Im Konflikt um den Suneo-Park spielt keine Seite mit wirklich offenen Karten

Hohe Wellen

Darüber, dass am See etwas passieren muss, weil der Campingplatz nicht mehr läuft, herrscht in Weiswampach Einigkeit
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 31.08.2018

„TOURISMUSPROJET VIRLEEFEG GESTOPPT“, meldete Hubert Hollerich, Kandidat von Déi Lénk im Norden bei den Kammerwahlen, kürzlich auf seiner Facebook-Seite. Dank der gemeinsam mit seiner Frau Karin Meyer, ebenfalls Déi Lénk-Kandidatin, gestarteten Interventionen, sei das Projekt Suneo-Park für eine Ferienanlage mitsamt Hotel, Ferienhäuschen, Wasserschianlage, Fun- und Kletterpark in Weiswampach vorläufig gestoppt. Das ist eindeutig Selbstüberschätzung. Denn dass sich der Baubeginn des 50-Millionen-Euro-Projekts, das vom Wirtschaftsministerium mit fünf Millionen Euro bezuschusst wird, verschiebt, liegt weniger an Hollerichs Einsatz, als vielmeht daran, dass die Promotoren der belgischen Lamy Group es bisher nicht geschafft haben, die notwendigen Genehmigungen zu beantragen.

Dass die Wogen um den geplanten Suneo-Park, der auf Gemeindegrundstücken um die Weiswampacher Seen, unter anderem auf dem Camping-Platz entstehen soll, dermaßen hochschlagen, im Internet mit Großbuchstaben geschrien wird, sich Medienberichte überschlagen und mit Gegendarstellungen gekontert werden, hat gleich mehrere Ursachen. Ohne Sommerloch wäre das Medieninteresse wahrscheinlich weniger groß gewesen. Vor den Kammerwahlen ist das Projekt eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren. Sowohl für Oppositionskandidaten als auch für Regierungsmitglieder wie Staatssekretärin Francine Closener (LSAP), die das Projekt zusammen mit Vertretern der Gemeinde und von Lamy Mitte Juni als einen Erfolg ihrer Bemühungen vorstellte, das Luxemburger Tourismusangebot zu erneuern. Vielleicht spielen auch die Spannungen zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium, die bei den Projekten Knauf und Fage offen zutage traten, eine Rolle. Und offene Rechnungen in Weiswampach, wo Henri Rinnen nach den Gemeindewahlen vergangenen Herbst nach dem Prinzip „Mehrheit ist Mehrheit“ das Bürgermeisteramt beanspruchte, obwohl er nicht Erstgewählter war.

Seit Wochen ist Bürgermeister Rinnen in der Defensive, muss sich gegen allerhand Falschinformationen und -interpretationen wehren. Daran, meint so mancher, sei er selbst Schuld. Über die Konvention zwischen Gemeinde und Lamy Group, in der die Bedingungen des Erbpachtvertrages festgehalten sind und deren Inhalt in den vergangenen Wochen heftig diskutiert wurde, ließ er den neuen Gemeinderat gleich in der ersten Sitzung nach den Wahlen abstimmen. „Die neuen Gemeinderatsmitglieder waren überfordert“, sagt Michel Deckenbrunnen, zweiter Schöffe in Weiswampach. Da war an den mit Lamy verhandelten Bedingungen nicht mehr viel zu ändern. Die Bürger der Gemeinde informierte der Gemeindevorstand auf einer Versammlung, zu der nicht alle Einwohner, sondern die Vertreter lokaler Vereine eingeladen waren – nachdem Henri Rinnen, sein erster Schöffe Norbert Morn, Francine Closener und die Brüder Joan und Jordane Lamy das Projekt Mitte Juni am hauptstädtischen Boulevard Royal der Presse vorstellten. Dass das Projekt nicht im Detail mit den Einwohnern besprochen wurde, dass sie, bevor es im Gemeinderat angenommen wurde, keinen Input geben konnten, was am See geschehen sollte, ist laut Deckenbrunnen die Ursache dafür, dass die Bürger einerseits viele Fragen haben und andererseits negativer eingestellt sind, als sie es andernfalls vielleicht wären. Denn in Weiswampach und Umgebung gilt als unumstritten, dass am See etwas passieren muss, weil der Campingplatz nicht mehr läuft.

