Paradise Papers: Shakiras Vermögen in Luxemburg dürfte sich nicht auf 31 Millionen Euro beschränken

Waka Waka

d'Lëtzebuerger Land vom 10.11.2017

Hatte es erst so ausgesehen, als ob Luxemburg bei dem neuesten Datenleck des Jouranlistenkonsortiums ICIJ, den sogenannten Paradise Papers, verschont bleiben würde, dauerte es keine drei Tage, bis es doch eine Verbindung gab: Über die Firma Tournesol in Malta hat die kolumbianische Sängerin Shakira, deren vollständiger Name Shakira Isabell Mebarak Ripoll lautet (so im maltesischen Firmenregister nachzulesen), die Firma Ace Entertainment Sàrl gegründet und dort 2009 Rechte an ihrer Musik im Wert von 31 Millionen Euro untergebracht. Wahrscheinlich aber liegt der eigentliche Skandal um Shakiras Gelder in Luxemburg woanders.

Das Gesicht von Shakira in Luxemburg, beziehungsweise ihr Strohmann, ist Carlo Schneider, ehemaliger Journalist, Ex-Kommunikationsdienstleister, Müsli-Vertreiber und Mitglied in vielen Verwaltungsräten. Schneiders Konterfei prangt unter dem Spruch „Our team is leaded by Carlo Schneider, a senior manager, with a 20+ years experience in IP rights & business management“ auf der Webseite von Ace Entertainment. Die Firma hat 2016 einen Umsatz von sieben Millionen Euro gemacht, 3,7 Millionen Euro für laufende Ausgaben, 134 000 Euro für drei Teilzeitbeschäftigte bezahlt und 52 000 Euro Steuern. Shakiras Musikrechte sind nach den Wertberichtigungen der vergangenen Jahre laut Bilanz nur noch 7,7 Millionen Euro wert. Schneider konnte sich auf Nachfrage vom Land nicht zu den Berichten internationaler Medien wie Le Soir oder Le Monde äußern, die Sängerin habe ihre Rechte in Luxemburg vor allzu hohen Steuern in Sicherheit gebracht. Dazu sei er nicht befugt, so der Business Manager. Auch nach Absprache mit Shakiras Finanzberater und Anwalt Ezequiel Camerini gab es keinen Kommentar.

Wichtiger als die Musikrechte sind in der Bilanz von Ace aber ohnehin wohl andere Posten. So hat Ace Entertainment eine Wandelanleihe ausgegeben (genannt Convertible Preferred Equity Certificates, CPEC), die einem privaten Spezialfonds namens Ace Investment Fund (AIF) gehört. Die Eigentümerschaft von AIF lässt sich anders als bei Ace Entertainment via Tournesol Ltd nicht direkt auf Shakira Mebarak zurückführen, doch SIM Investment Holdings, die Eigentümerin des Fonds, ist unter der gleichen Adresse in Malta registriert und Ezequiel Camerini, der in den vergangenen Tagen als ihr Sprecher fungierte, ist bei SIM genauso Verwaltungsratsmitglied wie bei Tournesol. Außerdem ist es die AIF Mutterholding SIM Investment, die Ace Investment Fund die von Ace Entertainment Sàrl ausgestellten CPECs überschreibt. Demnach muss es eine Verbindung zwischen SIM und Ace Entertainment geben. Camerini stellt gemeinsam mit Carlo Schneider ebenfalls den Verwaltungsrat von AIF. Gut möglich also, dass es sich bei AIF um den eigentlichen Schatz Shakiras in Luxemburg handelt.

AIF besitzt den Firmenbilanzen zufolge Ende 2016 CPECs, also Wandelanleihen, im Wert von 33 Millionen Euro, wovon 13 Millionen Euro Zinsen sind, die bei ACE Entertainment angespart und erst bei der Umwandlung fällig werden (siehe auch Volkswagen, d’Land, 44/2017). Ace Entertainment gewährt im Gegenzug dem Investmentfonds eine Kreditlinie, die bis zu 200 Millionen Euro gezogen werden kann und die mit 6,25 Prozent verzinst ist. Bis Ende 2016 waren davon 45 Millionen Euro beansprucht. Durch dieses Arrangement halten sich in der Bilanz von Ace Entertainment die Zinseinnahmen und die Zinsausgaben die Wage. Ace Investment Fund unterliegt seinerseits laut Bilanz nur der Abonnierungstaxe.

