dass die Nachfrage nach gesundem Essen aus kontrollierter Herkunft auch die breite Masse erreicht, sich nicht mehr auf Grüne und Ökos reduziert, oder dass die Gastronomie endlich auf eine solche Nachfrage reagiert? Im Ausland gibt es schon seit vielen Jahren Bestrebungen in diese Richtung. Firmen wie die britische Pret à Manger erkannten bereits in den Neunzigern die steigende Nachfrage der Konsumenten nach frischen Esswaren. Dass die Marke mit dem höchsten internationalen Bekanntheitsgrad ausgerechnet in Großbritannien entstand, ist kein Zufall, sondern die Folge der Lebensmittelskandale der vergangenen Dekade: Rinderwahn, Dioxin, etc. Das ängstigte alle Konsumenten, nicht nur die eingefleischten Ökos.

Was tun in einem Land, in dem vielen ein Eier-Mayonnaise-Sandwich mit einer Kartoffelchips-Beilage als vollwertiges Mittagessen gilt? Frisch zubereitete Vollkornsandwiches, ohne Konservierungsstoffe und dazu Biochips verkaufen, könnte die Antwort lauten. Dazu Salate zum Mitnehmen und frische Säfte. Denn die Veränderung der Essgewohnheiten, die sich über die vergangenen Jahre vollzogen hat, hin zum schnellen Happen, der oft auch im Stehen runtergeschluckt wird, ist zumindest bei der arbeitenden Bevölkerung, die in der Mittagspause nicht zu Hause isst, nicht mehr rückgängig zu machen. Laut einer Studie von Euromonitor International ist der Fastfood-Markt im Nachbarland Belgien im vergangenen Jahr um sieben Prozent gewachsen. Dass auch die traditionellen Fastfood-Ketten wie McDonalds auf das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Kunden reagieren müssen, zeigen nicht zuletzt die vielen Werbespots, in denen Supermodel Heidi Klum dort knackigen Salat und fettarme Hühnchengerichte bestellt. 

Exki hat sein erstes Luxemburger Restaurant im Büroviertel Kirchberg eröffnet, eben dort, wo es von Büroangestellten mit wenig Zeit fürs Mittagessen nur so wimmelt. Dort können sie Sandwiches aus Biobrot kaufen, Gemüsequiche oder Spinatlasagne, grünen Salat mit Krebsen und Quinoa, frische Suppen, die klein gehackte Petersilie zum Garnieren steht gleich neben den Suppenbechern. Wer an Ort und Stelle isst, kann sich zum Nachtisch eine tarte artisanale zum Beispiel Zitronenbaiser und einen Fairtrade-Kaffee gönnen. Einen Hamburger und Pommes wird man hier vergeblich suchen. Pöbelnde Teenager auch. Mit dem neuen Konzept sollen eher 20- bis 35-jährige angesprochen werden, mit guter Ausbildung, um ihre Gesundheit besorgt, berufstätig, erklärt Pierre Scholer von Happy Natural Foods, die Exki nach Luxemburg gebracht hat. Dazu passt auch die Innenaustattung aus viel Holz; das Konzept ähnelt dem der amerikanischen Kaffeekette Starbucks. Angestellte in Jeans und Turnschuhen inklusive, die nach Studenten aussehen, die hier nur hinzuverdienen und vom Ausbildungsgrad her den Kunden gleichgestellt sind. Gut verdienen müssen die Kunden allerdings auch. Wer sich ein Menü aus einer Wohlfühl-Limo, Gemüselasagne, Fruchttörtchen und Espresso zusammenstellt, muss dafür um die 14 Euro zahlen. Nicht ganz billig. Doch Scholer beteuert: „Im Durchschnitt gibt der Kunde bei Exki unter zehn Euro aus. Das ist ebensoviel wie bei McDonalds oder Quick.“

