Kabelfernsehen

Von den Nöten eines kleinen Kabelnetzbetreibers

d'Lëtzebuerger Land vom 20.05.1999

Der Fernsehapparat gehört heute in den meisten Familien zu den unentbehrlichen Ausstattungsgegenständen, und eine Fernsehpanne kommt einer mittleren Katastrophe nahe. Es ist also wichtig, daß ein guter Empfang gewährleistet ist. Sofern der Empfänger eine eigene Antenne hat, sei es eine klassische oder eine Parabolschüssel, liegt das Problem bei ihm selbst und seinem Elektriker. Ist er aber, wie die allermeisten Einwohner in Luxemburg, an ein Antennennetz angegliedert, möchte jeder jedes Programm empfangen können und jede Panne und Störung wird zu einem Allgemeinproblem. Die Ansprüche der Fernsehteilnehmer werden also immer größer und man kann sich fragen, ob es in Zukunft noch möglich sein wird, kleinere Antennennetze von privaten Vereinigungen oder Gemeinden zu-friedenstellend zu betreiben.

Eine einfache Antwort wäre zu sagen, daß man das Betreiben der Netze denen überlassen soll, für die das ein Beruf ist. Um das Problem aber richtig zu erfassen, muß man wissen, wie es in Luxemburg zu der großen Zahl von Kabelnetzen kam.

Anfang der 60er Jahre fingen die Fernsehapparate an, sich zu verbreiten. Aber bald haben viele Leute festgestellt, daß viele Programme nicht zufriedenstellend empfangen werden konnten. Im Alzettetal und besonders in der Gemeinde Walferdingen, von dessen Fernsehnetz hier die Rede sein wird, war die Lage besonders schlimm und oft halfen sogar ausgereifte Antennen auf einem hohen Dach auch nichts.

Der Anfang

Damals wurde eine leidenschaftliche Diskussion geführt, ob man den Empfang durch den Bau von Relais oder durch die Errichtung von Gemeinschaftsantennennetzen verbessern sollte, und ob die verschiedenen Lösungen Sache des Staats, der Post, der Gemeinden oder der Privatleute seien. In der Parlamentssession 1966/67 wurde diese Frage durch eine Deklaration von Staatsminister Pierre Werner geklärt, in der er vorschlug, daß das Problem des Fernsehempfangs durch Privatinitiative mit Bau von Gemeinschaftsantennen gelöst werden sollte. Darin liegt auch die Erklärung, weshalb es in Luxemburg eine so große Anzahl von Antennennetzen gibt, die von unterschiedlicher Größe, Leistung und finanzieller Beteiligung der Mitglieder sind.

Auch in Walferdingen klärte diese Deklaration des Staatsministers die Lage und führte dazu, daß am 17. Februar 1968 eine Gruppe von 22 Personen sich zusammentat und die Gesellschaft Télédistribution Walferdange asbl gründete, deren Zweck es war, in der Gemeinde Walferdingen ihren Mitgliedern die Möglichkeit für einen besseren Empfang der Fernsehübertragungen zu bieten und alle hierzu erforderlichen Transaktionen zu tätigen.

Diese Transaktionen bestanden in Folge in der Planung und Ausschreibung des Netzes, in der Errichtung eines großen Antennenmastes, in der Einholung der Passageerlaubnis auf Staats- und Gemeindeterrains und vor allem auf den mehr als tausend Privatterrains. Nicht alle Einwohner waren vom Fernsehen überzeugt und verstanden nicht so recht, weshalb sie die Erlaubnis geben sollten, ein Kabel an ihrer Fassade anbringen zu lassen, damit der Nachbar fernsehen konnte. Aber bis Ende 1968 war diese Phase dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten gelöst, und das Netz funktionierte zur Zufriedenheit der Mitglieder.

Da die Zahl der Einwohner, die damals einen Anschluß beantragen wollten, relativ groß war, und die Ortsteile Helmsingen, Walferdingen und Bereldingen eng zusammenliegen, so daß größere Kabellängen vermieden werden konnten, stellte das Problem der Finanzierung kein allzu großes Hindernis dar. Außerdem entstand als Nebenprodukt eine wichtige urbanistische Verbesserung, weil fast alle Antennen von den Hausdächern verschwanden.

