Schiltz, Jay: No comment

Pfefferkörner

d'Lëtzebuerger Land du 08.01.2009

Der Autor des Buches lasse sich nicht von den rhetorischen Volten des Premierministers täuschen; er bemühe sich um einen unabhängigen Standpunkt und verbinde dabei gutes Kabarett mit politischer Kritik und einem gehörigen Schuss Selbstironie. Das Buch richte sich an alle, denen die Meinungsfreiheit wichtig sei.

Die journalistischen Eigenschaften von Jay Schiltz, die Guy Rewenig in seinem Vorwort zu No comment hervorhebt, erscheinen beinahe bedenklich. Wie? –, möchte man ungläubig einwenden, würde man nicht ohnehin nahezu jedem diese Eigenschaften zuschreiben, der sich journalistisch betätigt – als rein definitorische Qualitäten? Nicht doch, wird man sich im nächsten Augenblick selber zu bedenken geben, schließlich sind wir in Luxemburg, wo die Wege kurz sind und die Möglichkeiten, unliebsamen Zeitgenossen ein Beinchen zu stellen, zahlreich. Guy Rewenig hat wahrscheinlich Recht. Wenn der Premierminister sich nicht zu schade ist, einen Journalisten zu kritisieren, wenn der seine Aussagen hinterfragt und ihn gelegentlich auf die Schippe nimmt, bleibt einem in der Tat nicht viel anderes übrig, als sich im Namen des Verlags für die Gratisreklame zu bedanken.

Für die Glossensammlung No comment hat Jay Schiltz eine Auswahl aus den Kommentaren getroffen, die er als Chefredakteur seit 2002 für den Radiosender 100,7 verfasst hat. Thematische Schwerpunkte des Buches betreffen das Transportwesen im Allgemeinen und das Luxair-Unglück von 2002 im Besonderen, den Krieg im Irak, das Hickhack um eine neue Nationalflagge, die unermüdliche, aber notorisch erfolglose Suche nach dem „Bommeleeër“, den Einfluss der Kirche auf Politik und Mentalität, die Debatte um das Euthanasiegesetz und die aktive Sterbehilfe, die Fußball-Europameisterschaft und noch einiges mehr, was sich jeder, der seit 2002 nicht hinter heruntergelassenen Rollläden gelebt hat, leicht in Erinnerung rufen kann. 

Zwar enthält die Auswahl einige auffällige Leerstellen (die mit mal mehr, mal weniger Kunstverstand geführte Diskussion um Wim Delvoyes Cloaca, die tagelange, fast landesweite Trinkwasserverseuchung oder das Zugunglück bei Zoufftgen zum Beispiel), doch am Ende ergibt sich trotz dieser Sprünge eine Art Panorama der Aktualitätslandschaft der letzten Jahre und insbesondere der jetzigen Legislaturperiode, die der Leser dank No comment vor den nächsten Wahlen noch einmal Revue passieren lassen kann. 

Viele der kurzen, pointierten Texte begnügen sich nicht mit einer distanzierten Begutachtung, sondern beziehen offen Stellung, kritisieren und verurteilen. Dass dabei vor allem der Premierminister sein Fett wegbekommt, liegt nicht allein an seiner hervorgehobenen Stellung in Luxemburg und anderswo. Wiewohl Jay Schiltz hin und wieder seine Bewunderung für die rhetorischen Fertigkeiten des Premiers eingestehen muss, liefern die Redekünste von Jean-Claude Juncker offenbar immer wieder Paradebeispiele für etwas, was der Journalist überhaupt nicht leiden kann: leere Versprechungen, Scheinargumente und Schönrednerei. Der humoristische Zug seiner Kommentare verwandelt sich schlagartig in bitteren Sarkasmus, wo er Verstellung, Hypokrisie und Unehrlichkeit wittert: wenn der Papst sich anheischig macht, Pius XII. heilig zu sprechen, wenn sich ein Minister, der öffentlich mit dem Rauchen aufzuhören versprach, mit einer Kippe erwischen lässt oder wenn sich Menschen, die häufig und gerne mit ihrer Dreisprachigkeit renommieren, sich beschweren, wenn sie ihren Kaffee auf Französisch bestellen müssen.

Zwar wird sich der eine oder andere Leser manchmal wünschen, der Kommentator wäre detailreicher in seiner Kritik und tausche einige Anspielungen und Beschimpfungen gegen eine (stilistisch vielleicht nicht ganz so interessante) Benennung von Tatsachen aus. Auch wird man sich kaum des Eindrucks erwehren können, dass einige Politiker – an der Anzahl ihrer Missetaten während der letzten Jahre gemessen – vergleichsweise glimpflich davon kommen. Doch auch der Kritiker ist nur ein Mensch und vermutlich sollte man es ihm im Namen der von Guy Rewenig ins Feld geführten Meinungsfreiheit danken, dass er seit Jahren so unermüdlich wie treffsicher den Neinsager mimt. 

Jay Schiltz: No comment. Commentairen. Éditions Ultimomondo 2008. ISBN 978-2-919933-46-4; www.umo.lu.

Elisabeth Schmit
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