Er muss es wissen, denn die Familie Scholer, welche die Exklusivrechte der Franchise fürs Großherzogtum erworben hat, kennt sich aus. Zu ihrem Fastfood-Imperium Happy Snacks gehören auch die Marken Pizza Hut und Chi-Chi’s, bis Januar 2008 auch die Quick-Restaurants. Die haben sie kurz vor Eröffnung des ersten gesunden Schnellrestaurants and die Quick-Gruppe verkauft. „Eine strategische Entscheidung,“ sagt Scholer, das Unternehmen solle neu aufgestellt werden. So denkt man auch über den Verkauf des mexikanischen Restaurants nach. „Wir sind auf der Suche“ nach neuen Marken, sagt der Firmenleiter. Dass das traditionelle Hamburger-Imbissgeschäft nicht mehr so gut läuft, will er nicht bestätigen. Doch die Bilanzen von Happy Quick, ehedem Happy Burger, zeigen in den vergangenen Jahren eher stagnierende Gewinne als ansteigende. 

Dabei sind auch Quick und Exki miteinander verwandt. Der gesunde Imbiss wurde von früheren Mitarbeitern der GIB-Gruppe gegründet, der ehemaligen Besitzerin der Quick-Marke. Vor sieben Jahren machten sie ihr erstes Exki-Restaurant auf, 24 Verkaufspunkte gibt es mittlerweile, davon 18 in Belgien, einen in Paris, vier in Italien und einen auf dem Kirchberg. Dem wird noch dieses Jahr ein weiterer in der Grand Rue im Stadtzentrum folgen, über ein Lokal im Bahnhofsviertel sei man derzeit noch in Verhandlungen, sagt Scholer. Den Informationen des belgischen Magazins Trends Tendances zufolge machte die belgische Exki-Gruppe vergangenes Jahr bei einem Umsatz von 18 Millionen Euro einen Reingewinn von 134 000 Euro, 2006 habe es noch einen Verlust von 71 000 Euro gegeben. 

Funktioniert das Konzept also? Gibt es auch hierzulande eine steigende Nachfrage nach gesundem Essen? Scholer ist zuversichtlich: „Direkte Konkurrenz gibt es keine.“ Geschmacklich und qualitativ reiche man fast an Feinkostläden heran, die Rezepte für die Gerichte, die in Belgien zubereitet werden und täglich um sechs neu angeliefert werden, hat sich Sternekoch Franck Fol ausgedacht. Doch in Feinkost- und auch in Bäckerläden, die immer öfter auch warmes Essen oder Salate anbieten, gibt es keine Vielzahl von Kassen, der Kunde ist nicht unbedingt innerhalb weniger Minuten bedient. Auch preislich findet er sein neues Restaurant konkurrenzfähig, immerhin sind 40 Prozent der Zutaten aus biologischem Anbau. Von den Erfindern waren ursprünglich 100 Prozent Bio angedacht, doch das, erklärt Scholer, sei einfach zu teuer.

Liegt Exki also vorm Trend, mitten drin oder hinkt hinterher? Über die Luxemburger Gastronomie gibt es wenig detaillierte Informationen. So gibt es keine Daten über die Umsatzentwicklung der Fastfoodbranche. Die Horesca, Verband des Gastrogewerbes, zählt allerdings 24 Restaurants dieser Kategorie zu ihren Mitgliedern. Der Umsatz der Restaurants insgesamt stieg in den 20 Jahren zwischen 1985 und 2005 von rund 103 Millionen Euro auf über 470 Millionen Euro, der von Kantinen und Feinkostgeschäften von fast elf Millionen Euro auf über 100 Millionen Euro. Mehr Leute essen auswärts. Auch hier gibt es keine weiteren Details zur Restaurantkategorie. Jean Schintgen, Generalsekretär der Horesca meint: „Zum Teil kommt dies einer Nachfrage der Kunden nach, andererseits tut sich das Luxemburger Restaurantgewerbe schwer, die großen schweren Gerichte aufzugeben.“ Weswegen vegetarische, vegane, oder solche Restaurants, die mit biologischen Zutaten kochen, eher die Ausnahme sind. 

