Die DP will anders ticken

Ein Schritt zur Rückeroberung der Macht

d'Lëtzebuerger Land du 26.05.2011

Im Wahlkampf 2009 hatte die DP sich als die Partei der aufstrebenden jungen Mittelschichtfamilien dargestellt und die Wahlen verloren. Eine der Ursachen war sicher, dass die verunsicherten Wähler in der tiefsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten lieber auf dem von der CSV versprochenen sicheren Weg bleiben wollten. Deshalb versucht die DP es gleich noch einmal und zieht als Partei der aufstrebenden jungen Mittelschichtfamilien in den Gemeindewahlkampf. Das am Samstag feier-lich enthüllte nationale Wahlkampfplakat zeigt Vati und Mutti glücklich lachend, während die Kinder auf den „Wesselman“ die drei Wahlkampfthemen malen, welche aus der Sicht der Liberalen die aufstrebenden jungen Mittelschichtfamilien am meiste bewegen: Kinderbetreuung, Energie und Wohnen.

Die Begeisterung der Kongressteilnehmer für das etwas überladene Plakatmotiv hatte sich im stahlgrauen Festsaal des ehemaligen Limpertsberger Straßenbahndepots in Grenzen gehalten. Vielleicht, weil für die Teilnehmer des DP-Nationalkongresses so viel auf dem Spiel steht: Schließlich wollen die Liberalen, die Sieg und Leistung verehren wie keine andere Partei, erstmals seit 1999 wieder einmal siegen. Auch wenn es ihnen wiederum nicht, wie den „großen“ Parteien CSV und LSAP, zu denen sie sich gerne zählen, gelingen wird, Kandidatenlisten in allen Proporzgemeinden aufzustellen.

Der Parteitag war, wie gewohnt, auf eine muntere Bühnen-Show reduziert, einige Solodarbietungen und ein Showmaster ersetzten das Kongressbüro und die Resolutionskommission. Das kommunale Rahmenwahlprogramm Lëtzebuerg zesumme gestalten wurde von dem ehemaligen Fernsehansager Marc Hansen mit Hilfe von kurzen Videovorführungen illustriert und, auf CD gebrannt, als Fertiggericht an alle Teilnehmer verteilt. Die Diskussion beschränkte sich auf die einsame Wortmeldung der ehemaligen Vorsitzenden der Jungdemokraten, Véronique Bruck, die sich eine liberalere Asyl- und Justizpolitik wünschte.

Dafür kündigte der Generalsekretär und Feulener Bürgermeister Fer­nand Etgen an, dass „der 9. Oktober die erste Gelegenheit sein wird, um Zeichen zu setzen“, um „einen ersten Schritt zu tun, um das Land in bessere Hände zu legen“ und „der Regierung zu zeigen, dass es so nicht geht“. Gemeindewahlen, die doch viel von lokaler Personal- und Trottuarspolitik bestimmt werden, zum Referendum über die Regierungspolitik zu machen, heißt für die DP hoch pokern. Denn wenn die Gemeindewahlen am 9. Oktober so ausgehen wie 2005, als die Zahl der Proporzgemeinden zugenommen und die Summe der DP-Sitze dort abgenommen hatte, wird sich die Partei schon ein wenig für 2014 desavouiert haben.

Aber Parteipräsident Claude Meisch klagte, dass CSV und LSAP gescheitert, „in einem einmaligen Stellungskrieg“ gelähmt seien, das Land „in einem Reformstau“ stecke. Für Fer­nand Etgen will sich die Regierung nur noch bis zum Wahltermin „2014 schleppen, auf Kosten der jungen Familien, der nächsten Generationen und der Betriebe“. Fraktionssprecher Xavier Bettel konnte es sich nicht verkneifen, noch einmal an die peinliche Affäre um LSAP-Minister Nicolas Schmit zu erinnern, und spottete, „Interpretationsdivergenzen“ seien zum Motto der gesamten Koalition geworden. Meisch zählte erneut die Probleme auf, unter deren Last die Staats- und Steuerbürger sowie die kommenden Generationen zusammenzubrechen drohten: Bildung, Beschäftigung, Energie, Renten, Landesplanung, Wettbewerbsfähigkeit, Kinderbetreuung, Staatsdefizit, Gesundheit, Wohnen, Mobilität... Diese Last symbolisieren sollte ein praller, roter Rucksack am Eingang des Tramsschapp. Aber vorwitzige Besucher, die hineingespäht hatten, mussten feststellen, dass er bloß blaue Luftballons enthielt.

Doch die DP hat sich daran erinnert, dass Wahlen hierzulande meist über Fragen des Sozialstaats entschieden werden, auch zum nationalen Kräftemessen erklärte Gemeindewahlen. Deshalb interpretierte ­Claude Meisch sicherheitshalber alle Wahlkampfthemen zu sozialpolitischen um, aber als Ausdruck einer „neuen sozialen Gerechtigkeit des 21. Jahrhunderts“. Sie unterschieden sich von derjenigen des 20. Jahrhunderts und der LSAP, als es geheißen habe, „Geld zu ver­teilen“ und für „soziale Errungenschaften zu kämpfen“. Sozia­le Gerechtigkeit werde heute über Altbausanierung, Kinderbetreuung und Eigenheimförderung hergestellt, um den jungen aufstrebenden Mittelschichtfamilien „wieder ein wenig Luft zu lassen“, so Meisch. Und andererseits über ein „Screening“ der Staatsausgaben statt über Steuererhöhungen und Umverteilung. Denn Eigentum stellt für den DP-Vorsitzenden aus Differdingen auch einen „Stabilitätsfaktor“ dar: „Eine Nation von Eigenheimbesitzern tickt anders als eine Nation von Mietern.“

Romain Hilgert
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