Bildungshaushalt

Begehrlichkeiten

d'Lëtzebuerger Land vom 18.10.2007

Überraschungen. So liest sich das Bildungskapitel des Staatshaushaltsentwurfs auf den ersten Blick. Mit rund 933 Millionen Euro Gesamtumfang und einer Steigerung von 4,11 Prozent ist der Etat des Unterrichtsministeriums weitestgehend innerhalb der Vorgaben geblieben, die Budgetminister Luc Frieden in seinem Rundschreiben vom Frühjahr vorgegeben hatte. Demnach sollte die Wachstumsrate nicht mehr als vier Prozent betragen.

Die anhaltende Konjunktur und die gute finanzielle Großwetterlagekönnten jedoch schon bald zum Streit führen. Nach langen Jahren des Wartens fordern die Primärschullehrer eine Neubewertung ihrer Karriere. Derzeit sind die rund 4 000 Grundschullehrer im Land in der Gehältertabelle in E3 eingestuft, wegen der auf nunmehr vier Jahre verlängerten Studienzeit verlangen sie den Karrieregrad E6. Im Haushaltsentwurf ist dafür jedoch kein Posten vorgesehen. Die Lehrergewerkschaften SEW und SNE haben deshalb ein Kampfbündnis geschmiedet, die Marschroute ist gesteckt, erste Warnbriefe wurden verschickt. Bislang gibt es aber nicht einmal einen Termin für konkrete Verhandlungen. 

Das CSV-geführte Ministerium für die öffentliche Verwaltung hatden Ball weiter an die sozialistische Unterrichtsministerin gespielt.Mady Delvaux-Stehres hat bereits durchblicken lassen, dass sieselbst den Lohnforderungen nicht abgeneigt gegenüber steht. Eine kleine Dreingabe von einigen hundert Euro brutto monatlich an die Lehrer kurz vor den Wahlen, um sie mit den jüngsten Schulreformen zu versöhnen, käme ihr sicher zupass. 

Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn das Argument von SEW und SNE, aufgrund verlängerten Studienzeiten und erschwerter Arbeitsbedingungen ein Anrecht auf eine Anpassung zu haben, machen auch andere Berufe geltend. Die Vereinigung der Sozialpädagogen, die Apeg, meldete ihrerseits Ansprüche auf eine Gehälterrevision an. Der Beginn einer Kettenreaktion, weshalb die Regierung auf die Bremse tritt und sich mit konkreten Zusagen strikt zurückhält. Zumal sich nicht einmal die CSV, wie Hochschulminister François Biltgen kürzlich eingestand, bei der Einstufung der Diplome beim Staatsdienst einig ist.

Auch in der Bevölkerung stoßen die Gehälterforderungen nichtüberall auf Gegenliebe. Die Elternorganisation Fapel verwahrt sich strikt gegen gewerkschaftliche Aktionen, die den Schulalltag behindern könnten. In den Tageszeitungen mehren sich empörte Leserbriefe. Dass neidisch auf die langen Ferien der Lehrer hingewiesen wird, gehört zur üblichen Polemik. Aber seitdem die OECD in ihrem alljährlichen Bericht Education at a Glance Kostenvergleiche der Bildungssysteme ihrer Mitgliedstaaten veröffentlicht und vor allem seit dem miserablen Abschneiden bei Pisa stehen das luxemburgische Bildungswesen und seine Akteure verstärkt unter Rechtfertigungsdruck. Luxemburg gibt am meisten für seine Schüler aus und auch mit den Lehrergehältern liegt das Land an der Spitze der Liste. Die Zahlen relativieren sich zwar, wenn man das Bruttoinlandsprodukt in Rechnung stellt, nichtsdestotrotz bleibt der Druck. Am 28. November sollen die Ergebnisse der Pirls-Studie über die Primärschule veröffentlicht werden. Je nachdem, wie diese ausfallen, könnte das die Debatte zusätzlich anheizen.  

Höhere Löhne für die Primär- und Vorschullehrer bedeuten zudemsteigende feste Kosten im Haushalt. Die Übernahme von mehr als 500 Lehrbeauftragten in feste Arbeitsverhältnisse kostet den Staat zwar nicht viel mehr, aber sie ist mit weiteren Fixkosten verbunden. Rechnet man die 50 neu eingestellten Lehrer hinzu (die Abgänge und Neuzugänge aufgrund von Renteneintritt nicht eingerechnet), würde dies bei gleich bleibendem Haushalt sich spürbar auf den Handlungsspielraum des Ministeriums auswirken, was inhaltliche Schwerpunktsetzungen angeht. Schon jetzt machen die Personalkosten mit über 80 Prozent den größten Batzen im Etat aus, die restlichen 20 Prozent verbleiben für pädagogische Projekte, Studien, Weiterbildungen und ähnliches. Großstudien wie Pirls und Pisa fallen für 2008 nicht an, für die Reform des Sprachenunterrichts wurden 260 000 Euro, für die geplante Laborschule Eis Schoul rund 1,9 Millionen Euro veranschlagt.

Noch ist das Gesetz zur Laborschule nicht verabschiedet, aber die Zustimmung scheint so gut wie sicher, ist doch mit dem Schulprojekt einmal mehr keine Grundsatzreform verbunden. 

 

Ines Kurschat
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