Damit war aber die Mission der Gründer nicht beendet. Außer dem normalen Unterhalt des Netzes, wie z.B. Ausweitungen in neuen Bauzonen, Ersetzen von Anschlussdosen, Anbringen von Hausverstärkern, Ersetzen der Kabel u.s.w., kamen bald neue Probleme auf sie zu.

Zu einem bestimmten Moment wurden Programme in Pal und Secam gesendet. Die Apparate aber, die beide Systeme gleichzeitig empfangen konnten, waren noch relativ rar und vor allem sehr teuer. Télédistribution konnte das Problem lösen, indem es in seiner Kopfstation einen Umwechsler einbaute.

Auch die ersten Satellitenprogramme konnten durch die Gemeinschaftsantenne in das Netz eingespeist werden. Als der Antennenmast nicht mehr ausreichte, um genügend Empfänger einzubauen, wurde ein Vertrag mit einer kommerziellen Betreiberfirma abgeschlossen, die die Fernseh- und Radioprogramme an unsere Kopfstelle lieferte. Télédistribution Walferdange blieb aber immer der Besitzer des Netzes und verwaltete es selbst.

Neue Herausforderungen

Nachdem die meisten Netze jetzt zwei bis drei Dekaden lang zufriedenstellend funktionierten, stehen sie heute vor neuen Problemen.

1. Zunächst einmal sind viele Netze technisch veraltet, und es ergibt sich für sie als einzige Lösung eine komplette Erneuerung des Netzes.

2. Hinzu kommt die Nachfrage nach immer mehr Programmen. Diese Nachfrage hat sich noch gesteigert, seit es Satellitenprogramme gibt. Bei verschiedenen Netzen erlaubt die vorhandene Bandbreite keine Erweiterung des Programmangebotes. Aber neben diesem rein technischen Problem, kommen auch juristische Probleme, wie Empfangs- und Übertragungserlaubnis. Es ist also nicht selbstverständlich, daß der Kabelbetreiber, selbst wenn es technisch möglich wäre, alle Wünsche seiner Mitglieder erfüllen kann, besonders weil durch die Digital- und Kompressionstechniken in Zukunft Hunderte von TV- und Hörfunkprogrammen angeboten werden können. Für die Übertragung von vielen Programmen stellt sich auch die Frage nach den Autorenrechten, die in ihrer Komplexität, trotz Gesetzgebung, noch keine eindeutige und allgemein bekannte Antwort hat. Deshalb wird auch hier dieser Aspekt nicht weiter behandelt, obwohl er in Walferdingen nie ein größeres Problem darstellte.

3. Eine dritte Herausforderung, die sich den Kabelbetreibern in der Zukunft stellt, ist die schnelle Verbreitung von multimedialen Diensten, Telefon- und Datendiensten, Infonet, Video on demand und Pay TV. Kabelnetze sind in der Tat geeignete Strukturen für solche multimedialen Anwendungen, sofern sie anständig konzipiert sind.

Télédistribution Walferdange hat sich intensiv mit diesen Problemen auseinandergesetzt und sich die Existenzfrage des Netzes gestellt. Eine einfache Lösung wäre gewesen, das Netz an eine kommerzielle Gesellschaft zu verkaufen. Dabei gab es aber psychologische und sentimentale Hemmschwellen.

Was tun?

Um sie zu verstehen, muß man wissen, daß die gesamte Aktivität der Gesellschaft, mit Ausnahme des technischen Wartungsdienstes, auf reinem Benevolat aufgebaut war. Der Verwaltungsrat hat immer kollegial funktioniert, was besonders in der Tatsache zum Ausdruck kommt, daß von den zehn noch lebenden Mitgliedern aus dem Jahre 1968 noch immer acht aktiv dabei sind. Deshalb ist es zu verstehen, daß die Idee, das Netz zu veräußern, nicht auf Gegenliebe stieß. Der Verwaltungsrat beschloß dann Ende 1996, eine ausländische Beraterfirma mit der Bestandsaufnahme des Netzes und dem Vorschlag eines Ausbaus zu befassen. 

