Postverteilung

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d'Lëtzebuerger Land du 28.04.2011

D’Lëtzebuerger Land: Herr Peckels, die Briefträger in Bettemburg sagen für den 16. Mai, wenn die Postverteilung umgestellt wird, Chaos voraus. Welche Garantien geben Sie denn Mitarbeitern und Kunde, dass es nicht dazu kommt?

Paul Peckels: Es kommt nicht zum Chaos. Dafür gibt es keine Ursache. Wir haben die Reorganisation so organisiert, dass alles passt. Für unsere Kunden soll das transparent verlaufen, die sollen davon nichts bemerken. Unserem Personal haben wir die notwendigen Garantien dafür gegeben, dass, wenn etwas nicht funktioniert, es nach der Umstellung nachgebessert werden kann.

Sie sagen also genau das Gegenteil dessen, was die Briefträger sagen. Wie erklären Sie sich denn das? Die Briefträger haben schließlich Erfahrungswerte und 2006 schon einmal eine Umstellung in Bettemburg erlebt.

Das hat ja auch gut funktioniert. Es mussten nachher nur ein paar Touren nachgebessert werden. Diesmal läuft das nach dem gleichen Schema ab. Dass die Gewerkschaft bei jeder Reorganisation Probleme sieht, liegt ja auch in der Natur der Dinge. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass solche Probleme nicht auftreten, und wenn doch, gegenzusteuern.

Die Briefträger haben ziemlich genaue Beschwerden. Zum Beispiel, dass sie mehr Post vorsortieren müssen. Da sei die Frage erlaubt, ob sie zur gleichen Zeit wie bisher ihre eigenen Touren antreten können und ob die Post dann nicht auch später bei den Kunden ist.

Nein, wenn sie mehr vorsortieren, tragen sie nachher weniger aus. Ihre Arbeitszeiten ändern sich nicht. Statt dass sie, wie heute, zwei oder zweieinhalb Stunden vorbereiten, sortieren einige von ihnen länger, haben dafür nachher aber eine kürzere Route. Es ist einfach eine Umstellung in dem Sinn, dass sie länger vorbereiten und kürzere Touren haben. Mehr ist es nicht. Die Arbeitszeiten sind unverändert.

Das war nicht die Frage. Die lautete: Ist die Post später bei den Kunden?

Nein. Wenn sich die Arbeitszeiten nicht verändern, ist die Post nicht später da. Wir sind den Kunden gegenüber ja nicht verpflichtet, die Post immer zur gleichen Zeit zu bringen. Wenn sie als Privatperson am Anfang einer Tour wohnen, erhalten sie ihre Post morgens um acht, wenn ihre Wohnung am Ende der Tour liegt, wird sie in der Regel spätestens um zwei zugestellt. Daran ändert sich auch in Zukunft nichts, weil die neuen Touren so berechnet sind, dass sowohl Briefträger wie Assistenten um zwei Uhr nachmittags fertig sind.

Die Briefträger sagen, das reicht nicht, die Assistenten könnten ihre größeren Touren nicht in der Zeit schaffen.

(Lacht) Das wissen sie ja gar nicht. Wir sind der Meinung, was wir vorbereitet haben, passt und geht auf.

Die Briefträger sprechen von der Zwei-Klassen-Post. Bei den Kunden, weil die vereidigten Beamten die Gewerbekundschaft bedienen und die Assistenten die Privathaushalte in den Wohngebieten. Beim Personal auch. Manche nennen die schlechtbezahlten Assistenten „moderne Sklaven“ .... (Peckels lacht) ... Sie schütteln den Kopf und finden das komisch?

Ja.

Wie reagieren Sie denn auf diese Vor­würfe?

Das ist ja so nicht richtig. Dass diese Leute weniger verdienen, liegt in der Natur der Dinge. Das gehört zu dem Abkommen P01 der Agenda 2012 über die Reorganisation der Postverteilungsdivision (das Firmenleitung und Gewerkschaften vergangenen Dezember abgeschlossen haben, Anmerkung der Redaktion). Das wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Kunden aufbauen, sehe ich nicht so, die werden alle gleich bedient. Ob der Austräger vereidigt ist oder nicht, spielt in meinen Augen keine Rolle. Bei der Konkurrenz tragen ja auch keine vereidigten Beamten Post aus, und auch bei uns übernehmen unvereidigte Arbeiter und Angestellte schon eine ganze Reihe von Aufgaben. Für die Qualität der Dienstleistung ist es unerheblich, ob die Post von vereidigtem oder nicht vereidigtem Personal ausgetragen wird.