Trotz aller Polemik: Lamy Group hat bisher nichts unternommen, wozu das Unternehmen nicht berechtigt wäre. Keine Schaufel Erde wurde in Weiswampach bewegt. „Wir hatten nie die Absicht, Arbeiten ohne Genehmigungen zu beginnen“, sagt Jordane Lamy gegenüber dem Land. Er hat seit Juni ein wenig Kreide gegessen. Auf der Pressekonferenz wurde vollmundig erklärt, die Arbeiten würden im September beginnen. Dabei musste allen Beteiligten bereits damals klar sein, dass dieser Termin unmöglich einzuhalten war. Denn wie Jordane Lamy diese Woche einräumt „sind die Genehmigungsdossiers noch nicht alle hinterlegt. Das Dossier ist noch nicht vollständig.“ Diesen Rückstand führt Henri Rinnen darauf zurück, dass Lamy in einer ersten Phase die Genehmigungen für den Hotel-Komplex beantragen wollten, in einem zweiten Schritt die für die restlichen Anlagen, dann aber beschloss, alles zusammen zu beantragen. Dazwischen wurde das Ingenieurbüro gewechselt...

Nun sagt Jordane Lamy: „Für Ende September wird alles eingereicht sein.“ Das Stichdatum Ende September ist wichtig, weil die Konvention zwischen Gemeinde und Lamy verschiedenen Bedingungen unterliegt: „La condition que le preneur [Lamy Group, Anmerkung der Redaktion], obtienne toutes les autorisations administratives requises, c’est-à-dire tant communales qu’étatiques et que lesdites autorisations soient définitives et exécutoires, c’est-à-dire purgées de tout recours ou annulation, pour le 30 juin 2018 au plus tard.“ Eine Bedingung, die so festgehalten wurde, damit die Gemeinde durch die Konvention nicht unbefristet an einen Promoter gebunden ist, der nichts unternimmt. Doch weiter unten heißt es: „Dans l’hypothèse où l’ensemble des autorisations administratives requises ne devraient pas avoir acquis un caractère définitif et exécutoire pour le 30 septembre 2018 au plus tard, tant le propriétaire [die Gemeinde, Anmerkung der Redaktion] que le preneur pourront résilier la présente convention.“

Projektgegner wie Hubert Hollerich interpretieren diese Klauseln so, als ob die Konvention hinfällig sei. Henri Rinnen und Jordane Lamy sehen das anders. Keine der beiden Seiten will von der Kann-Klausel Gebrauch machen, die Ende September in Kraft tritt. Und auch Schöffe Michel Deckenbrunnen, der selbst gegen die Konvention stimmte, die Entscheidung der Mehrheit aber respektiert, sieht die Konvention nicht als hinfällig. Er fordert hingegen, dass Lamy der Gemeinde klar und deutlich sagt, woran man mit den Genehmigungsprozeduren ist, und über einen Vertragszusatz ein neues Stichdatum festzuhalten. Womöglich liegt es daran, dass eine solche Fristverlängerung bisher nicht erfolgte, – darüber müssten die Gemeinderäte abstimmen –, dass sich die Vertreter von Lamy Group bisher gezwungen sahen, zu sagen, die Arbeiten würden im September beginnen – auch als sich Hollerich zusammen mit seiner Frau bei einem Vertreter von Lamy als am Projekt interessiertes Touristenpaar vorstellte.

Kaum eine Seite im Konflikt um den Suneo-Park spielt mit offenen Karten; die Antwortschreiben an Hubert Hollerich vom Arbeits- und vom Umweltministerium gingen nicht einmal als Kopie zur Information an die Gemeinde. Um deren Inhalt gibt es Interpretationsdivergenzen. Während Nicolas Schmit (LSAP) lediglich bestätigte, welche Kommodo-Verfahren für die verschiedenen Teile des Ferienkomplexes notwendig sind, dass vor Baubeginn eine Genehmigung notwendig ist – eine Selbstverständlich-, keine Neuigkeit – zögerte er nicht, den Bericht einer Sitzung bei der Gewerbeaufsicht anzuhängen, die Projektdetails liefert, und immerhin belegt, dass Lamy daran arbeitet, die Genehmigungen einzuholen.