Im Januar 1997 unterbreitete diese Firma ihre Vision über den möglichen Ausbau des Walferdinger Netzes. Sie entsprach im allgemeinen den Empfehlungen des Verbandes Privater Kabelnetzbetreiber e.V. Bonn und enthielt grob gesehen folgende Vorschläge:

1. Das gesamte Netz soll ein modernes Hybrid Fibre Coax Network (also eine Verbindung von Glasfaser und Koaxialkabel) werden und in acht Inselnetze aufgeteilt werden, was einer Optimierung der Netzgrößen entspricht.

2. Um für die zukünftigen multimedialen Anwendungen gerüstet zu sein, soll das Netz auf 825 MHz ausgebaut werden.

3. Zusätzliche Kapazitäten sollen geschaffen werden für weitere analoge Programme, wie z.B. Infokanäle und ein eventuelles lokales Fernsehen.

4. Das zukünftige Netz soll ein Full-Service-Network sein und deshalb sollte es rückkanalfähig sein, um künftige Dienste wie Video-on-demand, Teleworking oder einen Internet-Anschluß zu ermöglichen.

Vertrauen in die Zukunft

Der Verwaltungsrat entschloß, diesen Weg zu gehen. Im Juli 1997 unterbreitete die beauftragte Firma die Pläne, den Terminentwurf für zwei Phasen und die Kostenschätzung. Letztere belief sich umgerechnet auf rund 37 Millionen Flux ohne Bodenarbeiten.

Es ist verständlich, daß der Verwaltungsrat sich diese Ausgabe gut überlegte. Zunächst stellte er fest, daß im Laufe der Jahre gut gewirtschaftet wurde, und daß, trotz vernünftiger Mitgliedergebühren eine kleine Reserve angelegt werden konnte, was für die wenigsten nicht-kommerziellen Netze wohl der Fall ist. Ein großer Teil dieser Reserve konnte für die Verlegung des Kabels in den Boden gebraucht werden.

Ohne Partner ging es allerdings auch hier nicht. Angesichts der außergewöhnlich guten Zusammenarbeit mit der Gemeinde erklärte sich der Walferdinger Schöffenrat, mit zustimmendem Votum des Gemeinderates, bereit, auf zwei Jahre eine Subvention von insgesamt zwölf Millionen Flux zu gewähren und die Kaution für eine von der Gesellschaft aufzunehmenden Anleihe von 25 Millionen zu übernehmen. Als „Gegenleistung" wurde eine Statutenänderung vorgenommen, durch die der Schöffenrat eine Vertretung sowohl im Verwaltungsrat, als auch im Vorstand erhielt.

Die Arbeiten haben im Herbst 1997 angefangen und werden zügig vorangetrieben. Augenblicklich ist das Hauptnetz voll mit Glasfaser ausgerüstet und die acht Netzinseln sind ausgebaut. Das Netz ist dem gewünschten Ausbau sehr nahe und alle Anschlüsse werden wohl vor Ende des Jahres realisiert sein.

In der Zwischenzeit sind schon einige Programme hinzugekommen und vor allem ist der seit einigen Jahren bestehende eigene Infokanal vorteilhaft durch Teletextseiten ergänzt worden. Außerdem hat der Verwaltungsrat ein Kooperationsvertrag mit Aurora-SelectTV abgeschlossen, der es bis Ende des Jahres erlauben wird, eine große Zahl von Digitalprogrammen zu übertragen, womit hoffentlich vermieden wird, daß überall Parabolantennen auftauchen.

Die vorerwähnten Operationen haben viel Mut gekostet und sind auch nur möglich, weil die Generalversammlung sie abgesegnet hat (leider vergessen auch nationale Gremien oft, daß ein Beschluss einer Generalversammlung etwas anderes ist, als eine kommerzielle Aufforderung) und weil jedes einzelne Vorstandsmitglied das Gelingen des Werkes zu seinem persönlichen Anliegen gemacht hat.

Der Autor ist Präsident der asbl Télédistribution Walferdange

Carlo Meintz
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