Thill, Edmond u.a., Charles Bernhœft. Photographe de la belle Époque

Bilderfabrik Bernhœft

d'Lëtzebuerger Land du 04.07.2014

Der Fotograf Carl Michael Bernhöft (1859-1933), der sich später Charles Bernhœft schrieb, war ein Phänomen. Mehr noch als Unternehmer denn als Fotograf. Mit 19 Jahren eröffnete er 1878 sein erstes Fotoatelier gegenüber der hauptstädtischen Post und begann bis zur Geschäftsaufgabe 1910 das Luxemburg der Belle Époque in Zehntausenden von Fotos so abzulichten, wie es sich selbst am vorteilhaftesten sehen wollte. Doch auch wenn der eine oder andere noch heute Broschtbiller unbekannter Ahnen in den Schubladen von Großmutters Biffi findet oder beim Durchblättern eines Buchs über die Gruppenaufnahmen der wie sechs Puppen aufgereihten Prinzessinnen von Großherzog Guillaume lacht, nimmt kaum noch einer zur Kenntnis, dass die Bilder von Charles Bernhœft stammen.

Zu besonderen Gelegenheiten suchten die festlich herausgeputzten Bürger Bernhœfts Atelier auf, wo Dutzende Angestellte arbeiteten, und ließen sich in steifen Heldenposen vor schwülstigen Studiogardinen, Mobiliarversatz und Zimmerpalmen für die Nachwelt als ehrbare Beamte, Geschäftsleute, Damen der besseren Gesellschaft, Offiziere, Viehärzte und Anwälte verewigen – Biedermänner, die es zu etwas gebracht hatten. Arbeiter und Bauern konnten sich den Gang zum Hoflieferanten Bernhœft seltener leisten; der großherzogliche Hof bestellte den Porträtisten aufs Schloss.

Bernhœft machte aber auch Landschaftsaufnahmen der bis heute immer gleichen Sehenswürdigkeiten, die er den vaterländisch gesinnten Bürgern in prächtigen Alben und dann der wachsenden Zahl von Touristen auf Tausenden von preisgünstigeren Ansichtskarten verkaufte. Um sich dabei von Druckereien unabhängig zu machen, legte er sich 1890 eine motorgetriebene Schnellpresse zu, mit der er seine Fotos industriell im Lichtdruck vervielfältigte. Er erfand und verbesserte Studioeinrichtungen, um unabhängig vom Tageslicht im Atelier arbeiten zu können, und expandierte mit Alben über die Weltausstellung, das Elsass und das Rheinland auf ausländische Märkte. Ein Versuch, seine Fotos 1895 in der ersten Luxemburger Illustrierten, Das Luxemburger Land in Wort und Bild, wiederzuverwerten, scheiterte dagegen.

Wiederentdeckt wurde Bernhœft erst 2006, als das Geschichts- und Kunstmuseum mit Hilfe des Postkartensammlers Fernand Gonderinger seinem Werk eine größere Ausstellung widmete. Acht Jahre später ist nun das Buch zur Ausstellung erschienen, eine monumentale, von Edmond Thill zusammengetragene Enzyklopädie über Bernhœfts gewaltige Produktion und seine spärlich überlieferten Lebensdaten, aber auch über die Daguerreotypie-Anfänge der Fotografie in Luxemburg, Bernhœfts Ausstellungsmedaillen und die für seinen Erfolg unerlässlichen neuen Foto- und Drucktechniken. Den Abschluss bilden ein Katalog seiner über 50 gedruckten Landschaftsalben und eine Liste von mehr als 4 000 überlieferten Ansichtskartenmotiven. So erfährt man auf 800 reich illustrierten Seiten mehr über Bernhœft und die Fotografie im 19. Jahrhundert, als vielen lieb sein dürfte – oder bedauert, dass seinen auch sozialhistorisch interessanteren Porträtaufnahmen weniger Platz gewidmet ist als den sterilen Landschaftsaufnahmen.

Ob Bernhœft, der nie bloß ein Handwerker, sondern ein moderner Künstler, Unternehmer und Erfinder sein wollte (S.95), ein großer Fotograf war, beantwortet das Buch nicht. Denn in Wirklichkeit entsprachen seine Motive und deren Inszenierung einem festen und konventionellen Bilderkanon, den der geschäftstüchtige Fotograf nicht ohne guten Grund umgestoßen hätte. Dafür wiederholt die Monografie mehrfach, wie gewissenhaft und präzise seine Aufnahmen in einer Zeit waren, da sich selbst Berufsfotografen mit den Tücken der noch nicht ausgereiften Technik herumschlagen mussten. Und es betont die ideologische Bedeutung seiner Arbeit (S. 187), die mit der Idealisierung des Schießentümpels und der großherzoglichen Familie zumindest unter der bürgerlichen Kundschaft zur Schaffung eines nationalen Identitätsgefühls und zur Anfreundung mit der fremden Dynastie beitrug.

Edmond Thill u.a., Charles Bernhœft. Photographe de la belle Époque, Musée national d’histoire et d’art, Luxemburg 2014, 800 S., 95 Euro
Romain Hilgert
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