Berufsausbildung

Etappensieg

d'Lëtzebuerger Land du 13.03.2008

Es sieht so aus, als könnte es mit der Reform der Berufsausbildung doch noch etwas werden. Nachdem der Gesetzentwurf Nr. 5622 massiv kritisiert worden waren, hatte Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) den Text überarbeitet. Dem Staatsrat gingen die Änderungen indes nicht weit genug, weshalb er in seinem Gutachten vom Dezember wesentliche Nachbesserungen forderte (d’Land, 4.1.2008). Somit lag der Ball bei der Parlaments-kommission. Die spielt ihn nun an den Staatsrat zurück an, indem sie in ihren Änderungsvorschlägen im Wesentlichen der Argumen­tation der Ministerin folgt.

So geschehen beim Streit um die Neuausrichtung der Techniker-ausbildung, ein Herzstück der Reform. Um die Berufsausbildung durchlässiger zu machen und den hohen Durchfallquoten zu begegnen, soll der Techniker stärker an die Berufsausbildung gebunden werden. Von den Lehrergewerkschaften und der Privatbeamtenkammer wird dies als „Abwertung des Technikers“ vehement abgelehnt. Es war ihrem anhaltenden Protest zuzuschreiben, warum der Staatsrat empfahl, die unbeliebte Teilreform zu vertagen. Doch selbst die DP, in schulpolitischen Fragen öfters auf Seiten der Lehrergewerkschaften, mochte da nicht mitziehen. Die Berufsausbildung müsse „durchlässiger werden“, hatte Anne Brasseur im Land-Interview im November gesagt. Und das sieht offenbar nicht nur sie so. Geht es nach den Ab-geordneten, entfällt das ursprünglich ebenfalls vorgesehene Schlussexamen zum Unistudium zwar, die Grundidee ist jedoch die gleiche geblieben: Der Techniker wird der Berufsausbildung zugeschlagen, die Inhalte werden stärker auf die Arbeitswelt ausgerichtet. Wer als Techniker statt in den Betrieb zur Uni will, muss dafür Extramodule belegen. 

Eine Abfuhr erntete der Staatsrat des Weiteren für seine Kritik, insgesamt sei mehr Wert auf Strukturen als auf Lehr­inhalte gelegt worden. Den Vorschlag, die Berufsausbildung in modularen Einheiten zu organisieren, hatte das Hohe Gremium begrüßt, zugleich aber bemängelt, überkommene Lehrmethoden würden nicht hinterfragt. Ein Vorwurf, den die Abgeordneten nicht gelten lassen: „Dire que les méthodes d’enseignement ne changeront pas par cette loi, ne prendrait guère en consideration le but annoncé d’un enseignement par compétence“, heißt es etwas säuerlich in der Depesche an den Staatsrat. Der – alte und neue – Entwurf wird somit den aus Primär- und Sekundarunterricht bekannten Kompetenz-Ansatz auf die Berufsausbildung ausdehnen, dort allerdings auf Lerneinheiten aufbauend. Im Bausteinverfahren sollen sich Schüler, je nach Interesse und intellektueller Fähigkeit, die benötigten Kompetenzen aneignen. 

In einem anderen Punkt gaben die Abgeordneten dem Hohen Gremium aber Recht. Obwohl sämtliche Berufskammern seit Jahren fordern, die berufliche Orientierung zu überdenken, soll diese „vu la très grande complexité“ erst in einem zweiten Schritt erfolgen. Das Problem der „sélection par l’échec“ sei mit dem aktuellen Text aber nicht aus der Welt, so die grüne Abgeordnete Vivianne Loschetter, die den Entwurf als Kompromisslösung mit-tragen will. Insgesamt also kein „großer Wurf“, wie es DP-Abge­ordnete Eugène Berger ausdrückte, aber ein Schritt in Richtung mehr Durchlässigkeit und Aufwertung der Berufsausbildung. Lange wird sich Mady Delvaux-Stehres über den mühsam errungenen Etappensieg jedoch nicht freuen können, denn schon steht neuer Ärger ins Haus.

Nachdem die Gewerkschaften SNE und SEW ihre Zustimmung zur zweitwichtigsten Reform der LSAP-Ministerin, dem Schulgesetz von 1912, an einer Gehaltserhöhung für die Grundschullehrer gekoppelt und schon mal mit Streik gedroht hatten, legt sich nun der Gemeindeverband Syvicol quer. Deren Präsident und Vizepräsident, die Sozialisten Jean-Pierre Klein und Dan Kersch, sprachen sich jüngst gegen die geplante Zentralisierung der Schulorganisation aus. In ihrem Gutachten bemängelten sie zudem, dass anstelle von Direktionen landesweit Schulkomitees eingeführt werden sollen. Die Selbstverwaltungsorgane waren ein Zugeständnis der Ministerin an die Lehrer gewesen, um ihnen die Reform schmackhaft zu machen. Diese Strategie wird nun von den eigenen Parteikollegen konterkariert.

Ines Kurschat
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