Meinung: Landeskongress der Piratepartei

Nischen-Piraten

d'Lëtzebuerger Land vom 31.05.2013

Netzneutralität, mehr Transparenz und demokratische Beteiligung an politischen Entscheidungsfidnungen sind Kernpunkte des neues Parteiprogramms für die Wahlen 2014, über das die Piratepartei am vergangenen Sonntag auf ihrem Landeskongress in Eppeldorf beraten hat. Luxemburg brauche „einen Reboot“, einen Neustart, lautete im Jargon der Computerfreunde das Kongressmotto. Die Stimmung der Teilnehmer war optimistisch, wohl auch weil Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsunternehmens TNS Ilres vom Dezember 2012 der jungen Partei Aufwind bescheinigten: Rund 3,8 Prozent der Befragten waren demnach bereit, die Netzpartei zu wählen. Rechnete man die Wähler heraus, die noch unentschieden waren, waren es sogar 4,6 Prozent. Ein Jahr zuvor lag die Quote bei rund drei Prozent.

Ob den Luxemburger Piraten tatsächlich ein ähnlicher Sensationssieg gelingt wie seinerzeit den deutschen Kollegen, die bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses als Überraschungssieger mit mehr als acht Prozent recht locker die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen, ist allerdings überhaupt nicht sicher.

Der Piratenpartei ist es zwar gelungen, wie keine andere Partei in Luxemburg, Aufmerksamkeit auf bislang unterrepräsentierte Themen wie die Netzfreiheit, den Datenschutz oder Urheberrechtsfragen zu lenken. Es war Piraten in Schweden und Deutschland zu verdanken, aber auch in Luxemburg, sowie Anonymous-Gruppen weltweit, dass das viel kritisierte Anti-Piraterie-Abkommen Acta der Europäischen Union auf Eis gelegt wurde. Keine Frage, die Luxemburger Piraten setzen sich nachdrücklich für Transparenz ein, ihre Diskussionen sind im Netz abrufbar, Transparenzinitiativen wie politikercheck.lu, StaatsBudget.lu oder auch srel.lu gehen allesamt auf Mitglieder der Piraten zurück. Die Piraten waren auch die ersten, die einen Gegenvorschlag zum vom Premierminister jahrelang verschleppten und nun doch vorgelegten umstrittenen Gesetzentwurf über den Zugang zu öffentlichen Informationen vorlegten.

Doch mit Netz- und Transparenzthemen allein lassen sich keine Wahlen gewinnen. Jedenfalls nicht dauerhaft. Nicht umsonst feierten die deutschen Piraten ihre größten Erfolge in Städten wie Berlin oder Stuttgart. Dort leben viele Studenten und ist die Kreativindustrie ein wichtiges Standbein. Teils aus Frust gegenüber den etablierten Parteien machten viele ihr Kreuz bei der Netzpartei. Dass zwischen basisdemokratischem Anspruch und der Wirklichkeit in der Politik oft eine breite Lücke klafft, mussten allerdings selbst die erfolgreichen Berliner Piraten erfahren: Nachdem die Partei zunächst mit sexistischen oder so gar den Nationalsozialismus verharmlosenden Äußerungen wochenlang die Schlagzeilen dominierte, verlor sie durch offene Querelen massiv an Zustimmung. In Meinungsumfragen sanken die Werte deutschlandweit von 13 auf zuletzt drei Prozent.

Ob die Luxemburger Piraten 2014 überhaupt die Chance bekommen, aktiv in der Politik mitzumischen, ist es auch deshalb fraglich, weil sich die Mehrheit der Luxemburger Jugendlichen, von einigen Ausnahmen der jüngeren Zeit abgesehen, mit politischem Engagement eher zurückhalt. Auch ihre Beteiligung an Netzinitiativen scheint sich in Grenzen zu halten. Inzwischen haben auch andere Parteien das Netz entdeckt. Es war der Grüne Claude Adam, der im Parlament die Debatte zur Netzneu-tralität anregte, und es ist der Liberale Eugène Berger, der nun den Abschlussbericht verantwortet.

Um andere Bevölkerungsgruppen zu erreichen, werden die Luxemburger Piraten nicht umhin kommen, sich verstärkt auch zu anderen, sozialen und wirtschaftlichen Themen zu positionieren. Das haben sie verstanden, in Eppeldorf verabschiedeten die Mitglieder über 320 inhaltliche Punkte von Arbeitspolitik über Homoehe bis Schulpolitik. Die Piraten sind beispielsweise gegen eine Arbeitspflicht für Arbeitslose, wie sie die schwarz-rote Regierung plant, sie befürworten ein modulares Schulsystem, in dem Technique und Classique zusammengelegt werden, und wollen das in ihrem Wahlprogramm festschreiben.

Um glaubwürdig auch jenseits der Netz- und Protestnische zu punkten, fehlt den Piraten, wie das bei Start-ups eben so ist, aber die Erfahrung und das Know-how. Während Luxemburg verstanden hat, wie wichtig es für die Wirtschaft ist, sich im IT-Bereich für kreative und neue Ideen zu öffnen, gilt dies aber kaum für die Politik: In Krisenzeiten setzen Wähler erfahrungsgemäß verstärkt auf Sicherheit. Zumal die Luxemburger. Auf dem Landeskongress zeigte sich zudem deutlich, wie weit die Partei von einem Großteil der Luxemburger Bevölkerung entfernt ist: Der typische Pirat ist jung, weiß, männlich und stammt aus der Mittelschicht. ik

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