Ace Investment Fund hat in Luxemburg die Filiale Carpe Diem Corp gegründet, wiederum stellt das Duo Schneider-Camerini den Verwaltungsrat. Mit Carpe Diem Corp hat der Spezialfonds Ace Investment Fund einen Income sharing loan über 126 Millionen Dollar abgeschlossen, worauf Carpe Diem vergangenes Jahr 730 541 Dollar Zinsen zahlte und anstatt Dividenden an die Muttergesellschaft zu entrichten einen Verlust von 263 979 Dollar verbuchte. So ist es auch möglich, dass Carpe Diem bei einem Firmenkapital von knapp mehr als einer Million Euro (und einem entsprechend kleinen Buchwert in der Bilanz von AIF) Ende 2016 über ein Investmentportfolio im Wert von über 100 Millionen Dollar verfügte, angelegt unter anderem in Produkten aus den Häusern Goldman Sachs, Safra und Pictet sowie Bargeldeinlagen. Waka Waka! – der Ace Investment Fund verfügte Ende 2016 laut Bilanz über Aktiva von 172 Millionen Dollar, denen auf der Passivseite die von Ace Entertainment vergebene Kreditlinie von 46 Millionen Dollar gegenüberstand, das Nettovermögen des Fonds betrug demnach 126 Millionen Dollar.

Dabei konnten die Buchprüfer von AIF in den Jahren 2014 und 2015 nicht bestätigen, dass es diese Aktiva tatsächlich gibt. 2014 lehnte es Grant Thornton geradewegs ab, eine Beurteilung über die Richtigkeit der Konten abzugeben. dafür gab es gleich mehrere Ursachen. So hatte beispielsweise die von Schneider geleitete Ace Entertainment Sàrl seit 2012 keine Bilanz mehr veröffentlicht. Die Buchprüfer konnten also nicht feststellen, wie es um die Wandelanleihe (CPEC) stand und die um darauf zu erwartenden Zinsen. Von den Millionen, die über Carpe Diem in Investmentfonds angelegt sein sollten, konnten die Buchprüfer sechs Millionen Dollar nicht nachvollziehen, ebenso wie sie, mangels Firmenbilanzen, Außenstände von 14 Millionen Dollar von der Mutterholding in Malta und einer weiteren verwandten Holding nicht kontrollieren konnten.

2015 weigerte sich Grant Thornton wiederum, AIF eine Prüfungsbescheinigung auszustellen, weil es unmöglich war, die Existenz und Herkunft von Außenständen und Investitionen im Wert von rund 40 Millionen Dollar zu bestätigen, davon 22,9 Million Dollar in Investmentfonds investiert, zuzüglich der Wandelanleihen und der darauf fälligen Zinsen im Wert von 33,6 Millionen Euro. Alles in allem fehlten Grant Thornton die Nachweise für insgesamt über 70 Millionen Dollar beziehungsweise 57,5 Prozent des Fondsvermögens.

Den Bilanzen von Carpe Diem ist keine Buchprüferbescheinigung beigefügt. In der Bilanz von 2016 allerdings werden Buchführungsfehler eingeräumt und ausgebügelt: Nach allerhand Umbuchungen tauchen plötzlich die 22,9 Millionen Dollar auf, die Grant Thornton im Jahr zuvor bei der Prüfung der AIF-Bilanz vermisst hatte. So erklärt sich, dass in den Bilanzen des Geschäftsjahres 2016 von AIF und Carpe Diem der Wert des Investmentportfolios von Carpe Diem einmal auf 106 Millionen Dollar (AIF Bilanz) festgelegt wird und einmal auf 128,9 Millionen Dollar (Carpe Diem Bilanz).

Buchprüfer können die Existenz von Aktiva eines Investmentfonds nicht nachvollziehen und verweigern den Prüfungsbescheid? Ohne dass es in den Bilanzen einen Hinweis darauf gäbe, dass die CSSF eingegriffen hätte, die sich zum spezifischen Fall nicht äußert ? Wer hätte das, nach Bernie Madoff und seinen Schneeballfonds mit inexistenten Aktiva, noch für möglich gehalten? Möglicherweise also ist der wirkliche Skandal um Shakiras Geldanlagen in Luxemburg nicht, dass sie ihre Musikrechte hier untergebracht hat, sondern vielmehr ihre Finanzberater ein so undurchsichtiges Netz an Firmen gestrickt haben, dass der Buchprüfer nicht mehr kontrollieren kann, ob sie das Geld tatsächlich wie angegeben angelegt haben. 2016 hat Ace Investment Fund den Buchprüfer gewechselt. Auch RSM Audit Luxembourg monierte noch die Unüberprüfbarkeit von Außenständen gegenüber der Mutterholding SIM Investment Holdings in Malta von 9,2 Millionen Dollar, fand aber ansonsten eine ausreichende Basis, um dem Fonds zu bescheinigen, die Konten würden die Realität widerspiegeln. Angesichts der Diskrepanz in der Bewertung des Investmentportfolios von 22,9 Millionen Dollar in den Bilanzen des Fonds und seiner Filiale Carpe Diem Corp ist das erstaunlich.

Michèle Sinner
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