Rio+20

Gipfelsprech

d'Lëtzebuerger Land du 20.07.2012

Die „Rio+20”-Schlacht ist geschlagen, aber der Krieg ist noch lange nicht gewonnen. Allerdings: Was war das wieder für eine Schlacht? Oberflächliches Gerangel, eine Showveranstaltung, ein Klima-Happening. „Much Ado About Nothing”, würde Shakespeare wohl dazu sagen. Nicht einmal die „Klimakanzlerin” Angela Merkel war angereist – das konnte ja nichts werden. Trotzdem gab es eine schöne Schlussdeklaration mit dem Titel „Die Zukunft, die wir wollen“. Hier wird all das erklärt, was man auf die Reihe hätte bringen können, wenn man gewollt hätte. Oder umgekehrt.

Unsere aller Zukunft soll grüner werden, dieses Prinzip soll jetzt sogar für die Wirtschaft gelten. Professor Welzer von der Uni Flensburg hat es auf den Punkt gebracht: Vom Konzept der „Nachhaltigen Entwicklung”, wie es 1992 in Rio erstmals vorgestellt wurde, seien bis heute 50 Prozent umgesetzt worden – 100 Prozent Entwicklung, null Prozent Nachhaltigkeit.

Signifikativ für das ganze Brimborium sind die Kommentare, die man nach dem Treffen hören und lesen konnte. Beginnen wir mit den Hardlinern und Fundis, den immer alles besser Wissenden, das heißt den Umweltverbänden. Die lassen konsequenterweise kein gutes Haar am Gipfel und schon gar nicht an der gemeinsamen Erklärung. Da ist von einem „kolossalen Scheitern” die Rede, von „total enttäuschenden” bis zum Teil „katastrophalen Verhandlungen”. Etwas weniger streng sind die Gemäßigten, die Schlichter und Brückenbauer: „So schlimm war es nun  auch wieder nicht”, „das Ergebnis kann sich trotz allem sehen lassen”, „immerhin gibt es keinen Rückschritt zu verzeichnen”, heißt es hier. Dann sind da noch die Berufsoptimisten – meistens Berufspolitiker, manchmal auch Lobbyisten – die partout nicht (ein)sehen wollen, dass das ganze Spektakel eigentlich für die Katz gewesen ist. Man sei nicht unzufrieden, immerhin hätte erstmals das Thema grüne Wirtschaft auf der Tagesordnung gestanden. Es sei auch unfair zu behaupten, die Verhandlungen seien nicht fair gewesen. Der Schlusstext beinhalte durchaus gute Elemente [sic]. Das muss wohl stimmen, denn auf 50 Seiten findet sich immer etwas Brauchbares.

Nehmen wir den frischgebackenen deutschen Bundesumweltminister Peter Altmaier. Er findet, die Gipfelerklärung sei alles andere als armselig. Anfangs sei das Schlusspapier zwar ein bisschen dürftig gewesen, aber dank des Einsatzes der europäischen und insbesondere der deutschen Delegation sei dann doch noch etwas Gutes daraus geworden. Ob uns das weiterhilft? Sogar unser delegierter Nachhaltigkeitsminister Marko Schank, der ja fast alles gut findet (pardon, finden muss), spricht von einer „vagen Erklärung”.

Wird Rio+20 uns also – umweltpolitisch gesehen – in eine bessere Zukunft führen? Ist es nicht leider so, dass gerade in Krisenzeiten Umweltbelange und Nachhaltigkeitsprinzipien sich ganz weit hinten anstellen müssen? Wenn ein Politiker sagt, dass er mit einer Schlusserklärung „gut leben kann”, sollten beim mündigen Bürger die Alarmglocken läuten.  Wird eine „bessere Zukunft” angekündigt, sollte man erst einmal fragen: Für wen? Mit den Klimagipfeln verhält es sich wie mit den meisten anderen Treffen dieser Art, egal ob Euro-Krisengipfel, Wirtschafts- und Sozialgipfel, Gipfel der Großregion, Zwischengipfel oder Kamingespräch. Enttäuscht ist immer derjenige, der mit überhöhten Erwartungen hingeht. Also immer schön brav, bescheiden und anspruchslos bleiben, dann sieht die Welt gleich viel schöner aus.

Claude Gengler
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