Außenhandel

Viel Theater um Ceta

d'Lëtzebuerger Land vom 14.10.2016

Da hatte Außenminister Jean Asselborn (LSAP) eine peinliche Niederlage abgewendet und die Mehrheit seiner Partei davon überzeugt, dem EU-Freihandelsabkommen mit Kanada, Ceta, grünes Licht zu geben, schon droht neues Ungemach. Denn ihre Zustimmung hatte die LSAP-Basis auf einem außerordentlichen Parteikongress vor einer Woche unter der Bedingung gegeben, dass das Abkommen durch rechtsverbindliche Zusatzprotokolle ergänzt würde. Die Linkssozialisten stimmten gegen Ceta.

Am Montag dann veröffentlichte die österreichische Kronen-Zeitung besagte Protokolle: Die fünf Seiten lesen sich wie eine Werbebroschüre der EU-Kommission für das umkämpfte Handelsabkommen, es wimmelt von vagen Erklärungen, die in der Substanz kaum über den bisherigen Vertrag hinausgehen. Der geforderte Sanktionsmechanismus, um Firmen zur Rechenschaft ziehen zu können, die Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards verletzen, eine der Bedingungen für Grüne und Sozialisten, um Ceta zuzustimmen, fehlt komplett.

Der Außenminister, aufgeschreckt durch den erneuten Leak, sprang sogleich zur Rettung bei: Die Deklaration habe rechtsverbindlichen Charakter, im Streitfall werde sie vor Gericht berücksichtigt. Die Erklärung werde als formeller EU-Rechtsakt im Amtsblatt der Union veröffentlicht. Dem widersprechen Rechtsexperten wie der Göttinger Völkerrechtler Peter-Tobias Stoll jedoch: Die Erklärung könnte völkerrechtlich nicht einmal als interpretierende Erklärung eingestuft werden, da kaum Interpretationen im Text enthalten seien.

Déi Gréng verlangen deshalb, die Zusatzprotokolle zusätzlich in den Hauptvertrag aufzunehmen, um so besagte Rechtssicherheit doch noch irgendwie zu bekommen. Andernfalls wollen sie Ceta nicht zustimmen, beschwichtigen sie die grüne Basis, die aus vielen Freihandelskritikern besteht. Der grüne Abgeordnete Claude Adam hatte erst kürzlich in einem Radio-Interview befunden, Ceta wäre besser als TTIP, es stünden eine „ganze Reihe positiver Sachen“ drin. Es von vornherein abzulehnen, sei „unrealistisch“. Die Demokratesch Partei hält sich derweil mit Äußerungen zur Ceta zurück, Fraktionschef Eugène Berger sagte anlässlich der parlamentarischen Rentrée lediglich, man vertraue dem Außenminister. So dass man getrost davon ausgehen kann, dass Jean Asselborn beim Gipfeltreffen am 18. Oktober auf Kirchberg mit dem Segen der Regierungsmitglieder dem Vertrag zustimmen wird.

Die Plattform Stopp TTIP mobilisiert dennoch weiter: Sie hofft, die politische Stimmung bis zum Votum durch das Parlament doch noch drehen zu können. Die EU-Kommission hatte Ceta aufgrund des öffentlichen Drucks als so genanntes gemischtes Abkommen eingestuft, das heißt, verschiedene Kapitel können nur mit Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft treten. Dass sich das Kräfteverhältnis bis zur Ratifizierung im Frühjahr noch wandelt, ist aber unwahrscheinlich. Am Samstag gingen 4 000 Freihandelskritiker in Luxemburg-Stadt auf die Straße; die Luxemburgisch-Petition unterschrieben über 13 000 Bürger. Das ging bequem vom Sofa aus.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt den Ceta-Kritikern: die belgischen Nachbarn.Anders als die Föderalregierung in Brüssel haben die Abgeordneten im wallonischen Regionalparlament angekündigt, höchstwahrscheinlich gegen die Vereinbarung zu stimmen. Brüssel braucht die Zustimmung aller Regionen. Auch der österreichische Kanzler Christian Kern (SPÖ) zögert noch zu unterschreiben, nachdem ein Mitgliedervotum seiner Partei Ceta abgelehnt hatte. Die slowenische Regierung hat ebenfalls Bedenken angemeldet, währenddessen hofft Rumänien weiter, noch Visa-Erleichterungen für seine Bürger bei Reisen nach Kanada erzielen zu können.

Ines Kurschat
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