Braucht es Straßenbaumuseen?

Sag mir, wo die Wege sind

d'Lëtzebuerger Land du 17.05.2019

Werden klobige Allrad-Panzer bald durch selbstfahrende E-Flitzer ersetzt? Unsere Fahrzeuge verändern sich rasend schnell. Verkehrswege haben dagegen ein erstaunliches Beharrungsvermögen: Wo heute Straßen verlaufen, schleiften oft schon Steinzeit-Jäger ihren Wochenendeinkauf nach Hause.

Andererseits können selbst Hauptschlagadern in Vergessenheit geraten. Wer weiß zum Beispiel noch, dass ab 1490 Europas erste dauerhafte Postroute von Innsbruck nach Mechelen führte? Im Dorf Asselborn, an der N12 südlich von Troisvierges, erinnert ein kleines Privatmuseum an eine frühere Station dieses „Niederländischen Postkurses“. Erst ab 1680 fuhren die Kutschen der Habsburger über Luxemburg und Trier. Alte Landkarten und Kilometersteine können viel erzählen.

Wenn der Verkehr halbwegs rollt, denken die meisten Menschen über Asphalt und Wegebau nicht groß nach. „Gerade weil Straßen so profan sind, so wenig bewusst, repräsentieren sie sehr gut das ungefilterte Leben“, schwärmt Debora Pape, die eine Masterarbeit über alte Wege bei Heidelberg geschrieben hat. Besser als Museumsvitrinen: „Steht man auf einer historischen Straße, ist die Distanz zur Geschichte geringer. Es steht nur die Zeit dazwischen, selten ein Restaurator oder ein Objektschild.“

Die Archäologin und Historikerin Pape hat ein seltenes Hobby: Sie sucht mit Lidar-Daten urige Hohlwege, die sich besonders in Wäldern bei alten Ortschaften erhalten haben. Geländemodelle, die mit Flugzeug-Laserscannern erstellt werden, sind mittlerweile frei im Internet abrufbar. Wer technisch nicht so versiert ist, findet Verkehrsrelikte dagegen nicht leicht. In den Listen der Luxemburger Denkmalschutzbehörde zum Beispiel stößt man allenfalls auf ein paar Bahnhöfe und Brücken, die eine oder andere Allee und Kleindenkmäler wie Wegkreuze.

Alte Trassen, die nicht bekannt sind, werden schnell untergebaggert, mit Pflügen oder Waldmaschinen zerstört. In Luxemburg ein Verzeichnis ehrwürdiger Wege aufzubauen, wäre jedoch schwierig. Der Service des sites et monuments nationaux wurde erst 1971 gegründet und sollte sich zunächst vor allem um dörfliche Ortsbilder kümmern. Seither wuchs die Zahl der Denkmäler unablässig: Wurden lange nur Kirchen, Burgen und Schlösser gewürdigt, kann heute zum Beispiel auch an der Erhaltung von Industriebauten ein „öffentliches Interesse“ bestehen. Von 28 000 Gebäuden, die vor ein paar Jahren als schutzwürdig identifiziert wurden, ist bisher nur rund die Hälfte tatsächlich rechtlich geschützt. Da liegt die Vermutung nahe, dass Luxemburgs Denkmalschützer mit Häusern gut ausgelastet sind und für historische Wege eher keine Zeit haben. Oder Geld.

Die Schweiz dagegen leistet es sich, flächendeckend Überreste der Mobilitätsgeschichte zu erfassen: In
20 Jahren Forschung wurde ab 1984 an der Universität Bern für umgerechnet rund 40 Millionen Euro ein „Inventar der historischen Verkehrswege“ angelegt. Was von Saumpfaden, Römerstraßen oder Pilgerwegen geblieben ist, zeigt nun eine Internet-Landkarte: über 24 000 Einträge mit Beschreibungen. Aus den Forschungsarbeiten ist 2003 Via Storia hervorgegangen, eine Stiftung für „Erforschung, Erhaltung und sachgerechte Nutzung historischer Verkehrswege“.

Schweizer Heimatschützer mögen überhaupt gerne Verzeichnisse: Inventare gibt es zum Beispiel auch für Kulturgüter von nationaler Bedeutung, Landschaften und Naturdenkmäler, schützenswerte Ortsbilder, Seilbahnen und Militärbauten. Für die historischen Verkehrswege ist die Abteilung Langsamverkehr des Bundesamts für Straßen zuständig. Liebevoll werden Straßenpflaster, Trockenmauern und Brüstungen restauriert. Zusammen mit Wander- und Radwegen werden die Hinterlassenschaften auch touristisch vermarktet. Zwölf nationale und über 300 regionale Routen führen unter dem Label „Kulturwege Schweiz“ auf historischen Wegen durch historische Kulturlandschaften: „Reisen wie ein Säumer, ankommen wie eine Pilgerin, essen wie eine Römerin und nächtigen wie ein Erzbischof.“

Das Schweizer Verkehrshaus in Luzern hat schon seit zehn Jahren eine „Strassenbauarena“, wo Kinder mit Schaufeln und Baggern hantieren können. Wer sich über die Entwicklung vom Trampelpfad zur modernen satellitengesteuerten Oszillations-Autobahnwalze informieren will, muss sonst dagegen lange suchen. Straßenbau-Museen gibt es bislang nur vereinzelt, meist als private Initiativen. Und ziemlich abgelegen: das Deutsche Straßenmuseum ist in der pfälzischen Festung Germersheim, das französische Musée des Ponts et Chaussées gut versteckt in der Provinz bei Tours.

Dankbarer ist die Menschheit in den Weiten Nord- und Osteuropas: In Norwegen, den drei baltischen Ländern, Polen und Ungarn haben die Straßenbauverwaltungen, beziehungsweise die Verkehrsministerien jeweils eigene Straßen-Museen eingerichtet. Zum Muzeum Drogownictwa bei Krakau zum Beispiel gehört ein zwei Hektar großes Freigelände mit Straßenwalzen, Asphaltfertigern und anderen Maschinen. Dorthin zu gelangen, ist allerdings nicht so einfach: Seit sich um Fahrbahnen und Brücken keine römischen Ingenieure mehr kümmern, ist der Transit durch Deutschland oft recht mühsam.

Internet-Abfahrten:
– Straßenbau-Museen sind selten:
www.euro-t-guide.com/See_Type/Auto_1.htm;
www.deutsches-strassenmuseum.de;
www.brueckenmuseum.de; www.museedesponts.fr; www.museedelaroute.be

– Schweizer Streber müssen immer alles besser machen: www.ivs.admin.ch; www.viastoria.ch;
www.verkehrshaus.ch

– Kleine Geschichte der Luxemburger Straßenbauverwaltung: https://pch.gouvernement.lu/de/administration/historique.html

– Römerstraßen zwischen Mosel und Rhein:
www.regionalgeschichte.net/fileadmin/Superportal/Bibliothek/Autoren/Roesch/Roesch-Roemerstrassen_klein_1-90.pdf

– Die Römerstraße von Arlon nach Luxemburg wurde oft überpflügt, ist aber noch zu sehen:
www.youtube.com/watch?v=yR2PmjDo5uE

– Wer hier „Hohlwege“ sucht, erfährt, wie man sie findet: www.plejadium.de

Martin Ebner
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