Die luxemburgische Sprachenpolizei

Geheimsprache Lëtzebuergesch

d'Lëtzebuerger Land vom 05.07.2013

Heute loben wir den Einsatz der luxemburgischen Sprachpolizei. Sie ist fast so schlagkräftig und effizient wie der luxemburgische Geheimdienst: sobald irgendwo irgendwer Maikäfer sagt oder schreibt (statt, wie es korrekt heißen müsste, Meekéifer), droht die Sprachpolizei schon fast mit dem Stand­gericht. Ein Luxemburger, der sich erdreistet, das kleine, seltene Krabbeltier Maikäfer zu nennen, macht sich nämlich gleich mehrerer Verbrechen schuldig. Er solidarisiert sich mit der Naziherrschaft, er verrät den moselfränkischen Heimatdialekt, er vagabundiert im Reich der Arier und Herrenmenschen, er fällt der Kriegsteilnehmergeneration in den Rücken. Also noch einmal für Schwerhörige und Begriffsstutzige: auf Lëtzebuergesch sagen wir immer und überall Meekéifer und nicht Maikäfer. Verdammt nochmal! Meekéifer!

Da wir nun schon wider Willen in deutschen Gefilden gelandet sind, wollen wir doch gleich mal eine echt deutsche Sprachpartikularität unter die Lupe nehmen. Am 29. Mai 2013 wurde vom Landtag in Mecklenburg-Vorpommern das offiziell längste Wort aus dem juristischen Fachjargon getilgt, nämlich der Bandwurmbegriff „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“ (Achtung, keine Satire!). Leider hat der deutsche Wörterzusammenballungsveranlagungsimperativ in diesem Fall versagt, und alle Bürgerpflichtenverordnungs-paragrafenformularübermittlungsbeamten deutscher Zunge dürften es zutiefst bedauern, dass die Unter­tanen fortan nicht mehr ratzfatz mit der tonnenschweren Sprachwalze überrollt werden dürfen.

Denn dieses geradezu barbarische Sprachmonster hat einen beträchtlichen Vorteil. Die Schlapphüte aus den Schnüffelprogrammen Prism (USA) und Tempora (Großbritannien), die eben dabei sind, Tag und Nacht die gesamte Menschheit auszuspionieren, hätten sich an diesem deutschen Großraumwort die Zähne ausgebissen. Ein aus Sprachklötzen zusammengebauter Begriffsgigant, der abgekürzt auch noch „RkReÜAÜG“ (Achtung, schon wieder keine Satire !) heißt, ist buchstäblich nicht zu knacken. Zumal die englische Sprache Wortungetüme dieser Art nicht kennt, sondern schön ein Wort nach dem andern aufmarschieren lässt. Das abgeschaffte Fachwort hätte also unter den amerikanischen und britischen Schlapphüten schwere Verwirrung stiften können. Die Übersetzungsprogramme wären nachhaltig ins Stottern geraten und die Schnüffler, die hier wie anderswo ja nicht gerade zu den herausragenden Sympathiebolzen und Intelligenzbestien gehören, hätten vor hilfloser Wut sicher regelmäßig ein paar Satellitenschüsseln und Peilantennen zertrümmert. Sollten die Parlamentarier aus Mecklenburg-Vorpommern ihre Fehlentscheidung nicht lieber rückgängig machen? Nur um die Schlapphüte schmachmatt zu setzen?

Und schon sind wir wieder in Luxemburg und stellen fest: Wenigstens bei uns wird die Sprache immer geheimdienstresistenter und schnüffelfester. Das ist unbestreitbar ein Verdienst der Sprachpolizei. Gewiss, wir haben uns früher grün und gelb geärgert über den sturen Fanatismus der Sprachsäuberer. Wie sie ständig mit der Sprachpeitsche knallen und jeden Abweichler vom linguistischen Pfad der Tugend maßlos geißeln, das ging uns immer schon über die patriotische Hutschnur. Für Maikäfer haben wir übrigens nie, wie es amtlich heißen muss, Meekéifer gesagt, sondern immer nur Lanneleckert. Die Sprachpolizei sollte sich gut überlegen, ob sie diese schöne Bezeichnung radikal zu den unzulässigen Sprachverfehlungen zählt. Denn in Zeiten von Prism und Tempora ist der Lanneleckert Gold wert. Der Begriff ist praktisch nicht zu enträtseln, und wenn die Schlapphüte Kopf stehen.

Dürfen wir ebenso munter gestehen, dass wir die Ameise nie Seechomes nannten und schon gar nicht Bujelli, sondern stets nur Strutzbëmmelchen? Und wieder beißen sich die Schlapphüte vor Ärger ins eigene Handgelenk! Was zum Teufel soll ein Strutzbëmmelchen sein? Das steht in keinem Wörterbuch, das wird von keinem Übersetzungsprogramm ausgespuckt. De Gaart ass schonn nees voller Strutzbëmmelcher. Undurchsichtiger geht’s nicht. Wir sehen: Ein bisschen Spieltrieb würde der Sprachpolizei guttun. Auch wenn sie dabei über den eigenen Schatten springen muss. Und ihr beim Sprung die patriotischen Krücken wegbrechen.

Denn ansonsten ist die Sprachpolizei ja schon erfolgreich im Vernebelungs- und Geheimhaltungsbereich tätig. „Luesgekachten Eeër, och nach Zappeeër, huelt iech dat emol op Däitsch, Franséisch oder Englesch erbäi … nixdegibbi!“, schreibt die Sprachpolizei voller Stolz auf RTL.lu. Da haben wir ja das typische Fallbeispiel: Lëtzebuergesch soll überall jenseits der Landesgrenzen möglichst unverständlich bleiben. Unübersetzbar, also nicht nachvollziehbar. Wir sind einzigartig, weil man uns nicht versteht. Genau diese Mentalität ist auf Dauer tödlich für die Schlapphüte in aller Welt. Wir sollten den Schnüfflern möglichst viele Zappeeër und Strutzbëmmelcher an den Kopf werfen. Sie werden uns verfluchen, aber letztlich ganz sicher an unserer Sprache scheitern. So leben wir unbehelligt weiter im Auge des Orkans.

Guy Rewenig
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