Kochen die Luxemburger deswegenzu Hause gesünder? Sind sie bereit, mehr Geld für eine gesündere Ernährung auszugeben? Auch hier geben die Statistiken wenig Aufschluss, über generelle Daten darüber, wie viel Geld die Konsumenten für welche Art von Lebensmitteln ausgeben, verfügt das statistische Amt nicht. Bei der Supermarktkette Cactus allerdings, die Anfang des Jahres eine neue Kampagne gestartet hat, um all ihr nachhaltiges Engagement wie Bio- und Transfairprodukte, solche aus regionalem Anbau – eigentlich ziemlich verschiedene Dinge – unter dem Slogan Natirlech Cactus zusammenzufassen, ist der Umsatz von biologischen Produkten von 2006 auf 2007 um 20 Prozent gestiegen, sagt Marc Hoffmann von Cactus Marketing. Dabei findet auch er keine wirkliche Erklärung für diesen Trend. Ein Teil dieser positiven Entwicklung sei wohl darauf zurückzuführen, dass in den großen Supermärkten die Bioprodukte nun an einen einzigen Ort zu finden seien, es also einen Biomarkt im Supermarkt gibt, so dass die Kunden sich einfacher zurecht finden.

Hoffmann hebt hervor, dass Cactus mittlerweile 1 800 biologische Produkte anbietet. „Das Angebot soll auf jeden Fall weiter ausgebaut werden.“ Ob der Supermarktbetreiber damit einer dringenden Nachfrage der Kunden nachkommt, ist unklar. Zum Teil müssten die Produkte von Cactus selbst schwer beworben werden, damit sie Absatz fänden. Was nichts mit der Qualität der Produkte zu tun hat, sondern damit, dass die nicht-biologische Konkurrenz im deutschen und französischen Fernsehen große Budgets darauf verwendet, ihre Produkte ins rechte Licht zu rücken. Das wirkt auch auf die Luxemburger Verbraucher. 

Dass die höheren Preise die positive Entwicklung der Bio-Verkaufszahlen bremsen könnten, das sieht er nicht so. Er bestreitet, dass regional hergestellte oder biologische Produkte in der Regel teurer sind. Allerdings gibt er zu, dass sich unter den Verbrauchern eine Schere auftut zwischen denen, die nach hochwertigen Waren verlangen und denen, die angesichts der drückenden Inflation auch und vor allem im Bereich der Lebensmittel einfach nur das billigste Produkt haben wollen. Ist das Ausweiten der Bioproduktpalette bei Cactus also eher als Teil der Firmenstrategie und als Teil des Bildes zu sehen, welches das Unternehmen von sich selbst zeichnen möchte – Luxemburger Firma, sozial verantwortungsvoll, umweltbewusst und daher mit Produkten möglichst aus regionaler Herkunft – ist dies bei weitem nicht die einzige nicht-biologische Supermarktkette, die Bio im Angebot hat. Auch die Konkurrenten von Delhaize haben viel Biogemüse und Biomilchprodukte im Angebot. Anders als Cactus setzt Delhaize dabei nicht auf den möglichst lokalen Ursprung der Lebensmittel. Beim Blick aufs Etikett, vor allem der bereitszubereiteten Gerichte, verrät die minutiöse Auflistung aller Zutaten, auf welchen neuen Trend sich Delhaize vorbereitet: Leidet in Großbritannien fast jeder moderne Mensch unter food intolerances – wobei es sich nicht unbedingt um vom Arzt festgestellte Allergien handelt – gibt es auch hier immer mehr Menschen, die auf bestimmte Lebensmittel oder Zutaten bewusst verzichten. Dazu gesellen sich die tatsächlich Kranken, die auf Zucker, Salz oder Gluten aufpassen müssen. Für alle anderen, die sich darum nicht sorgen, investiert Quick noch in diesem Jahr in die Modernisierung der sechs Hamburger-Restaurants, welche die Gruppe der Familie Scholer abgekauft hat. 

Michèle Sinner
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