Luxusfahrzeuge

Autokommunikation

d'Lëtzebuerger Land vom 25.09.2015

Wenn die Unternehmensberater von KPMG Recht haben, dann verkauft eine Gattung Autos sich in Luxemburg richtig gut: Luxusautos. Insgesamt wuchs der heimische Automarkt vergangenes Jahr um 2,6 Prozent. Die Nische der Luxusautos aber wurde nicht etwa nur um fünf Prozent größer, oder um zehn, sondern um 51 Prozent. Nur 2006 waren es noch mehr: 64 Prozent. Dann kam die Krise und es ging während drei Jahren sogar deutlich bergab. Der Aufschwung von 2014 war der erste richtig große nach acht Jahren. Und wie die Dinge liegen, könnte er 2015 anhalten. Von so manchen Marken, die KPMG im Mai in einem Bericht dem „Luxembourg luxury car market“ zurechnete, wurden bis Ende August derart viele verkauft, dass die Bilanz Ende des Jahres noch besser aussehen könnte als 2014. Bei Aston Martin, Bentley und Ferrari zum Beispiel.

Das könnte heißen, dass die Krise nun vorbei ist – falls Luxusautokäufer besonders gut wissen, wann es schlau ist, viel Geld für ein neues Auto auszugeben. Oder es bedeutet etwas ganz anderes. Ob man die Käufer von Luxusautos mir nichts dir nichts mit allen anderen Autokäufern vergleichen kann, fragt sich ohnehin. Sie selber würden das vermutlich von sich weisen. Wo bliebe andernfalls der Distinktionseffekt des Luxus? „Luxusmarken“, schreibt Jean-Noël Kapferer, einer der weltweit führenden Markenexperten, „dienen als Symbol in einem sozialen oder individuellen Kommunikationsprozess und befriedigen Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, sozialer Abgrenzung und Anerkennung“1. Gut möglich, dass aus der Luxusautomarktstatistik vor allem folgt, dass an der Bevölkerung einfach der Anteil derer zugenommen hat, für die der erhebende Kommunikationsprozess mit sich selbst mittels besonderer Autos erschwinglich ist.

Aber was ist ein Luxusauto? Die Antwort darauf fiel in den Fünfziger- und Sechzigerjahren leichter als heute. Damals waren Cadillac, Bentley und Rolls-Royce der Inbegriff des automobilen Luxus, der etwa Staatsoberhäuptern zur Verfügung stand. Auch Großherzogin Charlotte ließ sich in einem Cadillac chauffieren. Selbst der Ostblock hatte seine Luxuslimousine: den sowjetischen Tschaika, der sechs Meter lang und in seiner Form an den Packard Patrician aus der Produktion des großen Klassenfeinds angelehnt war. Träfe diese Kategorisierung heute noch zu, wäre der Luxemburger Luxusautomarkt klein: Rolls-Royces wurden vergangenes Jahr hierzulande sechs Stück neu zugelassen, Bentleys 26, Cadillacs elf.

Heute sagen Branchenkenner, was noch vor ein paar Jahrzehnten Ausstattungsmerkmale von Luxusautos waren, böten mittlerweile siebzig Prozent aller Autos. Nämlich jede Menge von dem, was man zum Fahren eigentlich nicht braucht. Komfort halt. Wenn der technische Fortschritt Accessoires wie Hifi im Auto oder elektrischen Fensterantrieben schon lange in die Massenfertigung verholfen hat und Bordcomputer mittlerweile Standard sind, und wenn mindestens ein besonders großes Modell mit viel Platz zur Produktpalette aller Marken gehört – dann äußert sich die luxuriöse Distinktion in besonders edlen Interieurs sowie in der äußeren Form, etwa wenn Mercedes damit wirbt, beste Aerodynamik zu bieten. Und das Marken-Image zählt.

Leider gibt es in Luxemburg, obwohl die Zahl der Fahrzeuge pro tausend Einwohner in keinem EU-Staat höher ist, nur in Ansätzen eine Marktstatistik und keine wirkliche Automarktforschung. KPMG, die sich seit 2012 in Abständen darin versucht, listet unter dem „Luxembourg luxury car park“ die Marken Aston Martin, Bentley, Bugatti, Ferrari, Lamborghini, McLaren, Rolls-Royce und Tesla. Von Autos dieser Marken wurden 2014 zusammengenommen 145 Stück neu zugelassen, 2013 waren es 96, daher der 51-Prozent-Zuwachs.

