Kommentar

Mama Naskandy

d'Lëtzebuerger Land vom 14.04.2011

Luc Spada wettert gern gegen das Establishment und die Vormachtstellung von „Platzhirschen“ im Literaturbetrieb, die sich hin und wieder anschicken, ihm vorzurechnen, was er angeblich alles falsch macht. Dabei hat er – das müssen ihm selbst seine nicht so wohlgesinnten Kritiker zugute halten –, es innerhalb von wenigen Jahren geschafft, sich als feste Größe der Luxemburgischen Literaturszene zu etablieren. Seinen Erfolg verdankt er sicher nicht zuletzt einer beeindruckenden Umtriebigkeit und einer Vielzahl von Projekten, mit denen er vor allem (aber nicht nur) ein junges Publikum anzieht: Poetry Slams, Gedichte, ein gepflegter Internetauftritt samt Blog, Theater.

Der letzte Coup: Ein Schauspiel namens Kreisverkehr aus der Feder einer gewissen „Sophie Beck“, in dem er, zusammen mit Isabelle Koob, die Hauptrolle übernommen hatte (d’Land 13/11). Das Stück handelt von zwei jugendlichen dramatis personae, „Junge“ und „Mädchen“, die sich, mehr aus Langeweile denn aus Verzweiflung, das Leben nehmen möchten, den Selbstmord aber nicht zuwege bringen, weil ihnen die Autorin des Stücks, also „Sophie Beck“, dabei ins Gehege kommt.

Koob und Spada standen schon in Spadas 2009 uraufgeführtem Stück Stirb für mich zusammen auf der Bühne. Da hätte es eigentlich kaum mehr als der Frage bedurft, wie die nicht einmal sehr subtilen Verweise auf das ältere Stück in das neuere hineingeraten sein konnten, wo es sich doch bei „Sophie Beck“ um eine 1983 geborene schwedische Schriftstellerin handeln sollte, auf deren Stück die Regisseurin Elisabeth Werdermann in Stockholm gestoßen sein wollte1. Obwohl die beiden Stücke inhaltlich unabhängig voneinander bestehen, wird dem Zuschauer eine Verbindung doch geradezu mit dem Holzhammer eingebläut: „Wir reden nicht von der Liebe, die Liebe zwischen ihr und mir,“ sagt „Junge“ in Kreisverkehr, „wir reden nicht von dieser kitschigen sentimentalen ‚Stirb-für-mich-Liebe‘.“ Solche Sätze müssten natürlich nicht von Anfang an im Text gestanden haben. Sie ließen sich selbstredend nachträglich einführen. In diesem Fall ist aber die einfache Erklärung die zutreffende: Hinter dem Namen „Sophie Beck“ verbirgt sich in Wahrheit Luc Spada.

Es will also ganz so scheinen, als habe es die durchtriebene Tania Naskandy, Schreckgespenst der einheimischen Feuilletons vom letzten Jahr, zu literarischem Nachwuchs gebracht. Das ist in der Tat eine Überraschung. Grassiert da etwa eine Identitätskrise unter den Luxemburger Autoren, eine Art ­poetologisches Doubtfire-Syndrom? Warum nur wollen sie keine Männer mehr sein?

Dass er sich einen Frauennamen als Pseudonym ausgewählt hat, sei eigentlich nicht von besonderer Bedeutung, meint Spada. Dass man einen Zusammenhang zu Guy Rewenig herstellen könnte, verblüfft ihn selbst. Er habe von der Demaskierung Tania Naskandys erst nachträglich erfahren; auch sei Kreisverkehr Teil einer Trilogie, die schon mit dem ersten Stück angedacht gewesen sei. Den Abschluss in dieser Stückefolge solle nächstes Frühjahr ein Drama machen, das zurzeit noch den Arbeitstitel Wer, zum Teufel, ist Sophie Beck? trägt, und bei dem er selbst Regie führen wird. Wie genau die drei Stücke zusammenhängen, werde erst mit diesem dritten Stück deutlich. Mit dem weiblichen Pseu­do­nym habe er lediglich eine Autor­identität herzustellen versucht, die möglichst das Gegenteil von ihm selbst darstellen sollte, etwas, was nicht er sei.

Aber hätte er nicht die gleiche dramaturgische Wirkung erzielt, wenn das Stück unter seinem Namen aufgeführt worden wäre, wenn die Figuren sich eben über ihre Abhängigkeit von „Luc“ erbost hätten, statt über die von „Sophie“? Nein, sagt Spada, durch die Verwendung des falschen Namens ergebe sich ein anderer Effekt. Er habe einerseits versucht, sich den Text für das eigene Spiel so weit wie möglich vom Leib zu halten, und es andererseits darauf angelegt, die Deutung des Stücks durch das Publikum von seiner Biographie abzugrenzen. Man dürfe den Autor Luc Spada nicht mit der Person Luc Spada verwechseln. Nur die Verwendung eines unbesetzten Namens erlaube einen unverstellten Blick auf den Text.

Auf die Frage, inwiefern die Verwendung eines Pseudonyms eine Anreicherung seiner eigenen Autor­identität bedeutet, lässt er sich folglich nicht ein. Derartige theoretische Diskurse sind seine Sache nicht. „Als Autor will man stören“, sagt er, „ein wenig anecken“. Identitätsfragen berührten ihn nicht, vielmehr gehe es ihm darum, Geschichten zu erzählen und natürlich auch, Spaß dabei zu haben. Er sei ja noch jung und wolle noch einige Dinge ausprobieren. Allerdings, das muss er dann doch zugeben: „Ich störe gern.“

1 Vgl. http://www.tageblatt.lu/kultur/story/---Welche-Frau-passt-zu-welchem-Wein-----14597731 am 13. 04. 2011 (Artikel vom 26. 03. 2011).
Elise Schmit
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