Öffentliche Schule

Zum Davonlaufen?

d'Lëtzebuerger Land du 24.01.2008

Noch nicht gestartet und schon erfolgreich. Die geplanteForschungsschule Eis Schoul hat ihre Nagelprobe bestanden:Alle vier Einführungsabende waren überaus gut besucht. Mehrals 200 Eltern haben ihr Kind eingeschrieben – dabei beginntdie Anmeldefrist offiziell erst am 11. Februar und das Gesetzist vom Parlament noch gar nicht verabschiedet. „Wir habenAnmeldungen aus dem ganzen Stadtbereich – und sogar darüberhinaus“, freut sich Primärschullehrer Marc Hilger, einer vonfünf InitiatorInnen von Eis Schoul. Als öffentliche Primärschulegeplant, die auf alternative Lehrmethoden und altersgemischteLerngruppen setzt, wendet sich das Projekt vor allem an Schüleraus der Hauptstadt. Da die 108 Kinder, welche die Schule in einerersten Phase aufnehmen kann, aus allen Bevölkerungsgruppenkommen sollen und das Projekt einen integrativen Ansatz verfolgt(zehn Prozent der Plätze sind für Kinder mit Behinderungenreserviert), wird eine Kommission entscheiden, wer im September,wenn die Schule die Pforten öffnet, dabei sein wird. „Wir werdenvielen absagen müssen“, seufzt Geschichtslehrer Denis Scuto.Sogar aus dem Süden und dem Norden des Landes waren Elternangereist, um sich zu informieren. „Ich würde meinem Kind zugerne bei der Schule anmelden“, sagt Ingrid van der Kley ausEsch. Die Mutter zweier Kinder hatte im Herbst zunächst bei derneu eröffneten Jean-Jaurès-Schule angefragt. Doch die 14 Plätzeder 1. Klasse an Luxemburgs erster Ganztag-Grundschule warenrasch vergeben. So groß war das Interesse, dass sogar Kinder ausder direkten Nachbarschaft abgewiesen werden mussten. Für dasSchuljahr 2008/2009 rechnen die Verantwortlichen mit einemähnlichen Andrang. Weil van der Kley das pädagogische Konzept„überzeugend“ findet, hat sie ihren Sohn trotzdem angemeldet– um ein Zeichen zu setzen. Auch im Bekanntenkreis rührt siedie Werbetrommel für die Modellschule (www.eisschoul.lu).

Die braucht es aber gar nicht, denn immer mehr unzufriedene Elternwenden sich vom herkömmlichen Schulangebot ab. Als das ganztägliche Deutsch-Luxemburgische Schengener Lyzeum in Perl seine Anmeldebogen verschickten, sagten 30 Prozent mehr zu als gedacht, sodass eine Klasse zusätzlich organisiert wurde. Auch Schulprojekte, wie das Teamteaching-Projekt in Bridel, Schoul-ID in Berchem oder Muspelland in Hosingen mit Nachmittagsbetreuung und Nachhilfe erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Hauptsache etwas Anderes und mehr Förderung. Und während Lehrergewerkschaften den Ganztagsschulen eher reserviert bis skeptisch gegenüber stehen, begeistern sich zunehmend auch Lehrer und Erzieher für den pädagogischen Neuanfang: Beide Projekte – Jean-Jaurès und Eis Schoul – gehen auf die Initiative engagierter Lehrer zurück, die keine Lust mehr auf Frontalunterricht, Notenstress und angstvolles Lernklima hatten. Für Eis Schoul haben sich 50 Lehrer und Erzieher gemeldet, „vier Mal mehr Erzieher, als wir in einer ersten Phase brauchen“, stellt Hilger zufrieden fest.

Doch obwohl der Trend unübersehbar ist, tut sich die Politikschwer mit Lösungen. Eine flächendeckende Versorgung mitGanztagsschulen, oder ein Konzept dafür, sucht man in Luxemburgnach wie vor vergeblich. Nicht einmal ein fakultatives regionales Angebot hat die schwarz-rote Koalition nach vier Jahren Regierungszeit auf die Beine gestellt – dabei ist die amtierende Ministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP), im Gegensatz zu ihrer liberalen Vorgängerin Anne Brasseur, bekennendeGanztagsschulbefürworterin. Die Reform des 1912-er Gesetzessieht zwar mehr Autonomie für die Primärschulen vor. Auch soll die Muttersprache nicht-luxemburgischer Kinder künftig systematisch in den Unterricht einbezogen werden. Ähnliches plant Eis Schoul.

Zudem sollen Schulen und Maisons relais enger zusammenarbeiten. Doch auf konkrete Vorgaben zum Sprachenplan wartet die Öffentlichkeit fast ein Jahr nach Vorstellung der Leitlinien noch immer, und mit Ganztagsschulen, in denen nach gemeinsamem Mittagessen weitergelernt wird, haben Maisons relais wenig zu tun. „Wir müssen aus der Pilotprojekt-Logik raus“, meint Script-Direktor Michel Lanners. Im Saarland hat die Landesregierung aufgrund der großen Nachfrage die Finanzmittel für ihr seit 2002 (!) laufendes Programm der „freiwilligen Ganztagsschulen“ aufgestockt, unterdessen wächst die Zahl der bilingualen Schulangebote in der Grenzregion weiter. DieAbstimmung mit den Füßen ist voll im Gange. 

Ines Kurschat
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