Katow, Paul: Einsame Jäger

Thriller mit Happy-End?

d'Lëtzebuerger Land vom 27.02.2003

Paul Katows soeben erschienener, neuester Roman Einsame Jäger situiert seine Hauptgeschehnisse ins Jahr 1952 und baut die Ereignisse als Fortsetzung von früheren Verflechtungen auf, um am Ende in einer persönlichen Lebenserkenntnis der Hauptfigur zu münden. Diese Erkenntnis jedoch behält Boris Sabrodin für sich. Der Leser erfährt nur, dass der Protagonist am Ende wohl mit "Etwas" abschließt, eine Lehre, einen Schlußstrich unter eine bittere Lebenserfahrung zieht, aus der er während dem ganzen Schreckensgeschehen, welches das Buch durchzieht, meinte, nie mehr heraus zu kommen, da sich alles Schlechte ja offensichtlich immer wiederhole. 

Ein Thriller mit Happy-End demnach? Nicht ganz, allein schon wegen der nüchternen Prosa und dem vermeintlichen Fehlen jeglicher emotionaler Tiefe. Kein Barock, aber umso mehr Klassik. Auch die Kapitel sind mit den Tempi-Bezeichnungen aus der klassischen Musik betitelt. Auf diese Weise stellt Paul Katow die Stimmung des Geschehens dar. Es ist wie Filmmusik, die man nicht hört, sich aber dennoch vorstellen kann, in welcher "Nuance" die 26 Szenen ablaufen. 

Allegro maestoso e misterioso beschreibt die globale Situation auf der Welt im Jahre 1952. Erwähnt werden der Korea-Krieg, der Kalte Krieg, die Kommunistenverfolgung in den USA unter McCarthy, der Militärputsch in Ägypten. Das erste Kunstherz wird eingesetzt, in Dänemark vollzieht sich die erste Transsexuellenoperation usw. In Hollywood: Grace Kelly und Gary Cooper. Sehr viel Spannung liegt in der Konstruktion der Geschichte sowie in der Erarbeitung der jeweils für die einzelnen Szenen benötigten Vorkenntnisse. Langsam, aber sicher führt der Autor uns in die Tragödie des russischen Studiomusikers Boris Sabrodin ein, der mit Hilfe von Ex-Nazis angefertigten falschen Papieren in Amerika lebt, und in L.A. in der Filmbranche als Musiker arbeitet. 

Paul Katow, seines Zeichens Auslandsredakteur im Luxemburger Wort, Musikjournalist und Autor zahlreicher Erzählungen, z.B. über klassische Komponisten während der NS-Zeit, beschreibt in detaillierter Form im Allegro tranquillo das Berufsleben der Musiker in Hollywood. Man erfährt eine ganze Menge, vor allem auch über den Stolz und die Dankbarkeit der Musiker, die einen solchen Job bekamen und nun für die Agenturen von Angebot zu Angebot arbeiten. Boris ist vor den Kommunistenverfolgern weggelaufen, die ihr Unwesen auch nach dem Krieg treiben (ehemalige SS-Leute, die nicht gefasst wurden und nun Drogenhandel betreiben). 

Das Subito presto lässt den Mord geschehen, in den Katow seine Figuren hineinversetzt. Es gibt un-terschiedliche Ebenen im Roman, die in der Konstruktion der Verflechtungen ebenbürtig behandelt werden. Der Autor verbindet seine vier kleinen Romanhelden über das gemeinsame Motiv des Jagens bzw. des Gejagtwerdens. Der Leser erlebt die einzelnen Szenen, in denen die Protagonisten sich zunächst als Gejagte bekennen: Rebecca, eine Arbeitskollegin und Freundin von Boris, schildert im Largo e mesto alla marcia funebre - Agitato ihre KZ-Erlebnisse. 

Dana, der zunächst Gesang und Schauspiel studiert hat, schildert seinen Werdegang zum Polizei-Leutnant im Kapitel Allegro agitato - Allegretto scherzando. Auf clevere, vielleicht künstlerische Weise wird er den Mordfall lösen. Im Allegro fuocoso beschreibt das ehemalige Waisenkind und jetzige Lokalreporterin Marcy ihren mühsamen Weg nach oben. Boris verliebt sich in sie. Das Largo - Presto - Alla marcia funebre enthüllt den Lebensblues von Boris Sabrodin, der im Grunde immer nur friedlich leben wollte und dessen Glückserfüllung ständig verhindert wird. 

Auf der anderen Seite haben wir natürlich die Gangster, die keinem unschuldigen Lebensglück nachjagen, sondern ihren kriminellen Zielen. Die vier Hauptpersonen erleben eine Verwandlung im Roman. Marcy jagt einer Story nach, unvorsichtig, und stirbt dabei. Dana macht die Erfahrung einer tiefen Freundschaft, obwohl er am Ende auf diese Freundschaft verzichten muss. Rebecca möchte endlich neu anfangen, allein weggehen, und findet sich am Ende mit auf einem Schiff nach London wieder - mit Boris, der sie liebt wie ein Bruder seine Schwester. Arme Rebecca!

Paul Katow: Einsame Jäger. Im Eigenverlag erschienen, produziert bei der Book on Demand GmbH, Norderstedt, vertrieben durch libri.de, in Luxemburg zum Preis von 15 Euro im Handel erhältlich. 210 Seiten, ISBN: 3-8311-4720-5

Carmen Heyar
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