Ist es denn für die Qualität der Dienstleistung erheblich, ob dem Briefträger weniger Zeit dafür bleibt, die zu erbringen?

Nein.

Es gibt mehre Leute die behaupten, dass Sie in einer Sitzung darauf angesprochen, wie es um die soziale Verantwortung der Briefträger steht und was sie tun sollten, wenn sie bemerken, dass es einem Kunden nicht gut geht, geantwortet hätten, dafür seien andere Dienste zuständig.

(Lacht abermals)

Sie haben das also nicht gesagt?

Das habe ich anders und in einem anderen Kontext gesagt. Erstens bleibt den Briefträgern genug Zeit, um auf ihren Touren höflich und zuvorkommend zu bleiben. Sie können Fragen beantworten, Briefmarken verkaufen, das können sie alles machen, das ist vorgesehen. Aber in diesem spezifischen Fall ging es darum, dass der Briefträger Medikamente für ältere Kunden geholt hat. Da habe ich ganz deutlich gesagt, das ist nicht unsere Rolle, dafür gibt es Help und Hellëf doheem. Die sind dafür ausgebildet.

Auf welcher Grundlage haben Sie denn die Touren geplant? Die Briefträger werfen Ihnen ja genau das vor, dass Sie ihre Berechnungen nicht offen legen wollen.

Das ist eine Berechnung, die quantitativ nicht so nachzuvollziehen ist. Es ist eine qualitative und quantitative Evaluation, die von unseren Spezialisten intern aufgestellt wird. Die machen das schon seit Jahren und berechnen die Touren so, dass sie siebeneinhalb Stunden Arbeit entsprechen. Siebeneinhalb Stunden plus eine halbe Stunde Pause ergeben eine Arbeitstag von acht Stunden, das war bei den Briefträgern immer schon so.

Wie viel Zeit haben Postzusteller also jetzt pro Brief?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das hängt davon ab. Von der Art, von der Größe. Diese Sekundenangaben, von denen da gesprochen wird, sind nur ein Teil einer ganzen Reihe von Kriterien, die berücksichtigt werden müssen.

Das heißt, Sie können es nicht sagen?

Doch. Aber nicht Ihnen. Das sind Sachen, die wir im Betrieb machen mit den Briefträgern. Unsere Verantwortung ist es, dafür zu sorgen, dass die Touren siebeneinhalb Stunden betragen, und das machen wir auch. Wie wir dann das machen, das ist ja wohl unsere Sache.

Sie haben das P01-Abkommen angesprochen. Die Briefträger werfen Ihnen vor, sich an Teile der Vereinbarung nicht mehr halten zu wollen. Zum Beispiel, dass die Briefträger künftig keine unadressierte Werbung mehr austragen würden. Dies hätte dem Abkommen zufolge von den Mitarbeitern des stark defizitären Zeitungszustellungsdienstes übernommen werden sollen. Doch weil die Verleger der Tageszeitungen dagegen sind, dass die Werbung gleichzeitig mit ihren Titeln im Briefkasten landet, sollen nun doch die Briefträger wieder Werbung sortieren und die Assistenten sie austragen müssen. Bestätigen Sie das?

Das war im P01 als Option vorgesehen unter der Bedingung, dass wir eine Übereinkunft mit den Verlegern finden. Die haben wir nicht gefunden. Das kann ich bestätigen. Deshalb haben wir angefangen, nach Alternativen zu suchen. Aber daraus den Schluss zu ziehen, wir würden uns nicht an das Abkommen halten, ist falsch.

Sie verlangen jetzt wieder von den Briefträgern, dass sie die Werbung vorsortieren, was so nicht im Abkommen stand.

Da stand drin, wir prüfen, ob es eine andere Möglichkeit gibt, aber auch, dass wir die Zusage der Verleger brauchen. Weil wir die nicht haben, sieht unsere Alternative vor, dass die Briefträger die Werbung vorsortieren, und ich sehe dabei kein Problem. Sie haben ja ausreichend Zeit, diese Vorbereitung zu machen.

Sollte der Vorschlag nicht eigentlich auch die Briefträger im Gegenzug dafür entlasten, dass sie mehr Post sortieren?

Nein. Das hat damit nichts zu tun. Die Briefträger fordern seit Jahrzehnten, keine Werbung austragen zu müssen. Das war eine Möglichkeit, ihnen entgegenzukommen. Tatsache ist, dass eine Werbezustellung einen viel geringeren Mehrwert hat, als ein Brief. Deswegen war die Idee, die Werbung in einem weniger hochwertigen, billigeren Netz zu verteilen. Das war das zweite Argument.