Das Schreiben des Staatssekretärs für Umwelt, Claude Turmes (Déi Gréng), sorgte für noch mehr Wirbel. Denn darin schrieb Turmes einerseits: „La seule information dont dispose le Départment de l’environnement sur le début des travaux est celle annoncée récemment dans la presse nationale. Il m’est pas possible d’en juger la pertinence. […] D’après les éléments énoncés dans votre courrier, le projet est susceptible de tomber sous le champ d’application de la loi du 15 mai 2018 relative à l’évaluation des incidences sur l’environnement. En absence d’une demande de la part du promoteur, je ne suis pas en mesure de me prononcer définitivement sur le dossier.“ Daraus schlussfolgerte Projektgegner Hollerich, laut Turmes sei die strenge Umweltprüfung zwingend notwendig. Im Umweltministerium teilt man diese Auslegung nicht, wie ein Ministeriumssprecher dem Land bestätigt. Um alles zu klären, teilt er schriftlich mit, wolle man kurzfristig ein Treffen einberufen.

Dennoch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn dass man beim Umweltministerium nur über Informationen aus der Presse verfügte, widerlegt eine E-Mail aus dem Ministerium vom Juli 2017, die Turmes nicht erwähnt. Darin schrieb ein hochrangiger Beamter der Abteilung Umwelt im Infrastrukturministerium der Gemeindeverwaltung Weiswampach, nach einer Sitzung mit Lamy Group habe man sich intern die Frage nach den notwendigen Genehmigungen gestellt. „Hei d’Aschätzung vun der Emweltverwaltung, déi ech iech mattdeelen, fir ze verhënneren, dass spéider do nei Froen opdauchen“; danach zählt der Beamte die von der ITM und Schmit bestätigten Kommodo-Klassen an und erklärt: „De Projet fällt opgrond vun senger Laag nët ënnert d’Dispositiounen vun enger EIE um Niveau vum Projet. (EIE = évaluation des incidences environnementales /net ze verwiesselen matt der SUP déi um Niveau vum PAG gemaach gët.“ Im alten PAG – ein neuer liegt noch nicht vor, demnach ist noch keine Strategische Umweltprüfung gemacht – ist das Gebiet Henri Rinnen zufolge als Tourismuszone ausgewiesen.

Die fragliche E-Mail spielt ein Ministeriumssprecher gegenüber dem Land nun als „eine erste Einschätzung eines Beamten“ herunter. Was Turmes nicht ausführlich erklärt und was ungerechtfertigt den Eindruck erwecken konnte, Gemeinden und Promotor versuchten, obligatorische Umweltprüfungen zu umgehen, ist, dass die Gesetzgebung seit Juli 2017 geändert hat. Zwar verweist der Staatssekretär auf das Gesetz vom 15. Mai, sagt aber nicht, dass die Zuständigkeit für die EIE damit von der Umweltverwaltung zum Minister gewechselt ist und dass ein Tourismusprojekt außerhalb des urbanen Raums im zugehörigen Reglement zu den Projekten gezählt wird, in denen „au cas par cas“– dieses Willkürprinzip steht tatsächlich im Reglement – entschieden wird, ob eine solche Prüfung anfällt oder nicht. Damit könnte es nun eine politische Entscheidung werden, ob das Umweltministerium eine Umweltprüfung für das vom Wirtschaftsministerium subventionierte Projekt anordnet oder nicht.

Das sind beileibe nicht die einzigen strittigen Punkte. Projektgegner wittern falsches Spiel, weil die Konvention noch nicht notariell beglaubigt ist und darin die genauen Parzellen nicht eingezeichnet waren, die Lamy Group von der Gemeinde pachten will. Lamy Group hatte im Juni großspurig von einem 65 Hektar-Projekt-Areal geschrieben, erhält aber im Endeffekt laut Henri Rinnen etwa 15 Hektar zur Pacht. Das Katasteramt teilt dazu derzeit die zwei Gemeindeparzellen, die insgesamt eine Fläche von 65 Hektar ergeben in neue, kleinere Parzellen ein. Dadurch wird beispielsweise ein eingetragenes Biotop aus der Pachtfläche entfernt und geplante Wanderwege. Erst danach kann die Gemeinde mit Lamy zum Notar.

Polemisiert wird außerdem darüber, ob Lamy sein Gelände einzäunen wird, beziehungsweise darf. In der Konvention steht, das Unternehmen „kann“ dies mit Zustimmung der Gemeinde tun. Jordane Lamy zufolge will die Firma lediglich ihren Fun-Park, die Sport- und Freizeitinfrastruktur einzäunen, was wahrscheinlich schon allein aus Sicherheitsgründen notwendig ist. Henri Rinnen bekräftigt, dass es weiterhin möglich sein wird, um den See zu spazieren und auf dem Areal auf der gegenüberliegenden Seite der See-Buvette zu grillen und zu baden. Dass Vereine ihre üblichen Feste nicht mehr abhalten dürften und dabei Bratwürste und Getränke verkaufen, wie Projektgegner behaupten, dem widerspricht auch der kritische Schöffe Michel Deckenbrunnen.