Die Aufzählung hat manch Willkürliches an sich: Ist es der Komfort, der Luxus ausmacht, dann fehlt in der Liste die S-Klasse von Mercedes genauso wie der 7er BMW und der Audi A8. Und es erstaunt, wie viele Hochleistungs-Sportwagen im Klassement vorkommen: Luxuriös dahingleiten lässt es sich in einem McLaren, einem Lamborghini oder einem Ferrari nicht.

Doch vielleicht ist es gar nicht so falsch, einen Markt der Luxus- und Hochleistungsfahrzeuge zusammengenommen zu betrachten. Denn daraus lässt sich nicht nur schließen, dass hierzulande viele „besondere“ Autos ihren Abnehmer finden, sondern dass „Luxus“ sich auch immer mehr am Unterscheidungsmerkmal Leistung festmacht. Ein Fahrzeug einer Marke mit Rennsporttradition zu besitzen, verspricht, sich mit Gewinnern assoziieren zu dürfen. Und mit einem automobiltechnischen Fortschritt, der die Teilnahme an Rennen erst ermöglicht, und damit mit einer Avantgarde schlechthin. Man kann übrigens behaupten, dass diesen Genuss noch mehr solvente Autokunden suchen, als der KPMG-Marktbericht suggeriert, denn darin kommen Maserati und die getunten Mercedes AMG nicht vor. Stünden sie mit in der Bilanz, wäre die Nische der Luxus- und Hochleistungsautos noch wesentlich breiter: Allein Maserati verkaufte 2014 hierzulande 92 Fahrzeuge, Mercedes AMG 46.

Womöglich ist der Kundenwunsch, sich einer Wettbewerbsfähigkeit sowie einer Nähe zum Technikfortschritt zu versichern, es auch, was den enormen Verkaufserfolg Porsches in Luxemburg erklärt: Nicht als Luxusmobile im Sinne exklusiven Komforts, aber als alltagstaugliche Sportwagen sowie dem Sonderling Cayenne als SUV, und dank eines Herstellers, der sich als ein Technologieführer im Autobau empfiehlt. 2014 wurden hierzulande 567 Porsches neu zugelassen und dieses Jahr allein bis Ende August 583. Sollten die Zulassungszahlen bis Jahresende auf 800 zunehmen, könnte Porsche auf an die 1,5 Prozent Marktanteil kommen. So stark verkauft die Marke sich höchstens noch in den arabischen Ölmonar-chien. Was einiges aussagt über das Kaufkraftniveau einer gehobenen Klientel in Luxemburg.

Welche Auswirkungen wird die elektrische und mehr noch die digitale automobile Zukunft auf die „Luxusklasse“ haben, so schwierig, wie diese schon jetzt zu fassen ist? Eine Luxusmarke, schreibt Experte Kapferer, sei „mehr als alle übrigen Marken“ ein „Zeugnis eines nach innen gerichteten Projekts. Sie ist keine Antwort auf eine Nachfrage, sondern in ihr drückt sich ein schöpferischer Wille aus“. Was aber, wenn sich als ein Entwicklungspfad das autonome Fahren im „Roboter-Automobil“ abzeichnet – nicht für morgen, aber vielleicht für übermorgen? Bringt das am Ende auch den Luxusautomarkt durcheinander, weil „autonomes Fahren“ eher nach Carsharing klingt als nach Besitz exklusiver Fahrzeuge?

Wer die Marketingexperten von Mercedes Luxemburg danach fragt, bekommt zur Antwort, der digitale Trend werde zunächst wohl zu mehr Intelligenz im Auto führen und dazu, dass dieses sozusagen immer fähiger werde, sich auf den Fahrer und seine Vorlieben einzustellen und ihm immer besser zu assistieren – ebenfalls ein Distinktionsfaktor. Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer erklärte in einem Zeitungsinterview auf eine ähnlich gestellte Frage, autonomes Fahren gebe es bei Bentley schon lange, denn „bei uns hat der durchschnittliche Kunde einen Chauffeur, und der bringt ihn dahin, wo er möchte“.2

1 Jean-Noël Kapferer, „Luxusmarken“. In: Franz-Rudolf Esch (Hg.), Moderne Markenführung, Wiesbaden, 2001
Peter Feist
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