Euro-Krise

Verunsicherung

d'Lëtzebuerger Land du 01.07.2010

Nicht rechtzeitig habe Europa auf die Schuldenkrise reagiert, doch angesichts der sonstigen Trägheit Europas sei die Reaktion dennoch recht schnell gewesen, hatte Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) beim Luxembourg Financial Forum Anfang Juni gesagt. Da hatte er auch gemeint, die getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung besagter Krise – sofortige Nothilfen für Griechenland und 440-Milliarden-Euro-Rettungsfonds – seien gut und ausreichend, wenn die Finanzmärkte sie verstehen würden.

Nun sieht es so aus, als ob nicht mal die Erfinder des so genannten Schutzschirmes die eigene Bedienungsanleitung verstehen würden. Bis Ende Juni, hatte man versprochen, solle der Rettungsschirm aufgespannt, der von Luc Frieden gegründete Rettungsfonds, die European Financial Stability Facility (EFSF) einsatzbereit sein. Sie soll insolventen Euroländern bis zu 440 Milliarden Euro leihen können. Doch noch vergangene Woche herrschte zwischen EU-Kommission, Eurogruppenvorsitz und Hauptbürge Deutschland Uneinigkeit darüber, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen.

Derartige Unstimmigkeiten nähren Zweifel daran, dass die Entscheidungsträger der Eurozone tatsächlich die Reißleine finden werden, wenn ein Mitgliedstaat abstürzt, und dann das nötige Geld parat steht. Keine guten Vorraussetzungen für ein Instrument, das auf eine Shock-and-awe-Wirkung abzielt, also darauf, dass sich die Finanzmärkte aufgrund der riesigen Summen, die zur Verfügung gestellt werden, beruhigen und sich deswegen der Einsatz erübrigt.

Tatsächlich war es vergangene Woche so teuer wie nie, sich gegen ein Ausfallrisiko auf griechischen Staatsanleihen zu versichern – eine Versicherung für zehn Millionen Euro Griechenland-Schulden kostete fast eine Million Euro. Die Zinsaufschläge, die Griechenland und Spanien den Geldmärkten im Vergleich zu Deutschland bieten müssen, um Geld auszuleihen, steigen weiter an, sind noch höher als vor dem Beschluss zum Rettungsschirm: Die Abschreckungsstrategie greift nicht. Deswegen sind klare, unmissverständliche und allseits übereinstimmende Signale, wann und wie die EFSF einsatzbereit ist, dringend geboten. Vor allem weil Griechenland Anfang Juli die Wassertemperatur an den Anleihemärkten mit der Ausgabe von Schatzanweisungen testen will, 24 Milliarden Euro fällige iberische Anleihen zurückgezahlt werden müssen und Spanien über den Sommer neue Schulden aufnehmen will.

Langweilig wird es ohnehin nicht in der europäischen Bankenlandschaft. Ursache dafür ist nicht allein die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, zum Donnerstag 442 Milliarden Euro einjährige Sonderkredite von den Banken zurückzufordern, und die Sorge darum, wie die Banken den Entzug verkraften werden. Für zusätzliche Unsicherheit sorgt die wiederum zögerliche Haltung der europäischen Entscheidungsträger in Sachen Veröffentlichung der Banken-Stresstests, die zeigen, wie gut oder schlecht die Banken verschiedene Schocks verkraften. So lange nicht bekannt ist, wie es den europäischen Banken wirklich geht, können sich die Finanzmarktakteure das Schlimmste ausmalen und werden sich entsprechend verhalten. Dabei spielen wiederum die Staatsanleihen der insolvenzgefährdeten Eurostaaten eine Rolle. Werden Umschuldungen in den Stresstests nicht simuliert, wird man sie als Farce abtun. Entscheidet sich die EU für die Simulation einer Umschuldung bei den eigenen Mitgliedstaaten, droht die Übung durch die anschließende Panik zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden.

Michèle Sinner
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