Das nun entfällt. Also bleibt die Messagerie postale, die 2009 ein Defizit von rund 1,5 Millionen Euro gemacht hat, unprofitabel.

Diese Reorganisation hätte aus einem unprofitablen Dienst, einen gemacht, der weder Gewinn noch Verlust macht. Aber das ist ein anderes Problem, worüber wir derzeit verhandeln.

Sie hatten außerdem ausgemacht – sagen zumindest die Briefträger – einstweilen mit der Einführung der „Springer“, die den ungeplanten Urlaub anderer Briefträger ersetzen und währenddessen selbst von Leiharbeitskräften ersetzt werden, abzuwarten. Und damit einstweilen auch auf den Einsatz der Leiharbeitskräfte zu verzichten.

(Lacht) Der Einsatz der Leiharbeitskräfte ist untrennbar Teil des Abkommens, dem die Briefträger im Dezember zugestimmt haben. Das ist unverzichtbar. Wir haben 130 Mitarbeiter, um die Arbeit von 100 Mitarbeitern zu gewährleisten, wenn diese urlaubs- oder krankheitsbedingt ausfallen. Wir wollen in Zukunft mit unseren eigenen Angestellten nur die planbaren Ausfälle abdecken und deswegen das Personal um 15 Prozent reduzieren. Weil wir aber mit den Briefträger im Dezember vereinbart haben, die Überstundenzahl aller Briefträger, sowohl derer, die eine feste Tour haben, wie auch der Ersatzbriefträger auf zehn Mal zwei Stunden jährlich zu limitieren, können wir gar nicht anders, als auf Leiharbeitskräfte zurückgreifen, wenn wir dieses Limit einhalten wollen.

Dieses Abkommen ist ja ein Teil Ihrer Vorbereitung auf die vollständige Liberalisierung des Postmarktes ab Januar 2013.

Auf die Zukunft insgesamt. Denn Liberalisierung ist nur ein Teil des Problems. Der andere Teil des Problems ist der strukturelle Rückgang des Postaufkommens von, je nachdem, zwischen zwei und fünf Prozent. Das ist das Hauptproblem. Wenn die Liberalisierung noch hinzukommt, wird das natürlich noch verstärkt. Aber durch das Abkommen wollen wir versuchen, langfristig ein ausgeglichenes operatives Ergebnis der Postdivison zu gewährleisten. Es ist sehr schwierig, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Die Einnahmen schwinden und die Kosten steigen – zwei Drittel davon sind Personalkosten. Deswegen wollen wir versuchen, die Personalkosten der Postdivision auf den Stand zu senken, wie man ihn bei Konkurrenzbetrieben vorfindet. Und die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass wir einen Personalbestand von relativ gut bezahlten öffentlichen Angestellten haben, müssen irgendwie ausgeglichen werden. Die Diskussionen darüber, wie das gehen soll, laufen. Doch die Voraussetzung ist, dass man aufhört, unter den gleichen Bedingungen wie bisher Personal einzustellen, und das stattdessen unter Marktbedingungen vornimmt.

Reden wir also über die vergleichsweise magere Bezahlung der Assistenten. Es ist vorgesehen, dass Sie einen Tarifvertrag für dieses Personal aushandeln. Basis für die Verhandlungen soll der Tarifvertrag aus dem Transportwesen sein, der nicht unbedingt dafür gerühmt wird, besonders großzügig zu sein. Weshalb? Ist es nicht in ihrem Sinne, jetzt einen „guten“ Kollektivvertrag für das Postverteilungspersonal auszuhandeln? Wenn der nach der Marktöffnung flächendeckende Gültigkeit erhält, müssen ihre Konkurrenten ihn ebenfalls einhalten.

So funktioniert das aber nicht. In Deutschland hat man versucht, für den Postmarkt einen Mindestlohn einzuführen, und es klappt in der Praxis nicht. Unsere Konkurrenten sind Transportunternehmen, und die bezahlen nach dem dort gültigen Tarifabkommen. Die Frage ist, was ist Postzustellung und was sind Transportaktivitäten? Viele dieser Firmen sind vor allem im Transportwesen tätig und werden keinen anderen Tarifmodus anwenden, wenn sie mit der Postverteilung nur einen geringen Teil ihres Einkommens erwirtschaften. Deswegen scheint es uns, als ob der Transporttarifvertrag künftig marktbestimmend sein wird. Daher ist das unsere Verhandlungsbasis. Diese Verhandlungen sollen noch dieses Jahr abgeschlossen werden, und alle Betroffenen retroaktiv in den Genuss dieses neuen Tarifvertrages kommen.

