Multiprofessionelle Teams

Kompetenzgerangel

d'Lëtzebuerger Land du 24.09.2009

Die Vereinigung Elteren a Pedagogen fir Integratioun hatte die Konflikte vorhergesehen: Wenn der Staat neue regionale Équipes multiprofessionnelles in die Schulen schickt, um dort Kinder mit Lernschwierigkeiten zu helfen, was würde dann aus den bestehenden Förderdiensten, dem der Éducation différenciée zugeordneten Srea (Service réeducatif ambulatoire) und den auf Gemeindeniveau angesiedelten Services de guidance? Man werde sich um eine Lösung bemühen und diese rechtzeitig mitteilen, versprach Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres damals.

Inzwischen stehen die Teams aus Psychologen, Heilpädagogen, Psychomotoriker, Erzieher und Logopäden in den Startlöchern – aber noch ist nicht alles geklärt. Vor allem die Koordination der Dienste bereitet den Verantwortlichen Kopfzerbrechen. Mit der Hauptstadt beispielsweise, die über einen eigenen Beratungs- und Betreuungsdienst für Kinder mit Lernschwierigkeiten ver-fügt, verhandelt das Ministerium derzeit, inwiefern es über eine Konvention die Dienste der Gemeinde einkaufen kann. Die grüne Schulschöffin Viviane Loschetter hatte schon vor den Ferien ihr Interesse an einer Kooperation betont, bedeute sie doch für beide Seiten eine win-win-Situation: für die Stadt, weil diese einen Teil der – nicht geringen – Kosten für ihren Betreuungsdienst an den Staat auslagern kann, in Zeiten klammer Gemeindekassen gerne gesehen. 

Im Gegenzug profitiert das Ministerium respektive profitieren die Inspektoren von der Zusammenarbeit, da sie so von der Koordinationsarbeit entlastet würden. Die Regierung hat die Gespräche mit der Stadt bewilligt, aber noch ist keine Konvention unterschrieben, die Verhandlungen laufen.

Die Finanzierung ist aber nur ein Aspekt der neuen Aufgabenverteilung. Mindestens ebenso kniffelig gestaltet sich die Frage der künftigen Kooperation zwischen Édiff, Schulen und Inspektorat. Schon bahnt sich ein neuer Streit an. Auf der Liste, die die Zusammensetzung der regionalen Teams festlegt und die kürzlich an die Inspektoren verschickt wurde, taucht nur das Personal der Éducation différenciée auf. Viele Gemeinden aber haben über die Jahre eigene Dienste aufgebaut – die jetzt in der Planung fehlen. Die Liste sei nicht vollständig, betont die Édiff-Direktion, sie werde demnächst um die Vorschläge der Inspektoren und der Gemeinden ergänzt. Die aber wollen ihre Vorschläge schon vor Wochen angemeldet haben und fühlen sich von der Édiff-Direktion über-gangen. Zumal auch der neue Koordinator, den die Liste als Ver-bindungsperson zwischen Teams und Inspektorat vorsieht, der aber im Schulgesetz nicht vorgesehen ist, mit ihnen nicht abgesprochen worden sei. Weil die Aufstellung der Équipes nicht abgestimmt, sondern von der Édiff von oben herab bestimmt worden sei, müss-ten die Zuständigkeiten vielerorts neu geklärt werden. „Es herrscht Chaos“, so ein Inspektor, der namentlich nicht genannt werden will. 

Ein Chaos, das mit mehr Teamgeist im Vorfeld hätte vermieden werden können und laut Gesetz eigentlich nicht sein müsste: Denn auch wenn das Édiff-Personal der Édiff und seinen Diensten zugeordnet bleibt, die pädagogische und die organisatorische Zuständigkeit für das Binnenleben der Schulen liegt beim Inspektorat. Laut Grundschulgesetz sind die Équipes multiprofessionelles eher als ultima ratio zu verstehen: Wenn sich ein Kind dauerhaft mit dem Lernen schwer tut und selbst Mindestanforderungen nicht erreicht, tritt die aus Mitarbeitern der Équipe multiprofessionnelle, Inspektorat und Schule bestehende Commission d‘inclusion scolaire zusammen. Sie stellt dann, in Absprache mit den Eltern, einen individuellen Förderplan für den Schüler auf. Das bedeutet nicht nur ein Wechsel der Zuständigkeiten zwischen Édiff und Schule – sondern vor allem der Grundphilosophie: Statt schwierige Kinder in externe Dienste abzuschieben, sind Lehrer respektive Schulen dazu angehalten, mit dem Inspektorat zunächst nach Lösungen in house zu suchen. Der Einsatz externer Profis ist nur für besonders kniffelige Fälle gedacht, wo das pädagogische Know-how der Lehrpersonen nicht ausreicht. 

In einigen Gemeinden klappt das schon gut, andere Équipes scheinen mit dem neuen Ansatz noch nicht ganz vertraut zu sein und teilen Betreuungs- und Förderstunden ohne Absprache mit dem Inspektorat zu. „Da müssen wir die neue Arbeitsweise erst einmal klarstellen“, so eine Inspektorin verärgert. Guy Strauss, Leiter der Abteilung Grundschule im Unterrichtsministerium, jedenfalls weiß um die Kompetenzkonflikte: „Wir wollen fort von der quantitativen Logik. Aber an der Feinabstimmung müssen wir noch arbeiten.“ 

Ines Kurschat
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