Gags, Gags, Gags

Persönlichkeitsstörung des Jahres

d'Lëtzebuerger Land du 16.12.2016

Einst, vor vielen, vielen Jahren, es gab damals viele Menschen mit vielen Haaren, stellte ich mir vor, pünktlich mit dreißig Jahren säße ich auf dem Gipfel des Himalaya, was, so niedergeschrieben, zugegeben, geografisch, logistisch und überhaupt etwas schlicht anmutet.

Ich wäre erleuchtet, stellte ich mir vor. An meiner Seite befände sich ein ebenfalls Erleuchteter, ein noch Erleuchteterer. Trotz unserer Erleuchtung bekämen wir Kinder. Das mit den Kindern kam alles ganz anders, logisch, sonst würde ich Sie, gebeugte Leser_innen, nicht wöchentlich mit einer frisch halb gebackenen Kolumne verwöhnen.

Ich machte also irgendwie weiter in der Welt, sie machte auch weiter, mit mir, trotz mir, ich gewöhnte mich an sie, manchmal denke ich, ich werde noch ein Profi. Aber kaum denke ich das, und dass ich mich jetzt richtig gut auskenne, und weiß, wie man sich benimmt, zwar nicht, wie man sich nimmt, leider, ist alles wieder anders.

Who is who? Und wer steckt dahinter? Und gibt es überhaupt ein Dahinter, wie Theoretiker_innen, von Nichteingeweihten Verschwörungstheo-retiker_innen genannt, so tröstlich vermuten?

Das Personal wird jedenfalls überraschend spontan ausgewechselt, kaum hat man sich an einen Selbstdarsteller gewöhnt, tauchen lustige neue Masken auf. Die Persönlichkeitsstörung des Jahres wird Weltpräsident. Der Kasperl ist das Krokodil. Ein Horrorclown und seine Wiedergängergang schießen ein Feuerwerk von Gags, Gags, Gags auf uns ab. Ein österreichischer Teddybär mit eiskalten Knopfaugen frisst Tonnen Kreide, dennoch, Überraschung, Überraschung, gewinnt der alte, griesgrämige Brummbär, der immer ein bisschen zerstreut ist. Die Menschen wollen es dann doch nicht so schlagfertig, im Moment, es ist ja auch Advent. Nur der braune Bär in Russland trägt konservativ den Schlangenkopf.

Überraschung über Überraschung im Überraschungsweltei, es geht extrem abwechslungsreich zu, man kann eine Menge dazu lernen. Zum Beispiel, dass die Menschen nie dazu lernen, wie jetzt viele wehklagen. Dass die Geschichte nicht einfach frohgemut fortschreitet in ein Wellness- Himmelreich, sondern dass wir in historischen Zyklen, Teufelskreisen, herumgeschleudert werden. Aber wer will das abschließend beurteilen? Das Leben geht weiter, wie man sich auf Friedhöfen zumurmelt.

Eine Engländerin aus dem Elegante-Engländerinnen-Bilderbuch übernimmt das Zepter vom Zocker. Der kleine Pinguin schaut treuherzig, schlägt mit den Flösschen und sagt Au revoir. Was ihm gleich Millionen Likes einbringt, alle lieben ihn überschwänglich, er wächst über sich selber hinaus, schwärmen sie. Rechte Politiker werden im Stellungskampf rasch in Stellung gebracht, Antikörper gegen den Volkskörper. Sie müssen noch Rechtere verhindern. In der Festung Europa bleibt kein Stein auf dem andern, auch wenn die Fossile noch so sehr mauern. Werden die Italiener, geblendet von ihren fünf Sternen, bald die Sterne sehen?

Mal kurz nach Aleppo schauen, das wieder kurz in den Fokus rückt, einen Augenblick, einen Mausklick lang. Die Welt schaue nicht hin, posten betrübte Weltteilchen, andere Weltteilchen wiederum posten, dass die Welt zuschaue. Beides gefällt den Weltteilchen nicht, die meisten Weltteilchen haben aber auch keinen Plan, schließlich steht zumindest in einem Weltteil die alljährliche Katastrophe vor der Tür.

Vor der Tür steht Weihnachten mit einem Weihnachtsbaum, der alle erschlägt, einer erhängt sich daran. Auch wenn sie noch so laut im Weihnachtsbiobaumwald singen. Es erwischt sie jedes Jahr wieder, die Impfung klappt nicht.

Dann, als wäre das alles nicht genug, ist auch noch Revolution angesagt! Zwar nur in einem überschaubaren Territorium, Insassin beruhigt das jedoch nur bedingt. Das Territorium nennt sich Labor. Was auch nicht unbedingt Vertrauen erweckend ist. Sind die Insassen profane Versuchskaninchen oder nehmen sie Teil an einem, wie in der Frohbotschaft verkündet, sehr menschlichen Menschenexperiment?

Schon wieder Revolution, gähnt Insassin, es war doch eben erst die sexuelle, der Mensch braucht doch Erholung.

Wenigstens die Bio-Tanne ist erleuchtet.

Michèle Thoma
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