Mutige Rettungsschritte

Her mit dem Vulkan

d'Lëtzebuerger Land vom 29.04.2010

Heute loben wir die mutigen Rettungsschritte. Dem Tourismus in Luxem­burg mangelt es an Kompetitivität. Wir haben zwar viele kleine Attraktionen, doch mit etwas wirklich Weltbewegendem können wir nicht auftrumpfen. Der Schießentümpel in Ehren, natürlich, auch die Kasematten sind für Grufties aus aller Welt ein Lockköder ersten Ranges. Sogar die Gëlle Fra lassen wir gerne gelten als Gleitmittel für die Geschäfte der internationalen Fotoindustrie. Sie wird ja in Shanghai wie wild abgelichtet, berichtet uns Herr Goebbels. Das beweist zwar nur die Kitschanfälligkeit der Chinesen, immerhin ist die Dame ein touristischer Magnet. Aber was uns fehlt, ist der echte Hammer. Ein Vulkan. Was sonst?

Warum sollte nur Island, das ja noch weit weniger Einwohner hat als unser Großherzogtum, die Welt mit vulkanischem Getöse beeindrucken dürfen? Zumal wir mittlerweile wissen, was wirklich hinter der Vulkan-Story steckt. Island, niedergestreckt von der Finanzkrise, völlig ausgeblutet und bar jeder Zukunftshoffnung, wurde ratzfatz zum Discount-Preis von den Chinesen aufgekauft, alles inklusive. Die Chinesen erwarben sich somit auch das Recht, im Vulkankrater ein bengalisches Teufelsfeuer zu entfachen. Das können sie gut, sie haben ja auch dräuende Wolken zerstäubt, um Regengüsse von der Olympiade in Bejing abzuwenden. Die Chinesen sind die Weltmeister der meteorologischen Manipulation. Für sie ist es ein Kinderspiel, mit Hilfe eines Vulkans ein Untergangsszenario vom Stapel zu lassen. Fünf Tage brauchten die Chinesen, um die europäische Wirtschaft quasi in der Luft zu zerreißen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

Jetzt, da unser Staat den Bach runtergeht, weil der große Zauberer Juncker diesmal mit arg lädiertem Zauberstäbchen zu Werk ging, sollten wir uns allen Ernstes überlegen, ob die Chinesen nicht für ein Schnäppchen zu gewinnen wären. Das ganze Großherzogtum, mitsamt der gesamten gottesstaatlichen Apparatur, für ein paar lumpige Milliarden Euro. Wir wären dann zwar eine chinesische Kolonie, aber die Gegenleistung lässt sich sehen: Wir kriegen einen Vulkan. Hoffentlich wird nicht sogleich eine Tripartite einberufen, um über den Standort des Vulkans zu entscheiden. Der große Zauberer wäre imstande, sofort eine Vulkanrentabilisierungssteuer einzufordern, eine Art flächendeckenden Solidaritätsobolus für Aschenwolkennutznießer. Das könn­ten die Gewerkschaften, mit vulkanischem Eifer seit ewig reich gesegnet, sicher nicht zulassen.

Keine Frage: der Tourismus würde hierzulande nachhaltig aufblühen. Das marode Europa produziert immer mehr Masochisten, die ganz gewiss liebend gern in die tröstliche Finsternis unserer Aschenwolke flüchten. Unsere vulkanbedingt ständig verdunkelten Hotels wären auf Jahre ausgebucht. Dunkel ist es ja ohnehin in unserer klerikalen Heimat, das zappendustere Mittelalter haust noch immer in Kirchen und Kapellen. Die Schlussprozession der Muttergottesoktave müsste Slalom laufen zwischen Lavaströmen: ein zutiefst mystisches Spektakel, das Millionen Zuschauer aus den iberischen Ländern anzieht. Vielleicht sollte unser Vulkan gleich ganz zentral, zum Beispiel in der Krypta der Kathedrale, gezündet werden. Immerhin haben die heiligen Herren ja einige Erfahrung mit feurigen Ejakulationen.

Ein Vulkan wäre unsere Rettung. Wir hätten ein kolossales Ding, mit dem wir nicht nur Geld wie Heu machen könnten. Wenn wir die richtigen chinesischen Feuerwerker beschäftigen, sind wir auch in der Lage, mit unserem Vulkan die arroganten, machtbesessenen Nachbarn das Fürchten zu lehren. Die Chinesen, das wissen wir, können nicht nur Regenwolken schachmatt setzen, sie können auch den Wind in jede beliebige Richtung lenken. Wir würden also über ein Instrument verfügen, das in Europa mindestens so gefürchtet wäre wie der große, jähzornige Zauberer Juncker. Je nach Bedarf könnten wir mal Herrn Sarkozy eine besonders wüste Aschenportion schicken, mal Frau Merkels Germanenreich derart verfinstern, dass jede Kavallerie sich bei Nacht und Nebel verkrümeln müsste.

Wir brauchen unbedingt einen Vulkan. Dann sind wir wieder wer. An der uni.lu könnte sofort ein neuer Master angeboten werden: Eruptionstechnologie. Wir wären alle am Ende so eruptiv wie nie zuvor. Das wäre nicht nur für unseren Tourismussektor güns­tig. Wir müssen ja nicht gleich an die große Glocke hängen, dass uns die Chinesen den Vulkan geschenkt und uns dafür in die Tasche gesteckt haben. Wir sollten weiter so tun, als seien wir ein unabhängiger Staat. Ein souveräner Vulkanbetreiber. Den Chinesen würde es sogar gefallen. Sie hätten endlich was zum Lachen. Das ist in diesen tristen Zeiten schon sehr viel. Auch Herr Juncker könnte weiter glän­zen. Als genialer Aschenbeseitiger. Da diese Berufsbezeichnung leider etwas banal klingt, wird er sich Vulkananimateur nennen. Und täglich den Touristen zeigen, wie man fachgerecht die Place Clairefontaine fegt.

Guy Rewenig
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