Ein weiterer Dorn im Auge der Gegner ist die Ankündigung von Lamy, Hotelzimmer an Investoren verkaufen zu wollen, denen eine Rendite von vier Prozent in Aussicht gestellt wird und, wenn die Steuerbehörden das Modell absegnen, die Mehrwertsteuer zurückzuverlangen. Gegen dieses Modell laufen die Gegner Sturm, die laut Hollerich dabei sind, eine Bürgerinitiative zu gründen. Obwohl Jordane Lamy sagt, eine Zusage der Steuerbehörden stünde noch aus und das Projekt sei deshalb noch gar nicht zum Verkauf angeboten. Die Konvention ihrerseits sieht vor, dass niemand dort einen Wohnsitz anmelden kann.

In diesem Kleinkrieg um die Paragrafen der Konvention ist bisher ein wesentlicher Punkt unter den Tisch gefallen. Zwar regelt sie, dass nach Ende der Erbpacht von 99 Jahren und falls sie nicht erneuert wird, alle Immobilien, Hotel, Ferienwohnungen und Freizeitanlagen in den Besitz der Gemeinde übergehen – ausdrücklich sogar eventuell verkaufte Hotelzimmer. Aber obwohl darin vorgesehen ist, dass Lamy Bankgaranten zur Errichtung der Gebäude hinterlegen muss, besagt sie nicht, was passiert, falls dem Promotor im Laufe der Jahre das Geld ausgehen sollte und er insolvent wird.

Überhaupt sind die grundlegenden Anliegen der Projektkritiker etwas in den Hintergrund geraten. Das Projekt, sagt Hollerich nicht zu Unrecht, laufe auf eine Privatisierung des bisher öffentlichen Raums hinaus. Der untere See, an dem, wenn es keine Blaualgen gibt, gebadet werden kann, ist wesentlich kleiner als Pläne das vermuten lassen. Die Wasserschi- und Wakeboard-Anlage, das festinstallierte Kabel, das die Sportler zieht, nimmt einen beträchtlichen Teil davon in Anspruch, ein weiterer Teil wird von der Wasserspielinsel besetzt. Der Teil, in dem gebührenfrei gebadet werden kann, wird ohne Zweifel eingeschränkt. Die Frage aber, ob es eine größere Nachfrage nach gebührenfreiem Baden oder nach gebührenpflichtigen Wasserspielinseln und einer Wasserschi- und Wakeboard-Anlage gibt, wurde bisher nicht sachlich diskutiert.

Michel Deckenbrunnen stimmte gegen das Projekt, weil er das Hotel, das mit rund 80 Zimmern veranschlagt ist, für Weiswampach überdimen­sioniert findet und bezweifelt, dass es ausgelastet sein wird. Wenn Lamy 50 Millionen investieren will, gehen die Unternehmer wahrscheinlich davon aus, dass sie die Investition rentabilisieren können, meint auch er. Aber Zahlen haben sie bisher niemandem gezeigt. Die Gruppe der Projektgegner um Hubert Hollerich ist der Ansicht, bei dem Vier-Sterne-Hotel mit Wellness handele es sich um ein Luxusprojekt, das eine „Schicki-Micki“-Klientel anpeile. Das ist Ansichtssache. Der Preis für eine Übernachtung meint Jordane Lamy, werde je nach Zimmer zwischen 70 und 100 Euro betragen – was günstiger ist als die Übernachtung in einem Sporthotel der Region, in dem viele Luxemburger gerne für ein Wellness-Wochenende absteigen. Der Preis für ein Wochenende im Ferienhäuschen könnte zwischen 300 und 600 Euro betragen, was auf 25 bis 50 Euro pro Person pro Nacht hinauslaufe, erklärt Lamy. Alle Anlagen, Fun-, Kletter- und Aqua-Park, unterstreicht der Unternehmer, sollen gegen Gebühr Gästen von außen offenstehen, die nicht dort übernachten. Es ist nicht auszuschließen, dass Familien mit Kindern aus der Region oder sogar aus dem Süden gerne auf ein solches Angebot zurückgreifen würden.

Michèle Sinner
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