Hobbygärtnern für Anfänger

d'Lëtzebuerger Land vom 25.05.2012

Sonne an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Mai bei einer Tagesmaximaltemperatur von mindestens fünfzehn Grad: Fällt dieses Phänomen auf ein Wochenende, führt das im Gehirn des Hobbygärtners zur Freisetzung von Botenstoffen, die zur Inspektion der vernachlässigten Blumentöpfe und des ungepflegten Gartenberings anleiten. Wie jedes Jahr entsteht dann, während die Frühlingssonne aufs Haupthaar drückt, eine Idee, eher die Vision davon: dass man der Lebensmittelindustrie, der undurchsichtigen, subventionierten, genmanipulierenden ein Schnippchen schlagen könnte, indem man in dem Unkraut durchsetzten Boden sein eigenes Gemüse zieht. Das viel gesünder als die Ladenware wäre. Und sich dadurch zugleich, denkt der Hobbygärtner beim Einatmen des frischen Dufts feuchter Gartenerde, vom Konsumzwang befreien, der im Supermarkt durch das Versprühen synthetischer Duftstoffe angekurbelt wird, und ganz nebenher die Ökobilanz verbessern.

Diese Gedanken führen meistens schnurstracks in das nächste Gartenzentrum, wo einige der raren Sonnenstunden damit verbracht werden, das richtige Werkzeug auszusuchen. In der Saatgut-Abteilung riskiert der Hobbygärtner die erste Sinnkrise. Die Sortenvielfalt an sich ist überwältigend – große Erbsen, kleine Erbsen, mittelgroße Erbsen, süße Erbse, süße, mittelgroße Bio-Erbsen. Weil es dem Hobbygärtner an rationalen Auswahlkriterien fehlt, sucht er erst einmal die Tütchen aus, auf denen das fotografierte Gemüse am schönsten glänzt. Nur um festzustellen, dass ein Drittel der gewählten Gemüsesorten bereits im März oder April hätte ausgesät werden müssen, ein weiteres Drittel zu zarten Pflänzchen hätte vorgezogen werden müssen, während sein Gärtnerinstinkt doch erst Mitte Mai erwacht ist. Von den vielen verschiedenen Aussaatterminen und den Hinweisen auf Bodentiefe, Reihenmindestabstand und Pflanzenhöhe verwirrt, merkt der Hobbygärtner erst an der Kasse beim Blick auf das Total der Rechnung, dass er statt der Lebensmittel- der Saatgutindustrie auf den Leim gegangen ist. Die ja wahrscheinlich unter einer Decke stecken.

Der angehende Hobbygärtner, egal ob Mann oder Frau, trägt unbedingt ein Karohemd und eine Latzhose. Das Hemd dient rein ästhetischen Zwecken und steigert das Authentizitätsgefühl beim Gärtnern. Die Latzhose hat praktischen Nutzen. Sie verhindert, dass beim Bücken – beispielsweise beim Unkrautjäten – auf dem Rücken ein Spalt zwischen Ober- und Unterbekleidung und dadurch ein schmerzhafter Sonnenbrand an unangenehmer Stelle entsteht.

Hobbygärtnern fördert überraschenderweise nicht nur den Sammel-, sondern auch den Jagd- beziehungsweise den Killerinstinkt. Meistens passiert das nach einem Regenschauer, wenn sich der Hobbygärtner, mit einem Karton Schneckengift ausgerüstet, in die Konfliktzone Gemüsebeet begibt und jedes Weichtier, das sich den zarten Pflänzchen nähert, einzeln mit blauen Körnchen berieselt. Eine defensivere Strategie besteht darin, einen Schneckengiftring um jede Pflanze zu ziehen.

Das Gärtnern bietet Mann und Frau Anlass, über Bienen und Blüten zu reden und darüber, wie das eigentlich funktioniert. Zum Beispiel, wenn im Gewächshaus die Tomatenpflanzen zwar hunderte von Blüten produzieren, aber nach Tagen nicht die kleinste Tomate in Sicht ist. Wie steuert man die Bienen ins Gewächshaus? Lassen sich Bienen mit einem Schmetterlingsnetz fangen und dort aussetzen? (Vorschlag: Mann) Reicht es womöglich, die Tür offenzulassen (Vorschlag: Frau)?

Wenn der Hochsommer naht, offenbaren sich dem Hobbygärtner ein paar Dinge, die er sich unbedingt fürs folgende Jahr merken sollte. Stichwort Zucchini-Falle. Zucchini bieten auch blutigen Anfängern Möglichkeit zu Erfolgserlebnissen, weil man mit Zucchini kaum etwas falsch machen kann. Man muss eigentlich gar nichts machen, außer die Pflanzen setzen, abwarten und ernten. Das ist das Charmante an Zucchini. Aber gleichzeitig das Zucchini-Problem. Irgendwann im Juli oder August sind die Zucchini nicht mehr unter Kontrolle zu bringen, wachsen schneller, als man sie pflücken kann. Nach mehreren Tagen Ratatouille, Zucchini-Suppe, herzhaften Zucchini-Kuchen, gefüllten Zucchini, Zucchini-Muffins, weiß der Hobbygärtner nicht mehr, was er mit den vielen Zucchini noch anfangen soll. In die Zucchini-Falle tappen selbst erfahrene Hobbygärtner, die wider besseres Wissen immer wieder mehr als einen Setzling pflanzen, um sich dann im Sommer bei Familie und Freunden mit dem Satz „Nimm doch ein paar Zucchini mit“ unbeliebt zu machen, so als ob die nicht ihre eigenen Zucchini im Garten hätten.

Wer als Hobbygärtner noch nie in die Zucchini-Falle getappt ist, gehört nach den Gesetzen der Garten-Logik in eine andere Kategorie: den Gärtnern, die pünktlich zur Ernte in Urlaub fahren und bei der Rückkehr feststellen, dass alles verdorben ist. Den Sommerurlaubstermin schon bei der Aussaat im Frühling zu berücksichtigen, ist allerdings etwas für fortgeschrittene Hobbygärtner.

Michèle Sinner
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