In Luxemburg gibt es aber eine etwas andere Kultur, was flächendeckende Tarifverträge und Mindestlöhne betrifft als in Deutschland, wo dies der erste Versuch überhaupt war, einen Mindestlohn einzuführen.

Wir stellen ja hier auch nicht den Mindestlohn in Frage.

Aber wenn die Mitarbeiter keine 40-Stunden-Woche arbeiten, und die Assistentenverträge über 25 bis 30 Stunden wöchentlich gehen sollen...

...Das wissen wir ja noch gar nicht. Erstens haben wir uns auf ein Minimum von 27 Stunden verpflichtet. Zweitens können wir einer Reihe von Assistenten zusätzliche Arbeiten geben, so dass wir einen wesentlich höheren Stundenanteil erreichen. Zum Beispiel die Postfächer füllen und andere Nebenaufgaben, die derzeit von den Briefträgern durchgeführt werden.

Sie streiten aber nicht ab, dass, wer 27 Stunden die Woche zu ihren Tarifen arbeitet, am Monatsende nicht sehr viel übrig hat?

Ich weiß, dass das nur wenige Stunden sind. Ich weiß aber auch, dass die Leute, die wir einstellen, sehr wenig qualifiziert sind. Hinzu kommt: Der Stundenlohn steht noch nicht fest. Ich erinnere daran, dass die Verhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen sind. Deswegen finde ich das nicht so unsozial, wie es verschiedentlich dargestellt wird. Uns liegt natürlich auch daran, den Leuten zuverlässige Arbeitsplätze zu geben, mit guter Bezahlung, die aber ihren Qualifikationen entspricht. Heutzutage finden sie in Luxemburg nicht viele Stellenangebote für Wenigqualifizierte.

Wenn die Bezahlung für die geleisteten Stunden am Monatsende unterhalb des Mindestlohns liegt, erhalten sie einen Ausgleich via Complément RMG.

Das ist ja heute schon das Prinzip bei den Zeitungsausträgern, die zwischen 20 und 25 Stunden nachts arbeiten. Die erhalten tatsächlich nicht viel Lohn und deswegen den Complément RMG. Aber das entspricht den gültigen Sozialgesetzen.

Das ist aber trotzdem eine indirekte Bezuschussung durch den Staat.

Das hängt ja auch davon ab, ob die Leute tagsüber einen zweiten Job haben – die gibt es –, oder nicht. Das ist unterschiedlich, à la tête du client.

Die Assistenten werden aber so ausgelastet sein, dass ein zweiter Job kaum möglich sein wird.

Das hängt davon ab. Deswegen versuchen wir, für jeden Mitarbeiter, wenn möglich, auf eine 40-Stunden-Woche hinzusteuern.

Diese Punkte bleiben strittig und am 16. Mai soll es losgehen. Deswegen hat ihnen die Bréifdréischgewerkschaft einen Forderungskatalog vorgelegt, der vergangenen Freitag diskutiert wurde. Sind beide Seiten ins Reine gekommen?

Nein. Aber wir setzen die Verhandlungen fort. Wir sind seit jeher in Verhandlungen mit der Bréif-dréieschgewerkschaft. Sie hat Forderungen vorgelegt, und wir versuchen, in den nächsten Wochen Antworten zu finden.

Müssten die nicht für den 16. Mai bereit sein, wenn der neue Verteilungsmodus anläuft?

Nein, die zwei Sachen sind voneinander losgelöst. Wir haben den Briefträgern ja eine ganze Reihe von Zusicherungen gegeben, wie wir reagieren könnten, falls etwas schief läuft. Die Verhandlungen gehen also weiter.

Bis wann geben Sie sich nun Zeit, um zu entscheiden, ob etwas schief läuft oder nicht?

Das wird man sehen. Wir stellen ja erst mal nicht alle Verteilungszentren um und wir brauchen einige Wochen Anlaufzeit. Das findet jetzt über die Sommermonate statt, wo es ruhiger ist, und man sofort, falls dringend nötig, Korrekturen vornehmen könnte. Die Evaluierung läuft während der Sommermonate permanent. In diesem Sinne haben wir zusammen mit den Briefträgern ein Comité de suivi eingesetzt, das die täglichen Probleme aufgreifen soll.

Michèle Sinner
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